Global Compact Deutschland 2013 - Jahrbuch
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global<br />
<strong>Deutschland</strong><br />
compact<br />
<strong>2013</strong>
Herausgegeben mit freundlicher Unterstüzung durch:<br />
Qualifizierungsförderwerk<br />
Chemie GmbH
Grußnote<br />
Our <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> is working to bring business to the<br />
table as a key partner. It embodies the spirit of shared<br />
responsibility that is essential for achieving a better world.<br />
At the <strong>Compact</strong>’s launch in 2000, few companies considered<br />
their impact on the environment and on society. Now we have<br />
8,000 participating companies and 4,000 civil society signatories<br />
in 145 countries. We have 101 country networks supporting a<br />
growing global corporate sustainability movement.<br />
CEOs increasingly see a direct link between corporate sustainability<br />
and the bottom line.<br />
Ban Ki-moon, UN-Generalsekretär<br />
Human rights abuses, poor working conditions, discrimination,<br />
environmental degradation and corruption – whether in direct<br />
operations or the supply chain – are a threat to morale, reputation,<br />
long-term investments and growth prospects.<br />
Modern communications technology combined with growing<br />
demands for transparency make it harder for companies to flout<br />
laws or ignore public opinion.<br />
Companies that take their responsibilities to people and the planet<br />
seriously will increasingly be in the vanguard. That is why the<br />
investment community is looking closely at sustainability and<br />
factors like environmental stewardship, labour standards, social<br />
responsibility and good governance.<br />
In short, business can no longer ignore its social and environmental<br />
responsibilities. We need it to help<br />
build sustainability through the marketplace.<br />
Auszug aus der Rede von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon anlässlich des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
Leaders Summit, New York, 20. September <strong>2013</strong>
Inhalt<br />
3<br />
Grußnote<br />
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon<br />
6<br />
12<br />
15<br />
16<br />
19<br />
20<br />
Lieferkettenmanagement<br />
Neue Maßstäbe in der unternehmerischen<br />
Nachhaltigkeit<br />
Ida Karlsson<br />
Social Compliance – Ein unterschätzter<br />
Wettbewerbsfaktor<br />
Torben Kehne und Hubertus Drinkuth<br />
Info: Was steckt alles in fertigen Produkten?<br />
Lieferantenmanagement: Lösungen für den Mittelstand<br />
Info: Problemfälle<br />
„Audits dauern länger als ein oder zwei Tage!“<br />
Interview mit Richard Karmel<br />
6<br />
Lieferkettenmanagement<br />
24<br />
28<br />
30<br />
35<br />
39<br />
Kinderrechte<br />
Gibt es „gute“ Kinderarbeit?<br />
Barbara Küppers<br />
Kinderrechte sind unser aller Business<br />
Dr. Jürgen Heraeus<br />
Geschichte der Kinderarbeit<br />
Dr. Jürgen Bönig<br />
Kinderrechte in CSR-Reporting integrieren<br />
Dr. Elmer Lenzen<br />
Info: Publikationen zum Thema Kinderrechte<br />
22<br />
Kinderrechte<br />
42<br />
44<br />
48<br />
48<br />
53<br />
CSR in Nordrhein-Westfalen<br />
Gesellschaftliche Verantwortung zwischen Rhein und<br />
Ruhr<br />
Riccardo Wagner und Marcus Eichhorn<br />
Info: Eckpunkte einer Nachhaltigkeitsstrategie für<br />
Nordrhein-Westfalen<br />
„CSR definiert das Verhältnis von Staat und Wirtschaft<br />
neu“<br />
Interview mit Garrelt Duin<br />
Zeitstrahl: Zwischen Rhein und Ruhr<br />
Info: Nützliche Adressen<br />
112<br />
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Inside
112<br />
114<br />
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Inside<br />
Impressionen Leaders Summit <strong>2013</strong><br />
Leaders Summit sieht CEOs als Architekten für eine<br />
bessere Welt<br />
118<br />
120<br />
122<br />
CEOs beklagen geringe Fortschritte und fordern Politik<br />
zum Handeln auf<br />
Info: Momentaufnahme <strong>2013</strong><br />
Das Deutsche <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerk <strong>2013</strong><br />
Dr. Elmer Lenzen<br />
Dr. Jürgen Janssen<br />
115<br />
116<br />
Info: Neue Initiativen des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
GC100: UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> führt Aktienindex ein<br />
125<br />
„Das Deutsche Netzwerk ist ein wichtiger Akteur im<br />
gesellschaftlichen Diskurs“<br />
Interview mit Katharina Riese, Dr. Mathias John und Klaus Milke.<br />
117<br />
Info: Publikationen<br />
128<br />
Stiftung Deutsches <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerk<br />
58<br />
60<br />
Good Practice<br />
Menschenrechte<br />
Bayer<br />
Bayer fördert das Ehrenamt: „Vorbild sein lohnt sich!“<br />
Tchibo<br />
„Kinder in Guatemala unterstützen“<br />
Arbeitsnormen<br />
84<br />
86<br />
88<br />
90<br />
HypoVereinsbank<br />
Saubere Sache: Unser Weg zum CO 2<br />
-neutralen<br />
Bankbetrieb<br />
LANXESS<br />
Die Zukunft der Mobilität ist grün<br />
MAN<br />
Mobilität in Bewegung<br />
Mediengruppe macondo<br />
Projekt Togo – Klimaschutz mit sozialem Mehrwert<br />
62<br />
Audi<br />
Nachhaltigkeit in der Bildung verankern<br />
92<br />
Weidmüller<br />
Die Produktionshalle als „Passivhaus“<br />
64<br />
66<br />
68<br />
70<br />
74<br />
76<br />
78<br />
Bosch<br />
Arbeitsschutzmanagement: Mit System zum Erfolg<br />
Merck<br />
Von Vielfalt profitieren<br />
QFC<br />
QFC integriert <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Prinzipien in die<br />
Aus- und Weiterbildung<br />
RWE<br />
Bettercoal – mehr Transparenz beim Steinkohlebezug<br />
Umweltschutz<br />
ABB<br />
Technologien für die nachhaltige Energieversorgung<br />
BSH Bosch und Siemens Hausgeräte<br />
Der Kühlschrank spart schon auf dem Weg zum<br />
Kunden CO 2<br />
CEWE<br />
Ökologische Nachhaltigkeit sichern<br />
94<br />
98<br />
100<br />
102<br />
104<br />
106<br />
Korruptionsbekämpfung<br />
METRO GROUP<br />
Korruptionsprävention in der METRO GROUP<br />
CSR Management<br />
BASF<br />
Kooperation zwischen BASF und European Water<br />
Partnership zu nachhaltigem Wassermanagement<br />
daW<br />
Farbenfroh und innovativ<br />
Deutsche Bahn<br />
DB2020 – die nachhaltige Konzernstrategie<br />
Deutsche Telekom<br />
Nachhaltigkeit in der Lieferkette als wichtiger Baustein<br />
der Unternehmensverantwortung<br />
EY<br />
Konfliktmineralien – Herausforderung für Unternehmen<br />
entlang der Lieferkette<br />
80<br />
82<br />
Daimler<br />
Aktionsplan zum Aufbau eines Wasserstoff-Tankstellennetzes<br />
in <strong>Deutschland</strong><br />
Deutsche Post DHL<br />
CO 2<br />
-freie Zustellung: GoGreen für eine ganze<br />
Großstadt<br />
108<br />
110<br />
Forest Carbon Group<br />
Kerngeschäft statt CSR<br />
Entwicklung & Partnerschaft<br />
HOCHTIEF<br />
Soziales Engagement mit Baukompetenz
Agenda<br />
6 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Lieferkettenmanagement<br />
Lieferketten-<br />
Management:<br />
Neue Maßstäbe in der unternehmerischen<br />
Nachhaltigkeit<br />
Mit der fortschreitenden <strong>Global</strong>isierung und Spezialisierung hat sich der Trend zum Outsourcing in den<br />
letzten Jahrzehnten stetig verstärkt. Unternehmen, die ihre Produktion und Dienstleistungen auslagern,<br />
lagern auch ihre Reputationsrisiken und ihre gesellschaftliche Verantwortung aus. Die dementsprechende<br />
Bedeutung eines guten Lieferkettenmanagements ist Unternehmen wie auch Anlegern bewusst.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
7
Agenda<br />
Von Ida Karlsson<br />
Im Corporate Sustainability Assessment (CSA) 2012 hat<br />
RobecoSAM eine verbesserte Rahmenbewertung für die Nachhaltigkeit<br />
des Supply-Chain-Managements eingeführt. Im<br />
Lieferkettenmanagement liegt der Fokus traditionell auf<br />
vorgelagerten sozialen Risiken wie den Arbeitsbedingungen,<br />
der Kinderarbeit und Mindestlöhnen. Seit einiger Zeit wird<br />
das Konzept deutlich breiter verstanden und um eine Vielzahl<br />
ökonomischer, ökologischer und sozialer Fragen ergänzt, die<br />
alle Bereiche der Wertschöpfungskette betreffen, inklusive<br />
der Innovationsstärke.<br />
Im Laufe der vergangenen zehn Jahre haben sich die Unternehmen<br />
im Licht von Nachhaltigkeitsaspekten intensiver mit<br />
ihrem Lieferkettenmanagement beschäftigt. Diese Entwicklung<br />
lässt sich im RobecoSAM CSA beobachten. Angefangen hat das<br />
CSA im Supply-Chain-Bereich mit Standards zur Bewertung<br />
der Leitlinien für Lieferanten und der Art und Weise, wie die<br />
Unternehmen die Einhaltung dieser Leitlinien überprüfen.<br />
Daraus entstanden ist ein umfassendes Bewertungsgerüst, das<br />
ökonomische, ökologische und soziale Supply-Chain-Risiken<br />
genauso berücksichtigt.<br />
Die Wichtigkeit des Lieferkettenmanagements<br />
Im Lieferkettenmanagement stehen Unternehmen vor dem<br />
Dilemma, einerseits die Kosten sowie die Produktionszeiten<br />
in ihren Lieferketten zu reduzieren und andererseits zugleich<br />
Verbesserungen in der Nachhaltigkeit und Qualität zu erzielen.<br />
Wenn Unternehmen einen bedeutenden Anteil ihrer gesellschaftlichen<br />
Verantwortung und ihrer Umweltauswirkungen<br />
an ihre Lieferanten ausgelagert haben, wird das Lieferkettenmanagement<br />
zu einem ihrer wichtigsten Nachhaltigkeitsthemen.<br />
Misswirtschaft kann auch zu Lieferkettenstörungen<br />
führen, die sich negativ auf den gesamten Betrieb und die<br />
finanzwirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens auswirken.<br />
Aus Anlegersicht sprechen mehrere Gründe dafür, das Lieferkettenmanagement<br />
der Unternehmen genau im Auge zu<br />
behalten. Eine vor kurzem von der Harvard Business School<br />
veröffentlichte Studie zeigt, dass Unternehmen, die frühzeitig<br />
nachhaltige Praktiken anwenden, langfristig besser abschneiden.<br />
Ein weiteres Ergebnis der Studie zeigt: Unter den Vorreitern<br />
der Nachhaltigkeit ist auch der Anteil der Unternehmen<br />
größer, die Nachhaltigkeitsleitlinien für ihre Lieferanten eingeführt<br />
haben. Potenzielle Risiken einer schlecht gemanagten<br />
Lieferkette können zu Produktrückrufen und erheblichen<br />
direkten Kosten führen. Daher liegt es im Anlegerinteresse,<br />
Unternehmen zu identifizieren, die ihre Lieferketten effektiv<br />
steuern und entsprechend profitabel agieren.<br />
Bewertungsrahmen für das Lieferkettenmanagement<br />
RobecoSAM hat einen umfassenden Bewertungsrahmen<br />
für das Lieferkettenmanagement der Unternehmen im CSA<br />
entwickelt. Der Ansatz betrachtet sieben zentrale Faktoren.<br />
Im Mittelpunkt stehen die Risikoidentifizierung und das<br />
Risikomanagement sowie die Art und Weise, wie Nachhaltigkeitsaspekte<br />
in die übergreifende Supply-Chain-Strategie<br />
integriert werden, wie diese die finanzielle Performance beeinflussen<br />
und sich damit auf die Unternehmensentwicklung<br />
insgesamt auswirken.<br />
8<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Lieferkettenmanagement<br />
Unternehmen, die frühzeitig<br />
nachhaltige Praktiken anwenden,<br />
schneiden langfristig besser ab.<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Die Analyse der Daten, die seit Einführung des neuen CSA-<br />
Bewertungsrahmens für das Lieferkettenmanagement erfasst<br />
worden sind, zeigt vor allem eines: Die Unternehmen<br />
Public scrutiny contributes to improved practices<br />
<br />
schenken <br />
ihren Lieferketten und der Steuerung der damit<br />
verbundenen <br />
Risiken und -chancen zunehmend Beachtung.<br />
Die <br />
CSA-Teilnehmer, die ein breites Spektrum an Branchen<br />
vertreten, <br />
bezeichnen das Lieferkettenmanagement als eines<br />
der <br />
finanzwirtschaftlich bedeutendsten Themen. Doch obwohl<br />
das <br />
Thema mehr Beachtung findet, wird deutlich, dass die<br />
Unternehmen <br />
bei ihren internen Praktiken erheblich weiter<br />
sind als ihre externe Berichterstattung vermuten lässt. Dadurch<br />
sehen<br />
<br />
ihre Stakeholder nicht immer, inwieweit Unternehmen<br />
<br />
die Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen in ihren Lieferketten<br />
<br />
aktiv adressieren.<br />
<br />
<br />
Kritische<br />
<br />
Beobachtung der Öffentlichkeit fördert<br />
fortschrittliche <br />
Ansätze<br />
<br />
Ein Blick <br />
auf die in Abb. 1 dargestellten Durchschnitts- und<br />
Spitzenwerte <br />
für fünf Branchen zeigt deutliche Unterschiede<br />
bei der Umsetzung <br />
nachhaltiger Lieferkettenpraktiken auf<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
<br />
Branchenebene auf. Dafür gibt es keine einfache Erklärung.<br />
<br />
Einige der möglichen Einflussfaktoren sind im Folgenden<br />
<br />
skizziert:<br />
<br />
1. Branchen <br />
wie die Lebensmittelindustrie und der Einzelhandel,<br />
die direkte <br />
Kundenbeziehungen unterhalten, werden von der<br />
Öffentlichkeit <br />
kritisch beobachtet. Für die Lebensmittelhersteller<br />
<br />
ist die Nachverfolgbarkeit ihrer Produkte das wichtigste<br />
Anliegen. <br />
Die Endverbraucher wollen wissen, was in den<br />
Nahrungsmitteln <br />
steckt und woher diese stammen. Im Einzelhandel<br />
<br />
liegt das Hauptaugenmerk auf den Arbeitsbedingungen<br />
bei den Zulieferern. Dadurch sahen sich die Unternehmen in<br />
<br />
diesen Branchen gezwungen, ihre Lieferkettenrisiken früher<br />
<br />
als andere zu adressieren.<br />
<br />
<br />
2. Branchen<br />
<br />
wie der Maschinenbau und die Elektroindustrie –<br />
deren <br />
Lieferketten mit hohen Umweltauswirkungen verbunden<br />
sind <br />
und die sehr abhängig von Lieferanten und pünktlichen<br />
Lieferungen <br />
sind – mussten sich ebenfalls frühzeitig mit<br />
einem <br />
nachhaltigen Lieferkettenmanagement beschäftigen.<br />
Der öffentliche <br />
Druck ist dabei nur ein Grund. Ein >><br />
<br />
Abb. 1: Lieferkettenmanagement-Performance unterteilt nach Branchen<br />
Figure 3: Supply chain management performance by sector<br />
Punkte Score<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Food Producers General Retailers Industrial Computer Hardware & Financial Services<br />
Lebensmittel-Hersteller Einzelhandel Gewerbetechnik Computer-Hardware Finanzdienstleistungen<br />
Engineering Electronic Office Equipment<br />
und elektronische<br />
Average Durchschnittliche supply chain Punktzahl management score<br />
Büroausstattung<br />
Top Maximale supply Punktzahl chain management score<br />
Quelle: RobecoSAM<br />
Source<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
9<br />
17
Agenda<br />
weitaus wichtigerer ist die Notwendigkeit, eine verlässliche<br />
Versorgung durch Lieferanten sicherzustellen und gemeinsam<br />
mit den eigenen Lieferanten Chancen für die Verringerung<br />
der Energiekosten von ausgelagerten, ressourcenintensiven<br />
Produktionsprozessen zu nutzen.<br />
3. Auch die Computer- und Büroelektronikhersteller stehen<br />
seit einiger Zeit unter kritischer Beobachtung durch die Öffentlichkeit.<br />
Entsprechend setzen sie sich vermehrt mit dem<br />
Thema auseinander. Die zunehmende kritische Beobachtung<br />
der Öffentlichkeit hat den Anstoß für branchenweite Gemeinschaftsinitiativen<br />
gegeben, die den hohen Durchschnittswert<br />
in dieser Branche ebenfalls erklären können.<br />
4. Serviceorientierte Branchen wie der Finanzdienstleistungssektor<br />
stehen im Hinblick auf ihre Lieferketten noch nicht unter<br />
hohem Druck. Das ist ein Grund für die niedrigeren Werte<br />
und die weniger fortgeschrittene Umsetzung von Nachhaltigkeitspraktiken<br />
im Lieferkettenmanagement dieser Branchen.<br />
Unternehmen managen ihre Risiken,<br />
bevor sie sie messen<br />
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine effektive<br />
Steuerung der lieferkettenbezogenen Nachhaltigkeitsrisiken<br />
und -chancen ist ein ausreichendes Wissen über die eigenen<br />
Lieferanten. Nur auf dieser Basis können die Unternehmen<br />
bestimmen, welche ihrer Lieferanten von kritischer Bedeutung<br />
sind und welche ein hohes ökonomisches, ökologisches oder<br />
soziales Risiko darstellen. Wie es so häufig heißt, können Unternehmen<br />
„nur das managen, was sie auch messen können“.<br />
Paradoxerweise zeigen die im vergangenen Jahr erfassten<br />
Daten jedoch, dass viele Unternehmen damit begonnen<br />
haben, ihre (wahrgenommenen) Risiken zu managen, bevor<br />
sie messen, inwieweit sie diesen Risiken wirklich ausgesetzt<br />
sind. Rund 85 Prozent der teilnehmenden Unternehmen<br />
geben an, dass sie Lieferantenstandards haben – aber nur<br />
36 Prozent haben eine gut dokumentierte Analyse ihrer<br />
Ausgaben durchgeführt.<br />
Für das nachhaltige Lieferkettenmanagement sind die Bewusstseinsbildung,<br />
die Nachverfolgbarkeit und die Transparenz von<br />
größter Bedeutung. Es wissen längst nicht alle Unternehmen,<br />
wer ihre kritischen und risikobehafteten Lieferanten sind,<br />
obwohl die Daten von RobecoSAM zeigen, dass sich diese<br />
Zahlen von 2012 bis <strong>2013</strong> verbessert haben.<br />
Standards für Lieferanten – ein erster Schritt,<br />
aber was bedeutet er?<br />
Die Einführung eines Verhaltenskodex für Lieferanten steht<br />
dabei typischerweise an erster Stelle. Das ist ein sinnvoller<br />
Schritt, weil er die Lieferanten zwingt, bestimmte Sozial- und<br />
Umweltstandards einzuhalten. Eine genauere Untersuchung<br />
zeigt, dass die Qualität dieser Standards sehr stark variiert (siehe<br />
Abb. 2). Die meisten Unternehmen geben Leitlinien zu Umwelt-,<br />
Arbeitssicherheits- und Gesundheitsstandards, Menschenrechten,<br />
Geschäftsethik und Arbeitsbedingungen vor. Standards,<br />
welche die Umsetzung von Umweltmanagementsystemen und<br />
die Offenlegung von Umwelt- und Sozialdaten verlangen, sind<br />
hingegen noch selten. Darüber hinaus verlangen nur rund<br />
die Hälfte der CSA-Teilnehmer von ihren Lieferanten, dass<br />
sie die gleichen Standards auch für ihre eigenen Zulieferer<br />
anwenden. Das bedeutet, dass diese Unternehmen nur die<br />
Kontrolle über die Standards haben, die von der ersten Zulieferebene<br />
befolgt werden müssen. Die fehlende Transparenz<br />
der nachgelagerten Segmente ihrer Lieferketten setzt diese<br />
Unternehmen potenziell großen Risiken aus.<br />
Fazit und Ausblick<br />
In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Unternehmen<br />
verstärkt darum bemüht, die ökologischen, sozialen und ökonomischen<br />
Auswirkungen ihrer eigenen Geschäftstätigkeit zu<br />
managen und darüber zu berichten. Die Lieferkettenanalyse<br />
bringt sie hier einen wichtigen Schritt weiter. Sie hilft ihnen,<br />
die tatsächlichen Auswirkungen ihrer betrieblichen Tätigkeiten,<br />
den Umfang ihrer finanzwirtschaftlich relevanten Risiken und<br />
die gesamte Bandbreite an Chancen zu bestimmen, die sich<br />
Abb. 2: Nachhaltigkeitsfaktoren, abgebildet in den Unternehmensstandards für Lieferanten / Zulieferer<br />
Prozentsatz der teilnehmenden Firmen<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Umwelt-<br />
Standards<br />
Gesundheitsschutz<br />
und<br />
Sicherheit am<br />
Arbeitsplatz<br />
Menschenrechte<br />
Wirtschaftsethik<br />
Arbeitsbedingungen<br />
Zulieferer-<br />
Richtlinen für<br />
betriebe<br />
Umweltmanagement-<br />
System<br />
Umweltdaten / Sozialdaten /<br />
-angaben -angaben<br />
Quelle: RobecoSAM<br />
10<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Lieferkettenmanagement<br />
durch nachhaltige Geschäftspraktiken eröffnen. Bei vielen<br />
Unternehmen konzentrieren sich die größten umweltspezifischen<br />
und sozialen Auswirkungen sowie Reputationsrisiken<br />
vor allem auf die Lieferkette und weniger auf die eigenen betrieblichen<br />
Prozesse. Zugleich müssen sich die Unternehmen<br />
auf eine zuverlässige, reibungslose Versorgung mit Produkten<br />
und Dienstleistungen verlassen können, um ihre langfristige<br />
Profitabilität zu sichern. Diese Herausforderungen zu managen<br />
und ihre Auswirkungen zu messen, ohne immaterielle<br />
ökonomische, ökologische und soziale Faktoren umfassend<br />
zu berücksichtigen, ist nicht nur unklug, sondern unmöglich.<br />
Bewusstseinsbildung und Transparenz gewinnen<br />
an Dynamik<br />
Die Ergebnisse der Anwendung des verbesserten analytischen<br />
Modells zur Untersuchung des Lieferkettenmanagements zeigen,<br />
dass das Risikobewusstsein und die Transparenz zwar weiterhin<br />
begrenzt sind, viele Unternehmen aber große Anstrengungen<br />
unternehmen dies zu ändern. In den letzten Jahren haben<br />
mehrere Faktoren neue Impulse zur Verbesserung der Lieferkette<br />
gegeben. Einer sind die Forderungen der Stakeholder, die<br />
von den Unternehmen verlangen, dass sie ihre Maßnahmen<br />
zur Steuerung ihrer Lieferanten vollständig offenlegen. Ein<br />
weiterer neuer Standard ist die <strong>Global</strong> Reporting Initiative.<br />
Diese beinhaltet mehrere Leistungsindikatoren zum Lieferkettenmanagement,<br />
die über Menschenrechtsfragen hinausgehen.<br />
Daneben haben Investoren wie RobecoSAM begonnen, die<br />
Unternehmen zu fragen, wie sie ihre Lieferketten managen.<br />
So wollen sie feststellen, ob Unternehmen ihre ausgelagerten<br />
Reputationsrisiken und ihre ausgelagerte unternehmerische<br />
Verantwortung effektiv managen.<br />
Mehr als Audits und Bewertungen<br />
RobecoSAM wird die eigene Rahmenstruktur zur Bewertung<br />
des Lieferkettenmanagements kontinuierlich weiterentwickeln<br />
und optimieren, um bei den Unternehmen ein besseres Verständnis<br />
und Management von Lieferkettenrisiken und -chancen<br />
zu fördern. Der wachsende Konsens unter Unternehmen und<br />
Anlegern bezüglich der finanzwirtschaftlichen Bedeutung des<br />
Lieferkettenmanagements ist ermutigend. Vor allem wird dies<br />
helfen, die Dynamik in diesem Bereich aufrechtzuerhalten und<br />
die Umsetzung nachhaltiger Praktiken weiter zu fördern.<br />
Über die AutorIN<br />
Ida Karlsson ist Head of Sustainability Application & Operations,<br />
RobecoSAM, Zürich<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
11
Agenda<br />
Social Compliance<br />
Ein unterschätzter Wettbewerbsfaktor<br />
<strong>Deutschland</strong> ist mit seinen Wirtschaftsstrukturen stark in den globalen Handel eingebunden:<br />
Rund 31 Mrd. Arbeitsstunden werden jedes Jahr außerhalb <strong>Deutschland</strong>s geleistet, um die<br />
Nachfrage des deutschen Marktes nach Produkten und Dienstleistungen zu decken. Auf zwei<br />
in <strong>Deutschland</strong> geleistete Arbeitsstunden kommt somit eine im Ausland.<br />
Von Torben Kehne und Hubertus Drinkuth<br />
Zwei Drittel der für <strong>Deutschland</strong> im Ausland geleisteten<br />
Arbeitsstunden unterliegen einem erhöhten Risiko, unter<br />
schlechten Arbeitsbedingungen abgeleistet zu werden. Die<br />
Textilindustrie verzeichnet mit 3,4 Mrd. Stunden bei weitem<br />
die meisten Risikostunden. Aber auch andere Industrien, wie<br />
die Elektronikindustrie mit 1,7 Mrd. Stunden oder der Fahrzeugbau<br />
mit 1,2 Mrd. Stunden, haben signifikante Risiken in<br />
ihren Lieferketten (vgl. Abbildung 1).<br />
Diese gewaltige Anzahl an Risikostunden kumuliert dabei über<br />
alle Stufen der Lieferkette. Wo genau in der Lieferkette die<br />
Risiken anfallen ist brancheabhängig. So liegt z. B. für einen<br />
deutschen Textilhändler der größte Anteil an Risikostunden<br />
bereits in der 1. Stufe der Lieferanten (Tier 1). Grund dafür ist,<br />
dass Bekleidungsunternehmen häufig in Regionen einkaufen,<br />
in denen risikoreichere Arbeitsbedingungen vorherrschen<br />
(z. B. Bangladesch).<br />
Umgekehrt ist es im Fahrzeugbau: Die direkten Lieferanten<br />
(„Tier 1“) sind häufig in <strong>Deutschland</strong> ansässig und verfügen<br />
somit über risikoärmere Strukturen. Diese Tier 1 Lieferanten<br />
greifen allerdings auf Lieferanten mit Fertigungsstätten in<br />
risikoreicheren Ländern zurück (z. B. China). Die Risikostunden<br />
akkumulieren sich damit für den Fahrzeugbau eher weiter<br />
unten in der Lieferkette (Tier 2, 3, 4-n) (vgl. Abbildung 2).<br />
Wenig verwunderlich ist, dass mit jeder Tierstufe industrielle<br />
Vorprodukte sowie Produkte der Landwirtschaft und Rohstoffgewinnung<br />
an Bedeutung gewinnen und das Gesamtrisiko<br />
maßgeblich beeinflussen (vgl. Abbildung 3). Damit fallen<br />
viele Menschenrechtsverletzungen in Tier-Stufen an, die –<br />
z. B. aus Sicht eines deutschen Fahrzeugbauers – zunächst<br />
irrelevant erscheinen, weil es zu diesen Vor-Vorlieferanten<br />
keine direkten Vertragsbeziehungen gibt. Dies gilt aber nur so<br />
lange, bis ein Nachweis erbracht wird, dass Produkte aus eben<br />
diesen Tier-Stufen in ein bekanntes Markenprodukt einfließen.<br />
In der Öffentlichkeit wird dann wenig differenziert und die<br />
Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen wird klar<br />
dem Markenunternehmen zugeschrieben.<br />
Dass diese Sichtweise bereits heute Realität ist, zeigt eine<br />
Veröffentlichung von Greenpeace aus dem Mai 2012, die<br />
einer Reihe von namhaften Automobilherstellern vorwirft,<br />
dass in ihren Lieferketten bei der Herstellung von Roheisen<br />
in Brasilien neben illegaler Abholzung des Regenwaldes auch<br />
Abb. 1 : Top-10-Branchen (Privatwirtschaft)<br />
nach Risikostunden in der Lieferkette –<br />
Zahl der Risikostunden in Mrd.<br />
Abb. 2 : Anteil von Risikostunden nach einzelnen Stufen<br />
in der Lieferkette<br />
Textil<br />
Touristik<br />
Elektronik<br />
Lebensmittel<br />
Baugewerbe<br />
Fahrzeugbau<br />
Logistik<br />
1,2<br />
1,2<br />
0,9<br />
1,7<br />
1,6<br />
2,1<br />
3,4<br />
Deutscher Fahrzeugbau<br />
14 %<br />
23 %<br />
21 %<br />
42 %<br />
Deutscher Textilhandel<br />
35 %<br />
28 %<br />
17 % 20 %<br />
Möbel und Wohnaccessoires<br />
0,8<br />
Maschinenbau<br />
0,8<br />
Chemische Industrie<br />
0,4<br />
| Quelle: Systain }<br />
Tier 1<br />
Tier 2 Tier 3 Tier 4-n Tier 1 Tier 2 Tier 3 Tier 4-n<br />
12<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Lieferkettenmanagement<br />
Abb. 3 : Verteilung der Risikostunden in der Lieferkette<br />
des deutschen Fahrzeugbaus nach Sektoren und<br />
Tier-Stufen<br />
45 %<br />
40 %<br />
35 %<br />
30 %<br />
25 %<br />
20 %<br />
15 %<br />
sonstige Sektoren<br />
(z. B. Baugewerbe,<br />
Finanzdienstleistungen)<br />
Industrieprodukte<br />
Transporte, Mobilität<br />
und Telekommunikation<br />
Energie<br />
industrielle<br />
Vorprodukte<br />
10 %<br />
5 %<br />
0 %<br />
Tier 1 Tier 2 Tier 3 Tier 4-n<br />
Landwirtschaft und<br />
Rohstoffgewinnung<br />
Quelle: Systain<br />
Zwangsarbeit und massive Verstöße gegen Gesundheits- und<br />
Sicherheitsstandards stattfinden. Mit diesem Bericht griff Greenpeace<br />
2012 ein Thema wieder auf, das bereits im November<br />
2006 durch Bloomberg in die Öffentlichkeit getragen wurde.<br />
Es ist unbestreitbar: Das Thema Arbeitsbedingungen in der<br />
Lieferkette hat Auswirkungen auf den Unternehmenswert.<br />
Dabei sind vier wesentliche Werttreiber zu unterscheiden<br />
(vgl. Abbildung 4):<br />
Reputation: Unternehmen sind auf eine gute Reputation angewiesen,<br />
sowohl intern, um die Ansprüche bestehender und<br />
Abb. 4 : Social Compliance in internationalen Lieferketten<br />
birgt Risiken, eröffnet aber auch Chancen<br />
RISIKEN<br />
REPUTATION<br />
LIEFERSICHERHEIT<br />
QUALITÄT<br />
REGULIERUNG<br />
CHANCEN<br />
Quelle: Systain<br />
potenzieller neuer Mitarbeiter an das Unternehmen zu erfüllen,<br />
als auch extern, beispielsweise um relevante Käufergruppen zu<br />
erhalten oder zu erschließen. Durch die international immer<br />
stärkere Vernetzung und Digitalisierung der Medien steigt die<br />
Wahrscheinlichkeit, dass bestehende Probleme in Lieferketten<br />
schnell aufgedeckt und bekannt werden. Im Falle von „Social<br />
Non-Compliance“ in der Lieferkette sind negative Reputation<br />
für ein Unternehmen heute sehr wahrscheinlich.<br />
Liefersicherheit: Schlechte Arbeitsbedingungen bergen ein erhebliches<br />
operationelles Risiko. Kommt es zum Ausfall einer<br />
Fertigungsstätte (z. B. durch Streik oder Brand), fehlen schlagartig<br />
Fertigungskapazitäten in der Lieferkette. D.h. meist<br />
können Aufträge, die bei den betroffenen Fabriken platziert<br />
wurden, nicht schnell genug auf andere Fabriken umgeleitet<br />
werden und in der Folge fehlen Vorprodukte und / oder die<br />
Waren zum Verkauf.<br />
Qualität: Weiterhin fördern schlechte Arbeitsbedingungen die<br />
Mitarbeiterfluktuation. Eine erhöhte Wechselbereitschaft in<br />
der Mitarbeiterschaft erschwert es Unternehmen z. B. erheblich,<br />
eine gleichbleibende Qualität ihrer Produkte sicherzustellen<br />
bzw. Qualitätsanforderungen ihrer Kunden zu erfüllen. Es<br />
kommt zudem zu Ineffizienzen im Produktionsablauf. Beides<br />
führt zu höheren Kosten und zu Frustrationen in der Kunde-<br />
Lieferant-Beziehung.<br />
Regulierung: Politische Instanzen erwarten zunehmend, dass<br />
gute Arbeitsbedingungen eingehalten werden. Unternehmen<br />
in Kalifornien müssen seit dem 1. Januar 2012 darüber berichten,<br />
wie sie sicherstellen, dass ihre Lieferketten frei von<br />
Sklaverei und Menschenhandel sind. Es gibt darüber hinaus<br />
bereits Fälle, in denen Markenunternehmen für die Pro- >><br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
13
Agenda<br />
duktionsbedingungen in ihren Lieferketten haftbar gemacht werden.<br />
Bekanntestes Beispiel sind die „Saipan Lawsuits“, bei denen<br />
26 US-amerikanische Einzelhändler und 23 Textilfabriken<br />
wegen schlechter Arbeitsbedingungen in den Produktionsbetrieben<br />
verklagt wurden und einem Vergleich in Höhe von<br />
insgesamt rund 20 Mio. US-Dollar zustimmten.<br />
Natürlich darf nicht nur die Risikoseite von Social Compliance<br />
betrachtet werden. Im Umkehrschluss ergeben sich positive<br />
Umsatz- und Ergebniseffekte, wenn Arbeitsbedingungen in<br />
der Lieferkette professionell gemanagt werden: Die Zuverlässigkeit<br />
der Lieferkette wird verbessert, die Akzeptanz von<br />
Kundengruppen für Produkte steigt, Markenwerte werden<br />
erhöht und Effizienzsteigerungen in der Beschaffung möglich.<br />
Trotz dieses Wissens ist es verwunderlich, dass Unternehmen<br />
die Potentiale von Social Compliance noch nicht ausschöpfen.<br />
Doch dies wird sich ändern: Das Thema Arbeitsbedingungen<br />
in der Lieferkette wird einen ähnlichen Weg nehmen wie ihn<br />
das Thema Qualität in den letzten 40 Jahren genommen hat.<br />
Ausgelöst durch eine Qualitäts- und Produktivitätsrevolution<br />
in Japan hatten Unternehmen in anderen Industriestaaten<br />
zunächst ihre internen Fähigkeiten für ein besseres Qualitätsmanagement<br />
erhöht, um dann zu realisieren, dass ohne<br />
Einbindung der Lieferkette keine durchgreifenden Erfolge<br />
erreicht werden können. Heute ist ein integriertes, Supply-<br />
Chain übergreifendes Qualitätsmanagement Standard (vgl.<br />
Abbildung 5).<br />
Fast spiegelbildlich findet dieser Prozess heute zum Thema<br />
Sozialverantwortung statt. In den vergangenen Jahren haben<br />
Unternehmen damit begonnen, die Arbeitsbedingungen im<br />
eigenen Hause zu hinterfragen. Sie haben z. B. Maßnahmen<br />
zur Mitarbeiterzufriedenheit oder Mitarbeitergesundheit<br />
ergriffen. Jetzt setzt sich die Erkenntnis durch, dass eine weitere<br />
Verbesserung u. a. davon abhängt, dass mindestens die<br />
grundlegenden Standards guter Arbeitsbedingungen in der<br />
Supply Chain eingehalten werden. Das Management von Social<br />
Compliance in der Lieferkette wird zum Wettbewerbsfaktor<br />
und bekommt Geschäftsführungsrelevanz.<br />
Damit stellt sich die Frage, wie dieses Thema von Unternehmen<br />
anzugehen ist. Es gibt keinen „One size fits all“-Ansatz für<br />
gute Arbeitsbedingungen. Unternehmen müssen sich jeweils<br />
in ihrem spezifischen Unternehmenskontext mit dem Thema<br />
auseinanderzusetzen. Dies kann in vier Schritten erfolgen.<br />
Im ersten Schritt müssen die Anforderungen eines Unternehmens<br />
an die Lieferkette erfasst und Transparenz über die Lieferkette<br />
erreicht werden: Von welchen Lieferanten aus welchen<br />
Ländern werden welche Vorprodukte bezogen? Wo und wie<br />
beschaffen diese Lieferanten wiederum ihre Vorprodukte usw.<br />
Transparenz ist nicht selten die größte Herausforderung, da<br />
viele Unternehmen über ihre direkten Zulieferer hinaus nicht<br />
wissen, wo ihre Vorprodukte herkommen.<br />
Um diese Wissenslücken zu schließen, gibt es neue Analysemöglichkeiten.<br />
Lebenszyklusmodelle, multiregionale Input-<br />
Output-Verfahren und Datenbanken zu globalen Sozialrisiken<br />
ermöglichen heute eine aussagekräftige Orientierung, in<br />
welchen Ländern, Branchen und auf welcher Stufe in der<br />
Lieferkette Social Compliance Risiken existieren.<br />
Ist die Lieferkette strukturell analysiert und weiß ein Unternehmen,<br />
wo und in welchem Umfang mit erhöhten Risiken<br />
zu rechnen ist, werden in einem zweiten Schritt die jeweiligen<br />
Chancen und Risiken bewertet. Dafür sollten die vier Dimensionen<br />
Reputation, Liefersicherheit, Qualität und Regulierung<br />
herangezogen (s. o.) werden. Die Bewertung erlaubt eine<br />
Priorisierung der Handlungsfelder.<br />
Abb. 5 : Meilensteine des Qualitätsmanagements<br />
bis ca. 1951 ab ca. 1951 1990 2000<br />
Entwicklung von<br />
QM-Konzepten in<br />
den USA<br />
Weiterentwicklung<br />
und erfolgreiche<br />
Umsetzung in Japan<br />
Adaption der japanischen<br />
Konzepte in den USA und<br />
Europa<br />
Verstärkter Einbezug<br />
von Lieferanten in<br />
QM-Systeme<br />
Vorläufer des<br />
Total-Quality-<br />
Management-<br />
Konzepts (TQM)<br />
werden entwickelt<br />
Quelle: Systain<br />
Kontinuierlicher<br />
Verbesserungsprozess<br />
(Kaizen)<br />
Company-Wide<br />
Quality Control (CWQC)<br />
Qualität als<br />
strategisches<br />
Unternehmensziel<br />
Entwicklung des EFQM-<br />
Excellence-Modells in Europa<br />
Flächendeckender Einsatz von<br />
Failure Mode and Effects Analysis<br />
(FMEA) in der Automobil-<br />
Zulieferindustrie<br />
Entwicklung von<br />
Six Sigma<br />
in den USA<br />
Weltweit verbreiteter<br />
Einsatz der Normreihe<br />
ISO 9000<br />
Breiter Einsatz von<br />
Six Sigma bei Lieferanten<br />
von Großunternehmen<br />
Standardisierte Evaluation der<br />
Prozessqualität bei Lieferanten<br />
(z. B. ISO / IEC 15504)<br />
Entwicklung und Einsatz<br />
von Lean Six Sigma<br />
Branchenweite<br />
Qualitätsanforderungen<br />
für Automobilzulieferer<br />
nach ISO / TS 16949<br />
14<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Lieferkettenmanagement<br />
WAS steckt alles in<br />
fertigen Produkten?<br />
Für die priorisierten Handlungsfelder müssen in einem dritten<br />
Schritt die tatsächliche Situation der Arbeitsbedingungen in<br />
der Lieferkette identifiziert werden. Hierzu können Ergebnisse<br />
von Self-Assessments, Erkenntnisse von standardisierten oder<br />
firmenspezifischen Assessments vor Ort (Audits) sowie externer<br />
Stakeholder herangezogen werden. Dabei gilt es, eine qualitativ<br />
möglichst gute Evaluierung der Situation in der Vielzahl<br />
verschiedener Fertigungsstätten zu erhalten.<br />
Sollte die Bestandsaufnahme im dritten Schritt ergeben, dass<br />
es Bereiche mit Handlungsbedarf gibt, werden Qualifizierungsmaßnahmen<br />
der Produktionsstätten notwendig (Schritt 4).<br />
Dazu müssen die Ursachen für die Social Compliance Probleme<br />
im Detail identifiziert und zusammengetragen werden, um<br />
darauf aufbauend eine angepasste Qualifizierung einzuleiten.<br />
Hierbei müssen sich das beschaffende Unternehmen und die<br />
Lieferanten einbringen.<br />
Es gilt, dem Lieferanten zu veranschaulichen, warum die<br />
gestellten Anforderungen eine Relevanz für sein eigenes Unternehmen<br />
haben. Die Qualifizierung kann von individuellen<br />
Programmen in einer Fertigungsstätte bis zu Workshops mit<br />
einer Gruppe von Lieferanten reichen.<br />
Diese vier Schritte sind in einem kontinuierlichen Prozess zu<br />
durchlaufen, um so die Potenziale, die sich aus guten Arbeitsbedingungen<br />
in der Lieferkette ergeben, sukzessiv auszuschöpfen.<br />
Abschließend lässt sich festhalten, dass ein zukünftiges Supply<br />
Chain Management nur dann erfolgreich sein wird, wenn<br />
Arbeitsbedingungen als integraler Bestandteil des Lieferantenoder<br />
Supply Chain Managements verstanden und von Beginn<br />
an strategisch verankert werden. Dazu muss der Umgang mit<br />
Social Compliance in der Lieferkette zum einen als Bestandteil<br />
der Unternehmensstrategie definiert werden, zum anderen<br />
müssen sich die oben skizzierten Aktivitäten im konkreten<br />
Einkaufsverhalten widerspiegeln.<br />
Über die Autoren<br />
Torben Kehne, Director Social Compliance, und<br />
Hubertus Drinkuth, Managing Director, Systain Consulting GmbH<br />
www.systain.com<br />
Keine Kinderarbeit bei Lieferanten, Mindestlöhne,<br />
Energiezertifikate, Umweltlabel: In einer globalisierten<br />
Warenwelt gewinnen Informationen über Nachhaltigkeit<br />
für das Risikomanagement von Unternehmen<br />
immer mehr an Bedeutung. Zahlreiche Normen,<br />
die sich oft auf umfassende internationale Vereinbarungen<br />
stützen, müssen eingehalten werden. Auch<br />
kleinere Unternehmen in der Lieferkette müssen<br />
wissen, unter welchen Bedingungen beispielsweise<br />
Vorprodukte, die sie selbst einkaufen, hergestellt<br />
werden. Denn sie müssen selbst eine Vielzahl an<br />
Qualitätsgarantien und Verpflichtungserklärungen<br />
abgeben, um ihre Endprodukte auf dem Markt zu halten<br />
und den steigenden Anforderungen an sie selbst<br />
als Lieferanten großer Abnehmer gerecht zu werden.<br />
„Bei der aktuellen Vielzahl der Normen überblicken<br />
viele kleine Unternehmen oft nicht vollständig,<br />
was sie da im Detail eigentlich unterschreiben und<br />
welche Risiken sie konkret eingehen“, ist Dr. Sandra<br />
Klute, Qualitätsmanagerin am Institut für Forschung<br />
und Transfer (RIF) in Dortmund überzeugt. Deshalb<br />
entwickelt RIF ein Werkzeug, mit dem kleine und<br />
mittlere Unternehmen selbst einschätzen können,<br />
wie gut sie die Forderungen der Normen und ihrer<br />
Kunden erfüllen und was noch zu verbessern ist.<br />
Oft sind es die Geschäftsführer selbst oder auch<br />
die Qualitätsmanagementbeauftragten, die sich in<br />
kleinen und mittleren Unternehmen mit Qualitätsund<br />
Risikomanagement auseinandersetzen. „Unsere<br />
Befragungen zeigen: Grundsätzlich besteht der<br />
Wille, alle Standards einzuhalten, aber viele Manager<br />
haben gerade bei Fragen zum Thema Nachhaltigkeit,<br />
wie zum Beispiel der Einhaltung sozialer Mindeststandards,<br />
wenig Detailkenntnisse. Die brauchen sie<br />
aber, um zum Beispiel einschätzen zu können, ob<br />
das Dokument, das ihnen ein Zulieferer aus anderen<br />
Kulturkreisen vorlegt, tatsächlich ein belastbarer<br />
Nachweis für die Einhaltung von Mindestlöhnen und<br />
Mindeststandards zur Arbeitssicherheit in den Ursprungsländern<br />
ist“, sagt Dr. Sandra Klute. Denn die<br />
Risiken sind nicht zu unterschätzen: Stellt sich heraus,<br />
dass ein Unternehmen – wenn auch unwissentlich<br />
– „faule“ Ware vom Vorlieferanten mit verkauft<br />
hat, können nicht nur dauerhafte Umsatzverluste,<br />
sondern oft auch Regressansprüche und Imageschäden<br />
existenzbedrohende Ausmaße annehmen.<br />
Mehr zum RIF-Projekt „Nachhaltigkeitsorientiertes<br />
Risikomanagement“ unter www.narisko.de<br />
Quelle: UmweltDialog.de<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
15
Agenda<br />
Lieferantenmanagement :<br />
Lösungen für den Mittelstand<br />
In einer globalen Weltwirtschaft sind Herstellung und Handel über den gesamten Globus verteilt. Das bringt<br />
enorme Vorteile etwa bei Produktionskosten, Vertrieb und Kundenbetreuung. Andererseits müssen Unternehmen<br />
auch lernen, mit den ausgelagerten Risiken umzugehen. Die Überprüfung von Zulieferbetrieben nach Qualitäts- und<br />
rechtlichen Fragen sowie Umwelt- und Sozialverträglichkeit wird immer aufwändiger. Das betrifft nicht nur die<br />
Auftraggeber, sondern genauso auch die Zulieferer, die gegenüber ihren Geschäftspartnern detaillierte Auskünfte<br />
über ihre wirtschaftlichen, ökologischen und gesellschaftlichen Leistungen geben müssen. Vor allem mittelständische<br />
Unternehmen stoßen hier schnell an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Mit dem Bundesministerium für<br />
Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ) und dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) haben gleich<br />
zwei Bundesministerien hier praktische Lösungsansätze vorgestellt. Während man beim BMZ auf bewährte Methoden<br />
wie Datenbanken und Gemeinsames Lernen setzt, basiert die vom BMAS initiierte Idee auf einer gemeinsamen<br />
Plattform für Supply Chain-Management. Noch handelt es sich dabei allerdings erst um eine Vorstudie.<br />
16<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Lieferkettenmanagement<br />
BMZ: Kompass Nachhaltigkeit<br />
Der KOMPASS NACHHALTIGKEIT unterstützt kleine und<br />
mittlere Unternehmen (KMU) auf dem Weg zu einer sozial<br />
und ökologisch nachhaltigen Beschaffung: Mit praktischen<br />
Informationen & Tools, einer Datenbank zu Nachhaltigkeitsstandards,<br />
Beispielen und vielem mehr. Entwickelt wurde die<br />
Webseite von der GIZ und dem BMZ. Dazu heißt es:<br />
Was ist nachhaltige Beschaffung?<br />
Nachhaltige Beschaffung soll die Einhaltung von sozialen<br />
und ökologischen (Mindest-) Anforderungen über die ganze<br />
Lieferantenkette einer Organisation auf der Basis ökonomischer<br />
Nachhaltigkeit sicherstellen. Es umfasst die Planung,<br />
Umsetzung und Überwachung der notwendigen Instrumente<br />
und Abläufe zur Durchsetzung von Nachhaltigkeitsstandards<br />
bei Lieferanten.<br />
Warum nachhaltig beschaffen?<br />
• Risikominimierung von Verletzungen grundlegender sozialer<br />
und ökologischer Standards in der Lieferantenkette<br />
• Einsparungspotential durch effizientere Ressourcennutzung<br />
• Imageverbesserung der Organisation in der Öffentlichkeit,<br />
bei Kunden und Mitarbeitern<br />
• Erhöhung der Qualität und Effizienz der Austauschbeziehungen<br />
zu Lieferanten<br />
• Ermöglichung positiver Einflussnahme auf ökologische und<br />
soziale Entwicklungen<br />
Für wen ist nachhaltige Beschaffung ein Thema?<br />
• Für Unternehmen und Organisationen, deren Beschaffungsmärkte<br />
in Entwicklungs- und Schwellenländern liegen.<br />
Was beinhaltet nachhaltige Beschaffung im Wesentlichen?<br />
• Verhaltenskodex definieren<br />
• Lieferanten zur Einhaltung des Verhaltenskodex verpflichten<br />
• Risikoreiche Lieferanten kontrollieren<br />
• Über weitere Zusammenarbeit entscheiden<br />
Kritik:<br />
Vom kritischen Netzwerk Corporate Accountability (CorA)<br />
wird die GIZ/BMZ-Entwicklung allerdings heftig kritisiert: Es<br />
würden Standards und Module kommentarlos aufgelistet, ohne<br />
die Qualitätsunterschiede aufzuzeigen. Das führe zu einem<br />
Nutzerverhalten nach dem Motto „Hauptsache, es erfüllt einen<br />
Standard“. Die NGOs fordern deshalb eine Nachbesserung in<br />
der Form, dass Anbieter und Standardsysteme nach Qualitätskriterien<br />
differenziert werden.<br />
kompass-nachhaltigkeit.de<br />
>><br />
Prozessphasen und Instrumente<br />
Der dargestellte Prozess ermöglicht eine systematische Herangehensweise an des Management von sozialen und ökologischen<br />
Themen in der Lieferantenkette. Zu den fünf Schritten werden jeweils konkrete Instrument zur Umsetzung beschrieben.<br />
Schritt 1 Schritt 2 Schritt 3 Schritt 4 Schritt 5<br />
Beschaffungs-<br />
management-<br />
Analyse<br />
Beschaffungsstrategie<br />
Produktbewertung<br />
Lieferantenverpflichtung<br />
Indikatoren<br />
Lieferketten-<br />
Analyse<br />
Verhaltenskodex<br />
Bewertung der<br />
Zulieferer<br />
Selbstbewertung<br />
Berichterstattung<br />
Länder- und<br />
Branchenrisiko-<br />
Analyse<br />
Risikobsierte<br />
Maßnahmendefinition<br />
Unterstützungsmaßnahmen<br />
Analyse von<br />
Standards<br />
Interne<br />
Verankerung<br />
Audits<br />
Quelle: BMZ<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
17
Agenda<br />
BMAS: Gemeinsame Plattform<br />
Zahlreiche Initiativen dokumentieren das Bedürfnis und den<br />
Bedarf des Mittelstandes nach Lösungen für ein effektiveres<br />
Supply Chain-Management. Als Teil der Supply Chain größerer<br />
Konzerne ist es dem Mittelstand zunehmend weniger möglich,<br />
CSR als eine „freiwillige Option“ zu betrachten. Vielmehr<br />
werde man vertraglich oder faktisch gezwungen, die eigene<br />
Supply Chain im Sinne der Nachhaltigkeit zu managen und<br />
den Druck an die eigenen Zulieferunternehmen weiterzugeben.<br />
Eine Vorstudie von PwC und Johanssen + Kretschmer im Auftrag<br />
des BMAS untersuchte, ob eine übersichtliche, offene und<br />
unabhängige Plattform von kleineren und mittelständischen<br />
Unternehmen sowie der Industrie als möglicher Lösungsansatz<br />
zum CSR Supply Chain-Management akzeptiert würde.<br />
Hierbei zeichnet sich ein möglicher Weg ab, der einerseits<br />
strukturierte und quantifizierbare Daten abfragt, andererseits<br />
aber auch Raum für die offene Beantwortung von nachhaltigkeitsrelevanten<br />
Fragen lässt. Positiv bewertet wurde ein<br />
erster fachlicher Vorschlag für einen reduzierten Performancerahmen,<br />
der damit auch Grundlage für eine Weiterführung der<br />
konstruktiven und offenen Mittelstandsdialoge bilden kann.<br />
Voraussetzungen für eine Plattform:<br />
• Freiwilligkeit als zentrale Grundvoraussetzung<br />
• Entlastung statt Zusatzbelastungen<br />
• Ersatz von Fragebögen<br />
• Beitrag zur Risikobewertung<br />
• Offener Ansatz: Möglichkeit zur Teilnahme unabhängig von<br />
Firmen-Größe<br />
• Kompatibilität zu anderen Initiativen oder Plattformen (etwa<br />
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>)<br />
• Zumindest europaweite, tendenziell aber auch internationale<br />
Einsetzbarkeit<br />
• Glaubwürdige Vermarktung<br />
• Ansprache und Beteiligung der großen Unternehmen<br />
• Staatliche Anschubfinanzierung<br />
Kritik:<br />
Große Teile des Mittelstandes stehen der Einführung eines<br />
nachhaltigen Beschaffungsmanagements abwartend gegenüber,<br />
ergab die Studie. Viele KMUs sind zwar ökologisch und / oder<br />
sozial engagiert, aber dieses Engagement ist nur selten strategisch<br />
ausgerichtet. „Im Normalfall wird auf Kundenwünsche<br />
reagiert – nicht aber antizipativ im Sinne der Erlangung von<br />
Wettbewerbsvorteilen gehandelt. Insbesondere wird befürchtet,<br />
dass eine Neuausrichtung des betriebsinternen Beschaffungs- /<br />
Lieferwesens mit zusätzlichen Kosten und einem größeren<br />
zeitlichen Aufwand verbunden sein wird“, so die Autoren der<br />
Vorstudie weiter. „Als große Herausforderung wird vor allem<br />
die Frage empfunden, wie eine Standardisierung in der Form<br />
erfolgen kann, dass diese sowohl den Anforderungen der unterschiedlichen<br />
Branchen gerecht wird als auch eine qualitativ<br />
hochwertige Umsetzung hinsichtlich CSR-Standards – also<br />
nicht den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ – gewährleistet.“<br />
Widerstand gibt es erstaunlicherweise auch von den Unternehmen,<br />
die beim Thema CSR schon sehr weit sind: Die Vorstudie<br />
kommt zu dem Schluss, dass sich vor allem Vorreiter<br />
nicht dazu bewegen lassen, einen „Rückschritt“ zu einem<br />
Minimalkonsens zu machen. „Dies gelte umso mehr, als die<br />
sehr intensive Auseinandersetzung mit CSR zu einem Alleinstellungsmerkmal<br />
vieler Unternehmen gegenüber ihren<br />
Wettbewerbern geworden ist.“<br />
Mehr unter csr-in-deutschland.de<br />
18<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Lieferkettenmanagement<br />
problemfAll 1<br />
Jeans: Textilarbeiter bezahlen<br />
mit Gesundheit<br />
Die Sandstrahl-Technik wird immer noch von zahlreichen<br />
Textilunternehmen zur günstigen und schnellen Produktion<br />
von „Used-Look“-Jeans eingesetzt, obwohl dadurch die Fabrikarbeiter<br />
gesundheitlich extrem gefährdet werden. Das fand<br />
eine Studie der Clean Clothes Campaign (CCC) heraus. Bei der<br />
Sandstrahl-Technik wird das dunkle Indigo-Blau der Jeans an<br />
bestimmten Stellen durch das Aufstrahlen von Sand abgetragen.<br />
Dabei lösen sich Quarzpartikel, die dann in die Atemwege<br />
der Arbeiter gelangen. Der feine Staub setzt sich in der Lunge<br />
der Sandstrahler ab und kann zu schweren Atemproblemen<br />
führen. Auch tödliche Krankheiten wie Silikose, die sogenannte<br />
Staublunge, oder Lungenkrebs können entstehen, so eine Studie<br />
des „The Eurasian Journal of Medicine“. Im schlimmsten Fall<br />
können die Ablagerungen in der Lunge zum Tod durch Ersticken<br />
führen, was die Jeans zur „Killer Jeans“ macht.<br />
„Es ist schockierend, dass Unternehmen das Sandstrahlen verbieten, um ihren Ruf zu retten, gleichzeitig aber weiterhin die<br />
Arbeiterinnen und Arbeiter einer tödlichen Gefahr aussetzen!“, sagt Lars Stubbe, Eilaktionskoordinator der Kampagne für<br />
Saubere Kleidung bei der Menschenrechtsorganisation INKOTA. Die aktuelle Studie „Deadly Denim: Sandblasting in the<br />
Bangladesh Garment Industry“ hat nämlich durch Arbeiterberichte und Experten-Interviews herausgefunden, dass viele<br />
Unternehmen, die bereits ein öffentliches Verbot der Technik ausgesprochen hatten, in Ländern wie etwa Bangladesch<br />
weiterhin sandstrahlen lassen. Dazu gehören unter anderem Marken wie H&M, Levi’s, C&A, Esprit, Lee, Zara oder Diesel.<br />
Aufgrund des „tödlichen Gesundheitsrisikos“ für die Arbeiter fordert die Clean Clothes Campaign ein absolutes Verbot der<br />
Sandstrahl-Technik innerhalb der Unternehmen und ihrer Zuliefererbetriebe.<br />
problemfAll 2<br />
Outdoor-Jacken dünsten<br />
Chemikalien aus<br />
Unabhängige Labore haben im Auftrag von Greenpeace<br />
17 Outdoor-Artikel auf per- und polyfluorierte Chemikalien<br />
(PFC) und andere Schadstoffe geprüft. In allen Proben<br />
wurden PFC nachgewiesen. „Die Outdoor-Branche wirbt<br />
nach wie vor mit unberührter Natur. Aber ihre Kleidung<br />
enthält Schadstoffe, die sich inzwischen rund um den<br />
Globus nachweisen lassen. Das ist vor allem ein Problem<br />
in den Produktionsländern. Aber auch bei uns finden<br />
wir PFC in der Umwelt, im Trinkwasser und im menschlichen<br />
Blut“, sagt Manfred Santen, Chemie-Experte<br />
von Greenpeace. PFC lassen Wasser und Schmutz von<br />
Outdoor-Kleidung abperlen und finden sich auch in den<br />
innen liegenden wasserdichten Membranen (zum Beispiel<br />
Gore-Tex). Alternativen sind bereits auf dem Markt.<br />
„Verbraucher sollten prüfen, ob sie eine Regenjacke für<br />
den Gipfelsturm oder für einen Spaziergang benötigen“,<br />
sagt Santen. „Es gibt bereits fluorfreie Alternativen.<br />
Auch diese Kleidung ist winddicht, atmungsaktiv und hält<br />
einem Wolkenbruch stand.“<br />
problemfAll 3<br />
Apple: Chic statt fair<br />
Der US-Technologiekonzern Apple zahlt viel Geld für<br />
Design und Marketing. Bei den Arbeitsbedingungen,<br />
unter denen die Geräte hergestellt werden, wird dagegen<br />
regelmäßig gespart. Selbstmorde beim Zulieferer<br />
Foxconn sind die bekanntesten Belege, aber beileibe<br />
keine Einzelfälle. So steht auch der taiwanesische<br />
Apple-Auftragsfertiger Pegatron wegen der skandalösen<br />
Arbeitsbedingungen im Fokus der Kritik. Die Firma<br />
soll der Organisation China Labour Watch zufolge in drei<br />
Fabriken massive Verstöße gegen das Arbeitsrecht wissentlich<br />
begangen haben. Die Liste der Vorwürfe gegen<br />
Pegatron ist lang: ausufernde Überstunden, Billiglöhne,<br />
Arbeit von Minderjährigen, Vertragsverletzungen,<br />
Misshandlungen des Personals durch Manager, miserable<br />
Unterkünfte sowie gravierende Umweltverschmutzungen<br />
in China. Die Strategie des Apple-Managements,<br />
nach der massiven öffentlichen Kritik am ehemaligen<br />
Hauptzulieferer Foxconn vermehrt Aufträge an Pegatron<br />
zu vergeben, dürfte nicht von Erfolg gekrönt gewesen<br />
sein.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
19
Agenda<br />
„Audits<br />
dauern länger als ein oder zwei Tage!“<br />
Um auf dem internationalen Markt zu bestehen, brauchen Unternehmen funktionierende Zulieferer. In der Praxis<br />
sind gerade Betriebe am Ende der Lieferkette aus Entwicklungs- und Schwellenländern dem globalen Preisdruck<br />
ausgesetzt. Schlimmstenfalls arbeiten dann die Angestellten für wenig Geld unter menschenunwürdigen Bedingungen.<br />
Forderungen nach transparenten Lieferketten und kontrollierten Lieferanten hören sich theoretisch gut an.<br />
Wie Audits sachgemäß die Arbeitssituation in einem Betrieb abbilden können, erklärt uns Richard Karmel von der<br />
internationalen Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Mazars in unserem Interview. Mazars führt weltweit Audits<br />
im Bereich der Menschenrechte durch.<br />
Gisela Burckhardt (Clean Clothes Campaign <strong>Deutschland</strong>) hat gegenüber<br />
Spiegel Online gesagt, dass sich inzwischen eine regelrechte Industrie<br />
von Sozialaudits entwickelt habe. Diese deckten aber nicht wesentliche<br />
Probleme wie etwa das Fehlen von Organisationsfreiheit oder erzwungene<br />
Überstunden auf. Was halten Sie von dieser These?<br />
Richard Karmel: Wenn man bedenkt, was bisher als „Sozialaudit“<br />
bezeichnet wurde, stimme ich der Aussage zu. Der<br />
Begriff wurde in der Vergangenheit oftmals unsachgemäß<br />
verwendet. Tatsächlich wurde er als Grundlage für unterschiedliche<br />
Formen von Zertifikaten benutzt. Nur sehr wenige<br />
dieser Sozialaudits entsprachen dabei Evaluationsrichtlinien<br />
oder wurden von anerkannten professionellen Prüfern durchgeführt.<br />
So täuschte der Begriff „Audit“ eine falsche Sicherheit<br />
vor. Ein Beispiel dafür ist der Brand in der Textilfabrik Tazreen<br />
Fashion in Bangladesch Ende 2012. Tazreen hatte einige Wochen<br />
zuvor ein auditiertes Zertifikat erhalten. Dieses Audit<br />
hatte gerade einmal ein bis zwei Tage gedauert. Aus meiner<br />
Sicht kann man aber keine qualifizierten Antworten aus einer<br />
ein bis zwei Tage andauernden Prüfung ziehen, egal welche<br />
Bereiche evaluiert werden. Innerhalb der Audits, welche wir<br />
beispielsweise zur Überprüfung von „Organisationsfreiheit“<br />
durchführen, befragen wir eine statistisch signifikante Anzahl<br />
von Mitarbeitern. Darüber hinaus überprüfen wir die<br />
dementsprechenden Märkte und beziehen die lokalen Gesetze<br />
ein. Dieser Vorgang, von der Planung bis zur Fertigstellung,<br />
dauert mehrere Wochen.<br />
Mit den „Indicators for Human Rights Compliance” hat Mazars einen<br />
eigenen Standard zur Überprüfung von Menschenrechten in Unternehmen<br />
entwickelt. Erläutern Sie kurz seinen Ansatz. Was machen Sie<br />
bei Mazars besser?<br />
Karmel: Unser Ansatz geht über die herkömmlichen Audits<br />
im Bereich der Menschenrechte hinaus. Momentan versuchen<br />
die meisten Sozialaudits, die bisherigen Einflüsse auf die Arbeitsprozesse<br />
eines Unternehmens zu beurteilen. Damit sind<br />
sie rückwärtsgewandt. Der Ansatz von Mazars überprüft, ob<br />
das Reporting eines Unternehmens an den United Nations<br />
Guiding Principles on Business and Human Rights ausgerichtet<br />
ist. Damit ist unser Audit inhärent zukunftsgewandt und bietet<br />
unseren Kunden dadurch größeren Nutzen. Dementsprechend<br />
überprüfen wir in einem Unternehmen die Strategien, die<br />
Prozesse und die Kontrollen hinsichtlich ihrer Existenz, ihrer<br />
Eignung und ihrer Effektivität. Wenn all diese Punkte in<br />
einem Unternehmen funktionieren, ist es unwahrscheinlich,<br />
dass Arbeitsabläufe die Menschenrechte negativ beeinflussen.<br />
Vielmehr herrscht dann eine Kultur vor, in welcher die Arbeitsbeziehungen<br />
durch das gegenseitige Vertrauen zwischen<br />
Unternehmen und Stakelholdern bestimmt werden. Natürlich<br />
gibt es niemals eine absolute Garantie, da man leider willkürliches<br />
Verhalten einzelner nicht vermeiden kann.<br />
Wie tief analysieren Sie dabei die Lieferkette (Tier 1, Tier 2, Tier 3) ?<br />
Karmel: Ein Audit funktioniert nicht, wenn es als isolierter<br />
Arbeitsvorgang betrachtet wird, dessen Ergebnis die bloße Zertifizierung<br />
des Zulieferers ist. Vielmehr müssen Evaluierungen<br />
als Teil der Unternehmensstrategie angesehen werden. Das<br />
bezieht sich auch auf die gesamte Lieferkette eines Unternehmens.<br />
So evaluieren wir, ob in den Zulieferbetrieben ebenfalls<br />
ähnliche Strategien, Prozesse und Kontrollen verankert sind<br />
und wie effektiv sie arbeiten. Dementsprechend überprüft<br />
der Tier-1-Zulieferer wiederum seine Zulieferer (Tier 2) und<br />
so weiter. Es ist wichtig, dass die Verträge mit den Zulieferern<br />
diese Strategien widerspiegeln. Der Auftraggeber muss die<br />
Möglichkeit haben, die eigenen Zulieferer unangekündigt<br />
besuchen und überprüfen zu können. Wir empfehlen den<br />
Unternehmen, eine Liste jener Betriebe anzulegen, mit welchen<br />
keiner der Zulieferer zusammenarbeiten darf. Diese Liste<br />
sollte an alle Zulieferer auf allen Stufen kommuniziert und<br />
stets aktualisiert werden.<br />
20<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Lieferkettenmanagement<br />
Ein Audit sollte insgesamt als Teil einer übergeordneten<br />
Kommunikation zwischen einem Unternehmen und seinen<br />
Zulieferern angesehen werden. Es muss das ganze Jahr über<br />
einen Dialog über die Probleme und Herausforderungen im<br />
Bereich der Menschenrechte bestehen. Die jeweiligen Verantwortlichen<br />
müssen sich dabei immer fragen, welche sozialen<br />
Auswirkungen bestimmte Entscheidungen haben und wie<br />
diese das Unternehmen beeinflussen.<br />
In asiatischen Ländern zum Beispiel ist die Hemmschwelle bei Mitarbeitern<br />
höher, etwas Negatives zu berichten. Wie können Sie als Prüfer<br />
sicherstellen, dass Sie die Realität abbilden?<br />
Karmel: Manchmal ist das Zögern, negative Themen anzusprechen,<br />
ein direktes Resultat kultureller Diversität oder<br />
kultureller und sozialer Hierarchien. Mazars schützt sich<br />
dagegen, indem wir ein Team aus einheimischen und auswärtigen<br />
Mitarbeitern einsetzen. Das erlaubt uns, Projekte<br />
in Übersee durchzuführen und dort Personal einzusetzen,<br />
das nicht aus dem zu überprüfenden Land kommt. Dadurch<br />
stellen wir sicher, dass die richtigen Personen die richtigen<br />
Fragen stellen. Denn auswärtige Mitarbeiter werden nicht<br />
durch tiefverwurzelte kulturelle Befindlichkeiten beeinflusst.<br />
Wenn wir beispielsweise in Indien arbeiten, liegt die Projektleitung<br />
in den Händen von Mitarbeitern aus Großbritannien.<br />
Diese führen dann die Befragungen durch, wenn ortanasässige<br />
Mitarbeiter bei ihrer Tätigkeit durch die kulturellen Begebenheiten<br />
beeinträchtigt werden könnten. Dadurch eliminieren<br />
wir die Risiken, dass Rücksichtnahme gegenüber Vorgesetzten<br />
oder die Abneigung, direkte Fragen zu stellen, die Ergebnisse<br />
vernebeln.<br />
Obgleich die Themen bezüglich des Kastensystems in Indien<br />
bekannt sind, darf nicht vergessen werden, dass es auch ohne<br />
Kastensystem soziale Stratifikationen gibt. Indem wir diesen<br />
Punkt aus der Gleichung nehmen, gewährleisten wir, dass<br />
auch negative Aspekte in Gänze beleuchtet werden; unsere<br />
Mitarbeiter sind darin ausgebildet, so lange nachzufragen, bis<br />
sie zufriedenstellende Antworten bekommen. Ein weiterer<br />
Vorteil eines gemischten Teams ist, dass die ortsansässigen<br />
Mitarbeiter die jeweiligen kulturellen Befindlichkeiten und<br />
Überlegungen kennen. Solche Nuancen sind von entscheidender<br />
Bedeutung.<br />
Was denken Sie über den Prozess der Auswahl der Zulieferer? Liegt<br />
das Problem nicht schon grundsätzlich in der falschen Auswahl der<br />
Lieferanten? Wie erkennt ein Unternehmen die „schwarzen Schafe“ in<br />
seiner Branche?<br />
Karmel: Bisher haben nur wenige große Unternehmen Verhaltensregeln<br />
im Bereich der Beschaffung aufgestellt, die<br />
speziell auf Themen wie Existenzminimum, Überstunden,<br />
Kinderarbeit, Organisationfreiheit, Nicht-Diskriminierung<br />
etc. eingehen. Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass<br />
viele Beschaffungs-Abteilungen nach dem Preis urteilen und<br />
den billigsten Zulieferer auswählen – ohne über die daraus<br />
folgenden Risiken für ihre eigene Reputation nachzudenken.<br />
Die Überprüfungen der Zulieferer finden oftmals erst dann<br />
statt, wenn die Unternehmen bereits Schaden genommen<br />
haben. Auch wenn man das als Fehler im System bezeichnen<br />
kann, handelt es sich eher um eine neue Phase für Wirtschaft<br />
und Handel, in welcher sich das proaktive im Gegensatz zum<br />
reaktiven Handeln noch nicht durchgesetzt hat. Wie bereits erwähnt,<br />
empfehlen wir Unternehmen, eine Liste problematischer<br />
Zulieferer zu führen. Diese bringt zum Ausdruck, mit welchen<br />
Zulieferern das Unternehmen nicht zusammenarbeiten will<br />
und welche Unternehmen auch für die Zulieferer tabu sind.<br />
Welche Anreize kann ein Unternehmen seinen Lieferanten und deren<br />
Zulieferern bieten, die Menschenrechte am Arbeitsplatz einzuhalten?<br />
Karmel: Soziale Medien haben heute einen großen Einfluss<br />
auf die Reputation der Unternehmen. Dadurch wird ihnen<br />
bewusst, dass Menschenrechtsverletzungen innerhalb der<br />
Lieferkette Auswirkungen auf ihren Ruf und ihre Umsatzzahlen<br />
haben können. Unternehmen müssen ihre Erwartungen<br />
im Bereich der Menschenrechte deutlich gegenüber den<br />
Zulieferern kommunizieren. Darüber hinaus müssen Betriebe<br />
Beschwerdemechanismen für ihre Zulieferer etablieren. So<br />
können diese Probleme melden, welche wiederum von den<br />
Unternehmen beseitigt werden. Im Gegenzug akzeptieren die<br />
Zulieferer unangekündigte Prüfungen. Es muss klar sein: Wenn<br />
Zulieferer zum wiederholten Male, trotz der Unterstützung<br />
der Unternehmen, definierte Standards missachten, riskieren<br />
die Zulieferer, ihre Aufträge zu verlieren.<br />
Allgemein muss jedes Unternehmen mit Zulieferern zusammenarbeiten<br />
wollen, welche Qualitätsprodukte rechtzeitig<br />
liefern, zu einem Preis, der den Mitarbeitern wenigstens<br />
das Existenzminimum sichert. Darüber hinaus müssen die<br />
Arbeitsbedingungen allgemein akzeptierte Gesundheits- und<br />
Sicherheitsstandards erfüllen und nicht das Leben der Mitarbeiter<br />
bedrohen.<br />
Das Interview führte Sonja Scheferling<br />
Zur Person<br />
Richard Karmel, Managing Partner bei Mazars London,<br />
www.mazars.co.uk<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
21
Agenda<br />
22<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Kinderrechte<br />
Kinder-<br />
Rechte<br />
• Insgesamt leben 2,2 Milliarden Kinder unter 18 Jahren auf der<br />
Welt. Dies entspricht beinahe einem Drittel der Weltbevölkerung.<br />
• Jugendliche zwischen 10 und 19 Jahren machen 18 Prozent der<br />
Weltbevölkerung aus.<br />
• 1 Milliarde Kinder haben keinen Zugang zu einer Grundversorgung,<br />
die für ihr Überleben und ihre Entwicklung unentbehrlich ist.<br />
• Weltweit leben 2 Millionen Kinder unter 15 Jahren mit HIV.<br />
• 215 Millionen Kinder sind Opfer von Kinderarbeit.<br />
• 101 Millionen Kinder besuchen keine Grundschule.<br />
• 51 Millionen Kinder werden bei der Geburt in keinem Einwohnermeldeverzeichnis<br />
erfasst.<br />
Quelle: Kinderrechte und unternehmerisches Handeln, Hrsg. DGCN 2012<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
23
Agenda<br />
Gibt es „gute“<br />
Kinderarbeit?<br />
Von Barbara Küppers<br />
Kinderarbeit ist ein komplexes Phänomen:<br />
„Die Kinderarbeit“ gibt es nicht, denn die<br />
etwa 168 Millionen Mädchen und Jungen,<br />
die heute laut Schätzungen der Internationalen<br />
Arbeitsorganisation ILO weltweit<br />
arbeiten, tun dies unter sehr unterschiedlichen<br />
Bedingungen. Tatsächlich gibt es<br />
auch Kinderarbeit, die keine Kinderrechte<br />
verletzt. Die öffentliche Wahrnehmung<br />
in <strong>Deutschland</strong> ist allerdings geprägt<br />
durch Medienberichte und Kampagnen,<br />
die Kinder in Steinbrüchen, Textilfabriken<br />
oder auf Kakaoplantagen zeigen. Diese<br />
Mädchen und Jungen werden ausgebeutet,<br />
sie arbeiten an gefährlichen Orten, laufen<br />
Gefahr, sich an Geräten und Maschinen<br />
zu verletzen oder sind giftigen Pestiziden<br />
ausgesetzt. Sie sind der Willkür ihrer Arbeitgeber<br />
und der erwachsenen Kollegen<br />
ausgeliefert und haben in der Regel die<br />
Schule abgebrochen oder nie eine besucht.<br />
Die Weltgemeinschaft ist sich weitgehend<br />
einig, dass solche Ausbeutung von Kindern<br />
unverzüglich beendet werden muss.<br />
24<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Kinderrechte<br />
Die ILO schätzt, dass etwa 85 Millionen Kinder weltweit<br />
solcher Ausbeutung unterliegen, etwa zehn Prozent dieser<br />
Kinder arbeiten für den Export: Ihre Arbeit steckt also etwa<br />
in Natursteinen, Textilien oder Kakao, Tee und Orangensaft.<br />
Ausbeuterische Arbeit verletzt das Recht eines Kindes, vor<br />
wirtschaftlicher Ausbeutung geschützt zu werden (Kinderrechtskonvention<br />
der Vereinten Nationen, Artikel 32) und<br />
immer auch weitere Rechte. Genannt seien hier: das Recht<br />
auf Leben (Artikel 6), das Diskriminierungsverbot (Artikel 2),<br />
das Recht auf Berücksichtigung des Kindeswillens (Artikel<br />
12), das Recht auf Schutz vor Gewaltanwendung, Misshandlung<br />
und Verwahrlosung (Artikel 19), das Recht auf<br />
Gesundheitsversorgung (Artikel 24), das Recht auf Bildung<br />
(Artikel 28), das Recht auf Beteiligung an Freizeit (Artikel<br />
31), das Recht auf Maßnahmen gegen Entführung und Kinderhandel<br />
(Artikel 35).<br />
Die ILO-Konvention 182 definiert Ausbeutung von Kindern und<br />
bannt Sklaverei, Schuldknechtschaft und Zwangsarbeit, die<br />
kommerzielle sexuelle Ausbeutung, den Einsatz als Soldaten<br />
und jegliche Form der Arbeit, welche die seelische und körperliche<br />
Gesundheit von Kindern gefährdet. Die Konvention<br />
182 ist die am schnellsten gezeichnete Konvention der ILO,<br />
bis heute haben sie 175 Staaten ratifiziert. >><br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
25
Agenda<br />
Auf der normativen Ebene ist die Sache also klar: Ausbeutung<br />
– die ILO spricht von „den schlimmsten Formen der<br />
Kinderarbeit“ – muss beendet werden und kein Grund der<br />
Welt kann ihre Existenz rechtfertigen: Kinderrechte sind<br />
universell und unteilbar.<br />
Ausbeutung verursacht Armut<br />
Auch aus ökonomischer Sicht kommt man schnell zu dem<br />
Schluss, dass ausbeuterische Kinderarbeit Armut verursacht<br />
und nachhaltige Entwicklung hemmt –sowohl gesamtgesellschaftlich,<br />
als auch indiviuell.<br />
Wer hätte je von einem Land gehört, das aufgrund der Ausbeutung<br />
der Kinder prosperiert? Wohl häufen einzelne Personen,<br />
Gruppen oder Unternehmen Reichtümer an, etwa in der<br />
illegalen Ökonomie: Mit Kinderprostitution und Kinderpornografie<br />
werden jedes Jahr Milliardenumsätze gemacht. Kinder<br />
graben im Kongo nach Coltan, das Geschäft wird von Warlords<br />
kontrolliert, die jegliche Regulierung des Bergbaus verhindern.<br />
Die internationale IT-Industrie profitiert, denn Coltan wird zu<br />
Tantal verarbeitet, einem wichtigen Bestandteil von Laptops<br />
und Handys. Mafiöse Strukturen, massive Korruption, Gewalt<br />
sowie die Negierung grundlegender gesellschaftlicher Werte<br />
verhindern die Entwicklung legaler Ökonomie und Entwicklung<br />
insgesamt. Die ILO hat im Jahr 2003 untersucht, wie Kinderarbeit<br />
die Gesamtökonomie schädigt: Der Weltgemeinschaft<br />
entgehen demnach volkswirtschaftliche Werte im Umfang<br />
von 5,1 Billionen US-Dollar, die durch höhere wirtschaftliche<br />
Leistungsfähigkeit und Produktivität erwirtschaftet werden<br />
könnten, wenn bis zum Jahr 2020 Kinderarbeit beendet würde.<br />
Die Kosten für diese Maßnahmen – zumeist Investitionen in<br />
Bildungssysteme – sind bereits in die Schätzung eingerechnet.<br />
Die Geschichte vom Tellerwäscher, der zum Millionär wird,<br />
entpuppt sich als simple Durchhaltepropaganda: In der Realität<br />
schuften sich Kinder durch ausbeuterische Arbeit kaputt,<br />
und die Liste ihrer Berufskrankheiten ist lang: von der<br />
Staublunge über schwere Haltungsschäden, chronische Haut-,<br />
Augen- und Atemwegserkrankungen, Traumatisierung, Vergiftungen,<br />
Unter- und Mangelernährung aufgrund zu harter<br />
Arbeit, Wachstums- und Reifungsverzögerungen. Ungezählt<br />
sind die Folgen von Arbeitsunfällen, wie der Verlust von<br />
Gliedmaßen und bleibende Behinderungen. Die ILO schätzt,<br />
dass jedes Jahr 22.000 Kinder bei Arbeitsunfällen sterben. Wer<br />
von klein auf schuftet und niemals eine Schule besucht, wer<br />
ausgebeutet wird und dadurch gesundheitliche und seelische<br />
Schäden davonträgt, der hat kaum Chancen, einem Leben als<br />
Tagelöhner zu entkommen.<br />
Die Wirtschaft wächst – die Ausbeutung auch<br />
Die Bekämpfung ausbeuterischer Kinderarbeit steht seit Mitte<br />
der 1990er Jahre im Mittelpunkt verschiedener Bemühungen<br />
internationaler Organisationen wie der ILO und von Unternehmen,<br />
die durch Kampagnen mit Kinderarbeit in ihren<br />
Lieferketten konfrontiert wurden. Einfache Verbote reichen<br />
jedoch nicht aus, vielmehr bedarf es eines umfassenden Ansatzes.<br />
Denn die Ausbeutung von Kindern hat viele Ursachen,<br />
und die Situation der Kinder kann sich durch gut gemeinte,<br />
aber eindimensionale Maßnahmen sogar verschlechtern.<br />
Klären wir zunächst die Frage, ob Armut die hauptsächliche<br />
Ursache für die Ausbeutung von Kindern ist: Es ist keine<br />
Überraschung, dass in Staaten mit weit verbreiteter extremer<br />
Armut sehr viele Kinder arbeiten: In Liberia sind 89 Prozent<br />
der Menschen extrem arm, 35 Prozent der Kinder arbeiten.<br />
Allerdings lässt sich daraus kein Automatismus ableiten:<br />
Denn bei geringerer extremer Armut kann es dennoch mehr<br />
Kinderarbeit geben, wie etwa in der Elfenbeinküste, wo 25<br />
Prozent der Menschen extrem arm sind, aber mehr Kinder<br />
arbeiten, als in Liberia, nämlich 45 Prozent aller Mädchen<br />
und Jungen. Weiterhin zeigt das sogenannte Wohlstandsparadox,<br />
dass ausbeuterische Kinderarbeit sogar zunehmen kann,<br />
wenn Einkommen oder Wirtschaft wachsen: Als zum Beispiel<br />
Anfang der 1990er Jahre die Textilindustrie in der indischen<br />
Stadt Tirupur einen ungeheuren Aufschwung nahm, stieg die<br />
Anzahl der Kinderarbeiter in der Stadt und lag mit etwa 20<br />
Prozent weit über dem Durchschnitt des Bundesstaates Tamil<br />
Nadu mit etwa zwölf Prozent Kinderarbeitern. In Tirupur gab<br />
es damals etwa 200.000 Arbeitsplätze in der Textilindustrie,<br />
40.000 davon waren mit Kindern unter 14 Jahren besetzt. Zu<br />
dieser Zeit traf Angebot auf Nachfrage: Die Stadt verzeichnete<br />
aufgrund des Wirtschaftsbooms hohe Zuwanderungsraten.<br />
Die Kinder der Migrantenfamilien arbeiteten mit, denn die<br />
Hoffnung der ganzen Familie ruhte darauf, gemeinsam ein<br />
besseres Einkommen zu erzielen. Die Kinder – Mädchen<br />
ebenso wie Jungen – hatten nie eine Schule besucht und in<br />
ihrer Heimat mit den Eltern als Tagelöhner auf den Feldern<br />
gearbeitet. Oder sie hatten die Schule verlassen, als die Familie<br />
umzog. Die Industrie fragte billige und vor allem willige<br />
Arbeitskräfte nach, die am besten klaglos stundenlang und<br />
ohne Pause monotonste Arbeit ausführten. So verzeichnete<br />
eine Region, die boomte, eine höhere Anzahl ausgebeuteter<br />
Kinder als die weitaus ärmeren ländlichen Nachbardistrikte.<br />
Das Wohlstandsparadox kann auch auf dem Land beobachtet<br />
werden: Das Verhältnis zwischen den Ressourcen eines Haushaltes<br />
und dem Ausmaß der Kinderarbeit (Anzahl der Kinder,<br />
26<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Kinderrechte<br />
die arbeiten, und Arbeitszeit) steigt auch hier zunächst an:<br />
Haushalte, die extremer Armut entkommen, verzeichnen mehr<br />
Kinderarbeit. Erst ab einer bestimmten Wohlstandsschwelle<br />
nimmt die Kinderarbeit wieder ab, wie es die Ökonomen Sonia<br />
Bhalotra und Christoperh Heady zum Beispiel für Äthiopien<br />
gezeigt haben.<br />
Wichtigste Maßnahme: Schulpflicht<br />
Die Ausbeutung von Kindern ist in allen Staaten der Welt gesetzlich<br />
verboten – und dennoch Realität. Die Erfahrung von<br />
terre des hommes zeigt: Werden gesetzliche Verbote nicht durch<br />
sozialpolitische Maßnahmen flankiert, sind sie unwirksam<br />
oder treiben Kinder in noch schlimmere Arbeitsverhältnisse<br />
und in die Illegalität. Eine der wirksamsten Maßnahmen gegen<br />
ausbeuterische Kinderarbeit ist der Ausbau öffentlicher Schulsysteme<br />
und die Zugänglichkeit von Schulen für alle Kinder<br />
– gerade auch für solche Mädchen und Jungen, die besonders<br />
gefährdet sind: Kinder aus armen und marginalisierten Familien,<br />
Migranten, Minderheiten. Eine vergleichbare Situation<br />
wie in der indischen Textilstadt Tirupur gab es in Bangladesch,<br />
und sie ist bis heute das meist zitierte Beispiel für die fatale<br />
Wirkung einseitiger Verbote, die nur die „Nachfrageseite“ im<br />
Blick haben: 1992 hatte der US-amerikanische Senator Tom<br />
Harkin einen Entwurf vorgelegt, der den Bann von Produkten<br />
aus Kinderarbeit vorsah. Die Textilindustrie von Bangladesch<br />
war eines seiner Beispiele. Daraufhin entließen Arbeitgeber in<br />
Bangladesch in kurzer Zeit etwa 50.000 Mädchen und Jungen.<br />
Ein großer Teil der Kinder landete in der Prostitution und in<br />
ausbeuterischen Arbeiten im informellen Sektor.<br />
Eine andere Geschichte: Kinderarbeit in Würde<br />
Dass Kinderarbeit nicht zwingend Kinderrechte verletzt, ist für<br />
viele Menschen kaum vorstellbar. Die Arbeit von Kindern ist<br />
nicht per se ausbeuterisch. Mädchen und Jungen arbeiten mit<br />
und lernen dabei zum Beispiel im Haushalt die grundlegenden<br />
Fertigkeiten der Hauswirtschaft oder im elterlichen Betrieb<br />
verschiedene Handwerks- oder Landbebauungstechniken.<br />
Durch Mithilfe und Arbeit werden wichtige gesellschaftliche<br />
Werte vermittelt, wie zum Bespiel Zusammenarbeit und<br />
Einsatz für eine Gemeinschaft. Arbeit kann ein Mittel zur<br />
Selbstverwirklichung sein und kann materielle und soziale<br />
Bedürfnisse befriedigen. Werden Kinder ihrem Alter und ihren<br />
Fähigkeiten entsprechend an Arbeiten – wohlgemerkt in<br />
Familien- oder Gemeinschaftsstrukturen – beteiligt, erlangen<br />
sie Selbstbewusstsein und lernen, gemeinsam mit anderen<br />
produktiv für die Gemeinschaft zu sein – wichtige Werte in<br />
vielen Kulturen.<br />
der Kinder im Schulunterricht vielfältige positive Wirkungen<br />
hat: Die Werkstattschulen der Organisation Creciendo Unidos<br />
in Kolumbien zum Beispiel knüpfen an die täglichen Erfahrungen<br />
arbeitender Kinder an und qualifizieren die Kinder<br />
weiter: Sie werden nicht gedrängt, ihre Arbeit aufzugeben,<br />
und niemand muss sich schämen, weil er arbeitet.<br />
Ein Abrutschen in ausbeuterische oder illegale Arbeit wird<br />
durch den Zusammenhalt der Gruppen verhindert. Fertigkeiten,<br />
die Mädchen und Jungen bei ihrer Arbeit gelernt haben,<br />
helfen ihnen in der Schule. Viele arbeitende Kinder können<br />
zum Beispiel gut rechnen. Umgekehrt hilft die Schule, ihre<br />
Produkte und ihr Marketing zu verbessern. Einige Kinder<br />
schließen sich zusammen und stellen ihre Waren, etwa kleine<br />
Süßigkeiten, gemeinsam her oder kaufen im Verbund zu<br />
einem günstigeren Preis ein. So verbessern sie ihr Einkommen<br />
und unterstützen sich gegenseitig.<br />
Pauschale Verbote jeglicher Arbeit von Kindern würde diese<br />
Kinder in die Illegalität treiben und damit ihre Situation<br />
deutlich verschlechtern. Damit wären arbeitende Kinder<br />
weitaus verletzlicher und gefährdet, in ausbeuterische Arbeit<br />
abzurutschen oder drangsaliert zu werden.<br />
Nicht-ausbeuterische Arbeit von Kindern steht auch nicht<br />
automatisch dem Schulbesuch im Wege. Eine große Zahl von<br />
Kindern weltweit arbeitet und geht gleichzeitig zur Schule,<br />
dies gilt zum Beispiel für die große Mehrheit der Kinder in<br />
Lateinamerika und Afrika.<br />
Nicht-ausbeuterische Kinderarbeit kann als Potenzial für die<br />
individuelle und gesellschaftliche Entwicklung gesehen werden.<br />
Projekte für Kinderarbeiter zum Beispiel in Kolumbien und<br />
Peru zeigen, dass vor allem die Einbeziehung der Erfahrungen<br />
Über die AutorIN<br />
Barbara Küppers ist Leiterin des Referates Kinderrechte von terre des hommes<br />
<strong>Deutschland</strong> e.V.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
27
Agenda<br />
Kinderrechte<br />
sind unser aller Business<br />
Von Dr. Jürgen Heraeus<br />
Kinder sind die Zukunft – über diesem schon so häufig gehörten<br />
Satz vergessen wir leicht, dass Kinder auch die Gegenwart<br />
sind. Und zwar ganz erheblich: Ein Drittel der Weltbevölkerung<br />
– 2,2 Milliarden Menschen – sind heute Mädchen<br />
und Jungen unter 18 Jahren, Tendenz steigend. Während wir<br />
in <strong>Deutschland</strong> über die alternde Gesellschaft nachdenken,<br />
dürfen wir nicht vergessen, dass Kinder und Jugendliche in<br />
einigen Entwicklungs- und Schwellenländern sogar rund die<br />
Hälfte der Bevölkerung stellen. Für viele Familien sind sie der<br />
einzige Reichtum – und oft die einzige Lebensversicherung.<br />
Das macht es umso dringlicher, dass Unternehmen, die ihre<br />
gesellschaftliche Verantwortung ernst nehmen, bei der Weiterentwicklung<br />
ihrer CSR-Strategien nicht nur die Menschenrechte,<br />
sondern speziell auch die Rechte von Kindern in den<br />
Fokus nehmen.<br />
28<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Bei Kinderrechten im Zusammenhang mit Unternehmen<br />
denken wir häufig zuerst an eine der schwersten Kinderrechtsverletzungen:<br />
Ausbeuterische Kinderarbeit. Und es ist richtig,<br />
dass der Kampf gegen Kinderarbeit ein drängendes Problem<br />
bleibt. Trotz Fortschritten sind nach wie vor 158 Millionen<br />
Mädchen und Jungen als Kinderarbeiter beschäftigt – mehr als<br />
die Hälfte von ihnen müssen unter schwersten Bedingungen<br />
arbeiten, die gefährlich für ihre Sicherheit, Gesundheit und<br />
Entwicklung sind und sie vom Schulunterricht abhält. Deshalb<br />
bleibt es ein zentrales Ziel, jedes einzelne dieser Kinder<br />
zu schützen und ihnen den Weg in eine bessere Zukunft zu<br />
ermöglichen.<br />
Aber unternehmerische Verantwortung für Kinder geht weit<br />
über die Abschaffung von Kinderarbeit hinaus. Denn Kinder<br />
sind auf viele Weise von Unternehmenstätigkeit betroffen:<br />
Zum Beispiel als Kinder von Angestellten, als Anwohner auf<br />
oder in der Nähe von Firmenstandorten oder als Kinder von<br />
Gast- oder Wanderarbeitern, die zu Hause zurück gelassen<br />
werden. Darüber hinaus sind Kinder Produkten und Marketingaktivitäten<br />
ausgesetzt und leiden stärker unter Umwelteinflüssen<br />
als Erwachsene.<br />
Aus dem großen Einfluss, den Unternehmen auf die Lebensumstände<br />
von Menschen haben, erwächst ihnen auch eine<br />
große Verantwortung. Kinder zu schützen und zu fördern,<br />
bedeutet deshalb auch mehr, als Geld für Charity-Projekte<br />
auszugeben. Die Achtung der Kinderrechte sollte als Teil der<br />
Unternehmenskultur fest verankert sein und aller unternehmerischen<br />
Tätigkeit zugrunde liegen.<br />
Sich für Kinderrechte einzusetzen erfordert von Unternehmen<br />
einerseits, dass sie Schaden von Kindern abwenden, und<br />
andererseits, dass sie die Interessen der Kinder aktiv fördern.<br />
UNICEF, <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> und Save the Children haben dazu<br />
gemeinsam Grundsätze erarbeitet, die als Leitfaden dienen<br />
können. Zu den empfohlenen Grundsätzen gehört unter<br />
anderem, dass Unternehmen zur Abschaffung von Kinderarbeit<br />
im Rahmen der gesamten Geschäftstätigkeit sowie in<br />
allen Geschäftsbeziehungen beitragen, für die Sicherheit von<br />
Produkten und Leistungen sorgen, die Umwelt schützen oder<br />
Werbung in einer Art betreiben, die Kinderrechte fördert.<br />
Das ist nicht nur moralisch richtig, es ist auch wirtschaftlich<br />
sinnvoll. Maßnahmen zur Förderung der Kinderrechte tragen<br />
dazu bei, die Reputation eines Unternehmens zu stärken, das<br />
eigene Risikomanagement zu verbessern und dem Unternehmen<br />
gesellschaftlichen Rückhalt für seine Geschäftstätigkeit<br />
zu sichern. Ein Bekenntnis zur Achtung der Kinderrechte<br />
kann außerdem dabei helfen, motivierte Mitarbeiter zu finden<br />
und sie an das Unternehmen zu binden. Der Einsatz für<br />
Kinder trägt letztlich zum Auf bau stabiler Gesellschaften mit<br />
hohem Bildungsniveau bei, die eine wichtige Grundlage für<br />
ein stabiles und nachhaltiges Geschäftsumfeld sind.<br />
Kinder sind die Gegenwart und die Zukunft. Sie sind die<br />
Führungskräfte, Mitarbeiter, Konsumenten, Bürger, Partner<br />
und Eltern von morgen.<br />
Letztlich gewinnt jeder, wenn wir Kinderrechte heute zu unser<br />
aller Business machen.<br />
Zur Person<br />
Dr. Jürgen Heraeus ist Vorsitzender von UNICEF <strong>Deutschland</strong>.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
29
Agenda<br />
Geschichte der<br />
Kinderarbeit<br />
Was unterscheidet die Arbeit von Kindern am Beginn der Industriellen Revolution in Europa<br />
von der Kinderarbeit heute? Worin gleichen sich die Entwicklungsprozesse und Konflikte um<br />
Erwerbsarbeit in frühen Lebensjahren? Am Beginn der Industrialisierung gefährdete die sich<br />
ausweitende Erwerbsarbeit von Kindern deren nachhaltige Entwicklung – zukunftsgefährdende<br />
Kinderarbeit wurde in einem langwierigen Prozess verboten.<br />
Von Dr. Jürgen Bönig<br />
Der Kampf gegen eine Arbeit, welche die Zukunft der Kinder<br />
versperrt, ist ein Resultat einer veränderten Wahrnehmung<br />
der Entwicklung des Menschen: Was verstehen wir unter<br />
„Kind“, wie begreifen wir das Aufwachsen von Kindern, und<br />
wie verstehen wir uns selbst? Das Grimmsche Herkunftswörterbuch<br />
kannte „Kind“ und „Kindheit“ in Texten vor dem<br />
19. Jahrhundert nur in der Bedeutung einer Abstammung, im<br />
Sinne von „Kind sein von …“. Oder das Wort diente der Bezeichnung<br />
patriarchalischer Herrschaftsverhältnisse außerhalb der<br />
Familie, als „Landeskind“, im Sinne eines unmündigen, zu<br />
bevormundenden Untertanen. Ein Moment der Veränderung<br />
war darin noch nicht enthalten, der gesellschaftliche Status<br />
schien für das ganze Leben festgeschrieben.<br />
Im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts änderte sich die Gesellschaft<br />
radikal und mit ihr die Vorstellung, was Kindheit sei: Sie<br />
wird seitdem als eine gesonderte, ausgedehnte Phase aufgefasst,<br />
in der Körper und Geist sich wandeln und der mündige Mensch<br />
aus dem Kind erst hervorgeht. Entsprechend setzte sich die<br />
Ansicht durch, dass in diesen Prozess des Erwachsenwerdens<br />
gezielt einzugreifen sei, müssen doch Gelegenheit und Zeit<br />
vorhanden sein, damit er gelingt. Lernen wird demnach als<br />
etwas Anderes, Offeneres als die bloße Nachahmung einer<br />
vorgemachten Arbeit verstanden, als etwas Anderes als das<br />
Einfügen in Vorgegebenheiten, für das vermeintlich keine<br />
besonderen Anstrengungen notwendig seien. Demzufolge<br />
könne Erwerbsarbeit in der Kindheit die Bedingungen für<br />
gelungenes Erwachsenwerden zerstören und die körperliche<br />
und geistige Entwicklung hemmen, sodass womöglich kein<br />
kompetenter Bürger entstehe.<br />
Die Vorstellung, ein Kind brauche eine besondere Phase der<br />
Erziehung, eine geschützte Zeit, in der es das lernt, was es<br />
für das Leben in der Gesellschaft braucht, ist selbst ein Kind<br />
der Aufklärung: Die Zeit des Lernens und Erwachsenwerdens<br />
sollte nach Möglichkeit nicht durch körperlich überbeanspruchende,<br />
das Lernen verhindernde oder den Spaß an der Arbeit<br />
vergällende Tätigkeiten und Bedingungen geprägt sein. Die<br />
Idee, dass sich der einzelne Mensch im Laufe seines Lebens<br />
verändere, entstand somit in einer Gesellschaft, die selbst auf<br />
Veränderung, Neuheiten und Wachstum angelegt war – im<br />
Gegensatz zur Feudalgesellschaft, die im Bewusstsein einer<br />
unveränderlichen gesellschaftlichen Ordnung ein starres Bild<br />
vom Kind als kleinen Erwachsenen hatte.<br />
In der neuen bürgerlichen, kapitalistischen und industrialisierten<br />
Gesellschaft waren die alten persönlichen Abhängigkeitsverhältnisse<br />
durch freie Verträge und Vereinbarungen<br />
ersetzt worden. Ein Teil des Schutzes, den patriarchalische<br />
Bevormundung auch den Kindern bot, ging daher verloren.<br />
Die Freiheit von persönlichen Abhängigkeitsbeziehungen,<br />
Gewerbefreiheit und Vertragsfreiheit befreiten auch von dem<br />
Schutz, den die Herren als Gegenleistung für die Abhängigkeit<br />
gewähren sollten. Neue Regeln und Schutzmechanismen<br />
mussten erst durchgesetzt und erkämpft werden, nachdem sich<br />
die unbeschränkte Freiheit des Gewerbes als gefährdend für<br />
die Menschen, die Gesellschaft und den Staat erwiesen hatte.<br />
Wer sorgte nun – nach der Ausweitung von schutzloser<br />
Kindererwerbsarbeit im 18. und 19. Jahrhundert – für die<br />
Durchsetzung von Einschränkungen und Verboten?<br />
30 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Kinderrechte<br />
Dieses kleine Mädchen arbeitete in der Spinnerei<br />
Mollahan Mills in Newberry, South Carolina,<br />
als Lewis Hine sie im Dezember 1908 fotografierte.<br />
Veränderung der Gesellschaft – Veränderung der Kindheit<br />
Man sollte sich die Zeit, als die meisten Menschen für Naturalien<br />
und nicht für Geld arbeiteten, nachträglich nicht allzu<br />
romantisch vorstellen. Die Gesellschaft war durch persönliche<br />
Abhängigkeitsverhältnisse, patriarchalische Gewalt und Mangel<br />
bestimmt. Die Gewissheit, zu einem bestimmten Stand<br />
zu gehören und das diesem Zustehende zu bekommen, war<br />
erkauft durch die Schranken und Fesseln der Standesgebote.<br />
Und längst nicht allen konnte die feudale Gesellschaft sicheres<br />
Einkommen, Unterkommen und Stand garantieren. Dies galt<br />
insbesondere gegen Ende der Epoche, als Erwerbsfreiheit und<br />
Geldwirtschaft die ständischen Beschränkungen aufzulösen<br />
begannen. Erbteilung, Überführung der Feudallasten in<br />
sogenannte Ablösungen (Geldzahlungen) und neu aufkommende<br />
Gewerbezweige mit neuen wirtschaftlichen Chancen<br />
für die Grundbesitzer verwehrten immer mehr Menschen<br />
den Lebensunterhalt auf dem Lande und zwangen sie dazu,<br />
in Lohnarbeit auf dem Lande oder in der Stadt ihr Geld zu<br />
verdienen.<br />
Zur Zeit der Bauernbefreiung in Preußen, ein langwieriger<br />
Prozess, der im Wesentlichen zwischen 1830 und 1859<br />
stattfand, hatte beispielsweise die Hälfte der auf dem Land<br />
Lebenden keinen Grundbesitz mehr und musste sich anderen<br />
Erwerbsquellen zuwenden oder in der Landarbeit verdingen.<br />
Das vom Staat geförderte Manufakturwesen kam ohne die<br />
Kinder gar nicht aus. In den Armen-, Zucht- und Waisenhäusern,<br />
welche die Nöte der Dorf- und Stadtarmut zu lindern<br />
versuchten, stand die Erziehung zu Fleiß und Erwerbstätigkeit<br />
im Mittelpunkt. Dort sollten Kinder durch Arbeit und strenge<br />
Regeln lernen, von eigener Anstrengung und Arbeit zu leben<br />
und nicht von Almosen.<br />
Am Ende bestand die preußische Bauernbefreiung aus der<br />
Ablösung der feudalen Lasten in Geld, sodass alle Beteiligten<br />
dazu gezwungen waren und zugleich die Freiheit hatten, ihre<br />
Produkte auf den Markt zu bringen. Dies markierte den Übergang<br />
von einem persönlichen Arbeitsverhältnis zu einer Arbeit<br />
gegen Lohn für die ganze Familie – einschließlich der Kinder.<br />
In den neuen Verhältnissen mit Gewerbe- und Vertragsfreiheit<br />
wurde nun nicht mehr zusammen für ein Naturalergebnis<br />
gearbeitet, von dem ein Teil abgeliefert werden musste. Es<br />
wurde kein Produkt hergestellt, das notfalls selbst genutzt<br />
und verzehrt werden konnte, sondern eines, um damit Geld<br />
zu verdienen – ein Arbeitsergebnis, dessen Herstellung, Bearbeitung<br />
und Preis ein anderer bestimmte, der damit ebenfalls<br />
Geld verdienen wollte. In diesen Gesellschaftsverhältnissen<br />
gewann Kinderarbeit eine neue strategische Qualität. Sie diente<br />
dem Druck auf den Lohn der Erwachsenen, die selbst kaum<br />
Möglichkeiten hatten, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.<br />
Kinderarbeit im Fabriksystem<br />
In der entstehenden Industrie und im Gewerbe wurden Kinder<br />
für verschiedenste Aufgaben eingesetzt – beim Raddrehen<br />
an Maschinen, an Spinnmaschinen, beim Töpfern, Kleiderrupfen,<br />
im Bergbau als Grubenpferdeführer, Kohlenschlepper,<br />
Lorenzieher und Öffner für Wettertüren. Schilderungen >><br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
31
Agenda<br />
Im April 1908 fotografierte Lewis Hine<br />
diese Kinder, die nachts in einer Glasfabrik<br />
in Indiana arbeiteten.<br />
und Abbildungen dieser Kinderarbeit kamen nun vermehrt<br />
an die Öffentlichkeit, nicht weil es vorher keine Kinderarbeit<br />
gab, sondern weil die neuen Erwerbszweige und -methoden<br />
den Grundbesitzern und traditionellen Gewerbetreibenden<br />
ein Dorn im Auge waren. Sie versorgten die einschlägigen<br />
Untersuchungskommissionen in England, das in der Industrialisierung<br />
voranging, mit Zeugenaussagen, Bildern und<br />
entsprechenden moralischen Bewertungen, die dann Eingang<br />
fanden in zahlreiche Publikationen, unter anderem in Karl<br />
Marx’ „Das Kapital“.<br />
Kinderarbeit erschien vielfach als notwendig, als angemessener<br />
Einsatz körperlich kleiner Arbeiter, weil die Flöze und Gänge<br />
niedrig waren, der Platz unter den Maschinen beschränkt, die<br />
Nische hinter den Wettertüren winzig. Aber die allmähliche<br />
Durchsetzung eines Verbots der Kinderarbeit in den Fabriken<br />
zeigt, dass nicht die technischen Bedingungen über den Einsatz<br />
der Kinder entschieden, sondern deren geringer Preis.<br />
Bekannt sind die Abbildungen der Spinnmaschinen aus England,<br />
unter denen Kinder die herabfallenden Fasern fortschaffen.<br />
Im Museum of Science and Industry in Manchester lässt sich<br />
an bewegten Maschinen nachvollziehen, welchen Gefahren<br />
diese Kinder ausgesetzt waren: Beim Vorlauf der transmissionsgetriebenen<br />
Maschinengestelle, bei denen der Vorfaden<br />
durch Drehen gesponnen wurde, krochen sie unter die ausgespannten<br />
Fäden, fegten die ölverschmierten Baumwollfasern<br />
zusammen und mussten sich sehr beeilen, darunter wieder<br />
herauszukommen, weil in zwei bis drei Sekunden die Spulenreihe<br />
zurückfuhr und den gesponnenen Faden aufwickelte.<br />
Schafften sie es nicht, wurden sie zwischen heranrasender<br />
Maschinenreihe und Maschinengestell zerquetscht – ein<br />
Grund, warum für diese Tätigkeit vor allem Waisenkinder<br />
eingesetzt worden sein sollen. Dies waren meist Kinder, für<br />
deren Unterhalt die Eltern nicht mehr aufkommen konnten<br />
und die deshalb gegen Zahlung von Geld in Armen- und<br />
Waisenhäuser gegeben wurden – also nicht immer Waisen<br />
im eigentlichen, heutigen Sinne.<br />
Doch nicht nur die niederkonkurrierten Gewerbetreibenden<br />
schürten die Empörung gegen die Kinderarbeit, auch die<br />
entstehende bürgerliche Aufklärungsbewegung und die<br />
Arbeiterbewegung wollten die Konkurrenz durch niedrig<br />
bezahlte Arbeitskräfte einschränken. Auf diesen Prozess reagierte<br />
der Staat mit einer bis zum Ende des 19. Jahrhunderts<br />
charakteristischen Kombination aus moderater Gewerbeeinschränkung<br />
und gleichzeitiger Unterdrückung derjenigen<br />
Handwerker-, Gewerbetreibenden- und Arbeiterorganisationen,<br />
die den Schutz ihrer Interessen in Selbstorganisation<br />
übernehmen wollten. Der Staat fürchtete so sehr, dass Untertanen<br />
und Bürger sich organisierten, dass er den Schutz<br />
des Arbeiternachwuchses vor der physischen Ruinierung<br />
durch Einzelunternehmer selbst übernahm – allerdings in<br />
äußerst zögerlicher Weise.<br />
Eine Rolle spielte dabei, welche Zeit und welche Bedingungen<br />
die Kinder brauchten, um für die neu entstehende<br />
Gesellschaft zu lernen und mit dem Erlernten in Zukunft<br />
Arbeit zu bekommen. Im 18. und 19. Jahrhundert musste<br />
ein Kind bedeutend mehr lernen als in den Jahrhunderten<br />
32 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Kinderrechte<br />
zuvor. Lesen und Schreiben war nicht mehr auf höhere Kreise<br />
beschränkt. Die sich explosionsartig ausbreitende Lesekultur<br />
des 18. Jahrhunderts zeigt, dass rasch viel mehr Menschen<br />
lesen konnten.<br />
Umdenkenn wegen soldatischer Untauglichkeit<br />
Ein Argument, das den Staat auf seine Schutzaufgabe hinwies,<br />
hatte eine besondere Wirkung: nämlich die Erfahrung, dass zu<br />
frühe und intensive Fabrikarbeit die Menschen derart zerstörte,<br />
dass sie nicht mehr als Soldaten taugten. Sowohl in England<br />
als auch in Preußen war der Anteil für den Militärdienst<br />
Untauglicher in den industriellen Provinzen höher als in den<br />
ländlichen Bezirken. Dieser Unterschied war sicher nicht nur<br />
durch die krankmachende Arbeit bedingt, sondern ebenso<br />
durch die schlechten Wohn- und Ernährungsverhältnisse.<br />
Ausgehend von der Auseinandersetzung in England ist die<br />
Arbeit von Kindern in Fabriken zunehmend eingeschränkt<br />
worden, beispielsweise in Preußen durch das Regulativ vom<br />
9. März 1839 durch Friedrich Wilhelm III. (1770–1840). In<br />
der Vorbereitung dieses Regulativs wies der federführende<br />
preußische Generalleutnant Wilhelm von Horn nachdrücklich<br />
auf die Gefahr der Zerstörung der Rekrutierungsgrundlage<br />
der Armee hin.<br />
Schaut man sich das entstandene Regulativ an, so stellt sich<br />
heraus, dass die soldatische Untauglichkeit zwar ein gutes<br />
politisches Argument, aber nicht der eigentliche Grund für<br />
das staatliche Handeln war. Der entstehende Nationalstaat<br />
hatte nämlich ein Loyalitätsproblem, dem der Schulunterricht<br />
unter staatlicher Kontrolle abhelfen sollte. Bisherige Reichsformen<br />
hatten immer auf die Gefolgschaft der Bevölkerung<br />
gegenüber den Landbesitzern und einer schwachen übergeordneten<br />
Regierungsinstanz gebaut. Mit der Entstehung<br />
des Nationalstaates musste dieser auch dafür sorgen, dass<br />
die Loyalität vor allem dem Staat und nicht mehr (nur) dem<br />
Grundherrn galt.<br />
Anfänge schulischer Bildung<br />
Im ersten preußischen Regulativ zur Kinderarbeit ging es<br />
hauptsächlich um das Verhältnis von Erwerbsarbeit und schulischer<br />
Erziehung. Das Regulativ bestimmte, dass niemand „vor<br />
zurückgelegtem neunten Lebensjahr“ in einer Fabrik oder bei<br />
Berg-, Hütten- und Pochwerken zu einer regelmäßigen Beschäftigung<br />
angenommen werden durfte. Das Verbot wurde auf 16<br />
Jahre ausgedehnt, wenn ein Kind keinen schulischen Nachweis<br />
vorlegen konnte, dass es „seine Muttersprache geläufig lesen<br />
kann und einen Anfang im Schreiben gemacht hat“. Auch<br />
für Kinder, die „noch nicht einen dreijährigen regelmäßigen<br />
Schulunterricht genossen“ hatten, galt das verlängerte Verbot.<br />
Ausnahmen davon waren möglich, wenn „die Fabrikherren<br />
durch Errichtung und Unterhaltung von Fabrikschulen den<br />
Unterricht der jungen Arbeiter sichern“.<br />
Fabrikschulen des Unternehmens selbst, die diesen Unterricht<br />
anboten, waren in den Folgejahrzehnten heftig umstritten,<br />
weil die Schulinspektoren feststellten, dass die Erwerbsarbeit<br />
der Kinder im Vordergrund stand und nicht der Unterricht.<br />
Ein Ergänzungsgesetz von 1853, das 1869 in die Gewerbeordnung<br />
des Norddeutschen Bundes und 1878 in die Gewerbeordnung<br />
des Deutschen Reiches übernommen wurde, hob die<br />
Altersgrenze auf zwölf Jahre an und beschränkte die erlaubte<br />
Höchstarbeitszeit auf zunächst zehn Stunden, später auf sechs<br />
Stunden für Kinder ab zwölf Jahren. Wohlgemerkt, all das<br />
galt für Kinderarbeit in Fabriken – ein Kinderschutzgesetz<br />
für Heimarbeit gab es im Deutschen Reich erst 1903 und ein<br />
Verbot der Kinderarbeit in der Landwirtschaft in der Bundesrepublik<br />
erst 1960.<br />
Ein gesetzliches Verbot der Kinderarbeit bedeutet natürlich<br />
nicht, dass sich alle daran gehalten hätten. Nach dem Regulativ<br />
von 1839 waren die nächsten Jahrzehnte bestimmt<br />
von der Auseinandersetzung um die mangelnde Kontrolle<br />
des Verbotes in den Fabriken und von Klagen, dass die<br />
Altersgrenze zu niedrig sei und Kinderarbeit den Schulunterricht<br />
erheblich beeinträchtige. Die Lehrer stellten fest,<br />
dass die Kinder vor und nach dem Schulunterricht und in<br />
den Ferien arbeiten mussten und häufig zu erschöpft und<br />
müde waren, um dem Unterricht zu folgen oder mit Freude<br />
erfolgreich zu lernen.<br />
Tatsächlich besuchten in den 1870er Jahren 90 Prozent der<br />
Schulpflichtigen in Preußen die Schule, 1880 waren es fast<br />
100 Prozent. Als die Schulpflicht durchgesetzt war und Kinder<br />
nicht mehr in großem Ausmaß in der Industrie arbeiteten,<br />
wichen die Fabrikanten auf Heimarbeit aus. Verlags- und<br />
Heimarbeit in der Familie schloss immer auch die Kinder ein,<br />
die vor und nach der Schule mithalfen – und diese Form der<br />
Kinderarbeit ließ sich noch viel schwieriger kontrollieren als<br />
die Arbeit in einer zentralisierten Fabrik.<br />
Als nach einer ersten Phase der Industrialisierung 1872 die<br />
Volksschule als allgemeine öffentliche Staatsanstalt Gestalt<br />
annahm, wurden die Schulpflicht und die Einschränkung<br />
ausgedehnter Kinderarbeit verbindlicher. Die Lehrer der<br />
Volksschulen registrierten aber bis über die Jahrhundertwende<br />
hinaus, dass Schulkinder durch Erwerbsarbeit vor und nach<br />
der Schule und an schulfreien Tagen zum Familienunterhalt<br />
beitragen mussten. Zahlreiche Erinnerungen an die Kindheit<br />
von Arbeiterinnen und Arbeitern um 1900 durchzieht wie<br />
ein roter Faden der Wunsch: „Einmal ausschlafen können!“<br />
Facharbeit und Berufsschule<br />
Aus dieser Erfahrung heraus beteiligten sich die Lehrer der<br />
Volksschulen um die Jahrhundertwende an Erhebungen über<br />
die Lage ihrer Schülerinnen und Schüler. Dies unternahmen<br />
sie teilweise auch gegen ausdrückliches Verbot, wie etwa in<br />
Österreich, dessen Regierung offenbar über die Wirksamkeit<br />
oder Unwirksamkeit ihrer Schutzgesetzgebung gar nichts<br />
wissen wollte. Der Druck der Arbeiterbewegung, aber ebenso<br />
von Lehrern und Industriellen, die schulisch ausgebildete<br />
Arbeiter brauchten, führte 1903 im Deutschen Reich zu einer<br />
Altersgrenze von zehn Jahren bei Heimarbeit.<br />
Aber Inhalt und auch Dauer der Schulzeit mussten sich ändern<br />
und damit das Schutzalter der Kinder. Ein bisschen Lesen,<br />
Schreiben, Rechnen und Gehorsam reichte nicht mehr >><br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
33
Agenda<br />
aus für eine fachlich qualifizierte Anstellung in Industrie und<br />
Gewerbe: Durch die neue Arbeitsteilung in den Betrieben<br />
kamen schriftliche Anweisungen, präzise mathematische<br />
Vorgaben und Zeichnungen vermehrt zum Einsatz. Entsprechend<br />
musste die Ausbildung der Kinder und Jugendlichen<br />
den Erfordernissen der Zeit angepasst werden. Die neue<br />
Berufsgruppe der Ingenieure hatte begonnen, Maschinen<br />
und Anlagen nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten zu<br />
erforschen, und die „wissenschaftliche Betriebsführung“ setzte<br />
die Ergebnisse dieser Forschung in Arbeitsanweisungen um,<br />
die das handwerkliche Wissen der Facharbeiter ergänzten<br />
und erweiterten.<br />
Die Reform der gewerblichen Bildung, die in <strong>Deutschland</strong><br />
mit dem Namen Georg Kerschensteiner (1854–1932) verbunden<br />
ist, machte die Ausbildung durch Arbeit, die Lehre,<br />
zum Gegenstand pädagogischer Bemühungen. Nach der<br />
Revolution von 1918 / 1919, im gemeinsam von Arbeitgebern<br />
und Arbeitnehmern getragenen dualen Ausbildungssystem,<br />
wurde ein Tag in der Woche für die Berufsschule reserviert.<br />
Die Lehre durch die Arbeit im Betrieb sollte ergänzt, erweitert<br />
und durch in der Schule erworbene theoretische Kenntnisse<br />
fundiert werden, um Facharbeiter auszubilden, die nicht nur<br />
über betriebsspezifische Kenntnisse verfügten, sondern den<br />
dauernden Veränderungen des Berufes gewachsen waren.<br />
Schluss<br />
Als Anfang des 20. Jahrhunderts in den industrialisierten Ländern<br />
Verbote der Kinderarbeit erlassen worden waren, lebte<br />
und arbeitete die große Mehrheit der Weltbevölkerung noch<br />
auf dem Land. Viele Menschen waren erst am Rande vom Markt<br />
berührt und ernährten sich von dem, was sie anbauten. Heute<br />
lebt ein Großteil der Weltbevölkerung in Städten und kann<br />
den Lebensunterhalt nicht mehr selbst pflanzen und ernten,<br />
sondern muss ihn durch Erwerbsarbeit verdienen.<br />
Dieser Wechsel von der Selbstversorger- zur Erwerbsarbeit<br />
führte im 18. und 19. Jahrhundert zu einer Ausdehnung der<br />
Kinderarbeit, die deren Gesundheit und Existenz gefährdete.<br />
Im Unterschied zur Situation im 19. Jahrhundert sind heute<br />
die Rechte der Menschen global anerkannt – und das heißt<br />
auch die Rechte der Kinder auf eine Entwicklung, die nicht<br />
durch ausbeuterische Arbeit verhindert, blockiert oder vereitelt<br />
werden darf.<br />
Staat, Industrie und Gewerbe entwickelten ebenfalls in einem<br />
sehr zögerlichen Prozess ein Interesse am lebenslangen<br />
Erhalt der Arbeitskraft und an einer schulischen Ausbildung<br />
der Mehrheit der Bevölkerung, um diese umfassend auf das<br />
Arbeitsleben vorzubereiten. Berufsausbildung musste loyale<br />
und arbeitsfähige Staatsbürger hervorbringen, durfte nicht<br />
betrieblich verengt sein, um Betriebswechsel zu ermöglichen,<br />
und Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln, die ein Leben<br />
lang den Veränderungen der Arbeit in Industrie und Gewerbe<br />
nachfolgen konnten. Ein Verschleiß der Menschen durch zu<br />
frühe Erwerbsarbeit entsprach nicht diesen langfristigen Zielen.<br />
Als Ergebnis des Kampfes um das Verbot von ausbeuterischer<br />
Kinderarbeit in Europa sollte heute jedem Beteiligten weltweit<br />
bewusst sein, dass es Unrecht ist, Kindern eine zukunftszerstörende<br />
Erwerbsarbeit aufzuzwingen.<br />
Über den Autor<br />
Dr. Jürgen Bönig ist Kurator im Museum der Arbeit in Hamburg.<br />
Erstveröffentlichung in APuZ Aus Politik und Zeitgeschichte,<br />
62. Jahrgang, 43/2012 22. Oktober 2012, S. 3-9.<br />
34 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Kinderrechte<br />
Kinderrechte<br />
in CSR-Reporting integrieren<br />
Kinderrechte werden nur dann langfristig verbessert und geschützt, wenn alle Verantwortlichen<br />
das Thema zur regelmäßigen Aufgabe machen. Für Unternehmen stellt sich hier die Frage, wie<br />
sich die Rechte von Kindern in die herkömmlichen Managementabläufe und in die CSR-Berichterstattung<br />
integrieren lassen. Unter Federführung von UNICEF entstehen derzeit Handbücher<br />
und Regelwerke, die explizit Standards wie die der <strong>Global</strong> Reporting Initiative (GRI) einbeziehen.<br />
Eine Zusammenstellung von Dr. Elmer Lenzen<br />
„The Children’s Rights and Business Principles“ ist eine im März<br />
2012 gestartete gemeinsame Initiative von UNICEF, Save the<br />
Children und dem UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>. Ziel ist es, ein Umfeld<br />
und Regeln zu schaffen, in welchem man von Unternehmen<br />
erwarten kann, dass sie die Rechte der Kinder im Rahmen ihrer<br />
CSR-Reports berücksichtigen. Klare Regeln und Indikatoren<br />
sollen die Reportingqualität verbessern und in ein robustes<br />
Mandat einfügen. Die aktuelle Art und Weise, mit dem Thema<br />
umzugehen, ist nach Ansicht der Autoren – mit wenigen<br />
Ausnahmen – deutlich unterentwickelt. Insbesondere kritisieren<br />
sie bei der CSR-Berichterstattung folgende Trends und<br />
Lücken bei der Thematisierung von Kinderrechten:<br />
• Eine Überbetonung der Philanthropie,<br />
• Fehlende Diskussion und Systematisierung der Probleme<br />
und Auswirkungen,<br />
• Mangelnde Berichterstattung über politische Aspekte,<br />
• Mangel an Ausgewogenheit in der Berichterstattung (es<br />
überwiegt eine positive Berichterstattung, Probleme werden<br />
kaum adressiert),<br />
• Wenn sie überhaupt erfolgt, dann thematisiert die CSR-<br />
Berichterstattung bei Kinderrechten Richtlinien und Prozesse,<br />
aber nicht deren Einhaltungsgrad und Leistungen.<br />
Tab. 1 : Empfohlene MaSSnahmen zur<br />
Integration von Kinderrechten<br />
Unternehmensziel<br />
Strategische<br />
Verpflichtung<br />
Risikoüberprüfung:<br />
kinderspezifische<br />
Folgenabschätzung<br />
Maßnahme oder<br />
Indikator<br />
Menschenrechtsstrategie<br />
mit expliziter Nennung<br />
von Kinderrechten<br />
Teilstrategie oder<br />
Verhaltenskodex für<br />
Kinderrechte<br />
Folgenabschätzung<br />
bildet detailliert Kinderrechte<br />
ab<br />
Folgenabschätzung zieht<br />
aussagekräftige Rücksprachen<br />
mit Kindern<br />
hinzu<br />
Anmerkung<br />
Unterscheidung<br />
zwischen<br />
Jungen und<br />
Mädchen<br />
Integration von Kinderrechten<br />
Menschenrechtspolitik, sofern sie sich auf Kinder bezieht,<br />
reduziert sich oft nur auf die Verhinderung von Kinderarbeit.<br />
Wenn Unternehmen über Menschenrechte im Zusammenhang<br />
mit Due Diligence – also über ihre Sorgfaltspflicht – berichten,<br />
heben sie in der Regel nicht Informationen über Kinder<br />
als betroffene Akteure separat hervor. Auch Beispiele, bei<br />
denen Kinder als Stakeholder aktiv berücksichtigt werden,<br />
sind mehr als selten. Die Autoren der Initiative fanden bisher<br />
kein Beispiel, bei welchem ein Unternehmen kindgerechte<br />
Prozesse beim Themenkomplex Nachbesserung (einschließlich<br />
Beschwerdemechanismen) eingeführt hat. Das heißt nicht,<br />
dass es so etwas nicht gibt, aber man findet es zumindest<br />
nicht berichterstattenswert.<br />
Folgenabschätzung:<br />
Unternehmensverantwortung<br />
Folgenabschätzung:<br />
Training und<br />
Integration<br />
Vermeidungsprozess<br />
Führungsebene mit<br />
Aufsicht über Themen zu<br />
Kinderrechten<br />
Menschenrechts-Training<br />
bildet detailliert Kinderrechte<br />
ab<br />
Zugang zu kindgerechten<br />
Beschwerde-<br />
Mechanismen<br />
Ersetzt HR 3<br />
(GRI)<br />
Ersetzt HR 11<br />
(GRI)<br />
Quelle: UNICEF (Hrsg): CSR Working Paper. Sustainability reporting on children’s<br />
rights, S. 16, Übersetzung: Sonja Scheferling, Mediengruppe macondo<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
35
Agenda<br />
Kinderrechte am Arbeitsplatz<br />
(einschließlich Lieferkette)<br />
Branchenreaktionen auf die Verletzung von Arbeitsrechten in<br />
der Lieferkette – vor allem bei freiwilligen Verhaltenskodizes<br />
und deren Überwachung – werden als zunehmend unwirksam<br />
angesehen, sogar von den Firmen selbst. Zu diesem Fazit<br />
kommen die Autoren der „The Children’s Rights and Business<br />
Principles“-Initiative. Manche Unternehmen seien sogar kontraproduktiv<br />
bei der Erfassung, Aufklärung und Verhinderung<br />
dieser Verletzungen. Menschenrechtsgruppen weisen seit vielen<br />
Jahren auf die Probleme beim Supply Chain-Monitoring hin,<br />
wie etwa doppelte Buchführung, das Trainieren der Antworten<br />
der Beschäftigten vor einer Überprüfung, und die Unfähigkeit<br />
der Wirtschaftsprüfer, weniger sichtbare Verletzungen<br />
wie Diskriminierung oder fehlende Versammlungsfreiheit<br />
überhaupt festzustellen. Wissenschaftliche Studien haben die<br />
Grenzen von Verhaltenskodizes und deren Abschlussprüfung<br />
unterstrichen, und in jüngerer Zeit haben Industrie-geführte<br />
Initiativen wie das <strong>Global</strong> Social Compliance Program (GSCP)<br />
und das Business for Social Responsibility‘s (BSR) diese Realitäten<br />
ihrerseits eingeräumt.<br />
Ein Ergebnis war daraufhin ein Schritt in Richtung Stärkung<br />
der Lieferanten bei Themen wie Personalmanagement und<br />
Management-Systemen als eine Alternative zu Compliance-<br />
Audits. Dieser Schritt kann Maßnahmen beinhalten wie etwa<br />
das Training der Werksleitung, Verbesserung von Prozessen und<br />
natürlich die Aufklärung der Arbeiter selbst, welche Rechte sie<br />
haben. Außerdem können auch die tieferliegenden Ursachen<br />
von anhaltenden Verstößen gegen Arbeitsrechte in der Lieferkette<br />
angesprochen werden. Dazu zählen etwa die eigenen<br />
Einkaufspraktiken des Unternehmens, die möglicherweise<br />
einen übermäßigen Druck auf Lieferanten ausüben, Aufträge<br />
zu erfüllen, auch wenn es dabei zu Praktiken wie erzwungene<br />
Überstunden oder den Einsatz von Kinderarbeit kommt. In<br />
diesem Zusammenhang wird von Unternehmen zunehmend<br />
erwartet, dass sie darüber berichten, was sie auch jenseits von<br />
Compliance-Audits machen, z. B. bei Qualifizierungsinitiativen<br />
für Lieferanten, Arbeiter-Weiterbildungsprogrammen sowie<br />
ob und wie Unternehmen die eigene Einkaufspolitik unter<br />
die Lupe nehmen.<br />
Der Staat ist hierbei meist keine Hilfe. Oft fehlt es an klarer<br />
Anleitung, wie man Fälle von Menschenrechtsverletzungen<br />
und die unternehmerischen Bemühungen dagegen adressieren<br />
soll. Auf der Suche, dieses Vakuum zu füllen, hat jüngst<br />
eine Publikation von institutionellen Investoren aus den<br />
USA (ICCR, CBIS und Calvert) einen jährlichen, verbindlichen<br />
Report von Unternehmen eingefordert, der die folgenden<br />
Punkte einfordert:<br />
Unternehmen sollen die gesetzliche Einhaltung von<br />
• Menschenrechts-Grundsätzen,<br />
• Due Diligence-Prozessen,<br />
• Menschenrechts-Risikobewertungen,<br />
• Prüfung und Rückverfolgbarkeit,<br />
• Training und Befähigung von Mitarbeitern, Lieferanten,<br />
Auftragnehmern und Prüfern<br />
nachweisen.<br />
Tab. 2 : Empfohlene MaSSnahmen zur<br />
Erfüllung von Kinderrechten<br />
am Arbeitsplatz: Kinderarbeit<br />
Unternehmensziel<br />
Unternehmensbeitrag<br />
zur Beseitigung von<br />
Kinderarbeit<br />
Vermeidung ist Teil<br />
des Unternehmensansatzes<br />
gegen<br />
Kinderarbeit<br />
Ganzheitlicher /<br />
systemischer Ansatz<br />
gegen Kinderarbeit<br />
Maßnahme<br />
oder Indikator<br />
Verhaltenskodex bezieht sich auf<br />
nationale Gesetze zum Mindestalter<br />
oder auf internationale Standards<br />
Managementsystem enthält robuste<br />
Mechanismen zur Überprüfung des Alters<br />
Anzahl der vom Arbeitsplatz entfernten<br />
Kinder<br />
Beteiligung an regionalen, nationalen oder<br />
industriebezogen Programmen, die sich<br />
mit Ursachen der Kinderarbeit befassen<br />
Zahl der Zulieferer, die in der Bekämpfung<br />
von Kinderarbeit geschult sind<br />
Vertraglich festgesetzte Bestimmungen,<br />
die Kinderarbeit bei Zulieferern verbieten<br />
Lohn wird ausschließlich an erwachsene<br />
Arbeitskräfte bezahlt.<br />
Durchsetzung von Kinderrechten in<br />
einem Land wird bei Beschaffungsfragen<br />
berücksichtigt.<br />
Strategie zur Vermeidung<br />
Initiativen, die den Zugang zu<br />
qualifizierter Bildung steigern<br />
Zahl der Stunden in der Schule; Wochen,<br />
die Kinder von Arbeit entfernt sind<br />
Unterstützung von gemeindebasierendem<br />
Engagement gegen Kinderarbeit<br />
Partnerschaften (mit Regierungen,<br />
NROs, etc.) oder Unterstützung für<br />
nationale Aktionspläne zur Beseitigung<br />
von Kinderarbeit<br />
Quelle: UNICEF (Hrsg): CSR Working Paper. Sustainability reporting on children’s<br />
rights, S. 24, Übersetzung: Sonja Scheferling, Mediengruppe macondo<br />
36<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Kinderrechte<br />
Tab. 3 : Empfohlene MaSSnahmen zur Erfüllung von Kinderrechten in Märkten<br />
Unternehmensziel Maßnahme oder Indikator Anmerkung<br />
Vermeidung von Risiko-Produkten /<br />
Risiko-Dienstleistungen zum Missbrauch<br />
/ zur Ausbeutung von Kindern<br />
Beseitigung der Kinderbenachteiligung<br />
durch die Bereitstellung von Produkten<br />
oder Dienstleistungen<br />
Benannte Mitarbeiter zur Implementierung einer Strategie gegen CST<br />
Angemessenes Budget zur Implementierung<br />
Kontrollen vor Ort, die sich mit Online-Missbrauch von Kindern befassen<br />
Angebote für Eltern und Kinder, die Internetmobbing bekämpfen<br />
Kontrollen, um den Gebrauch von Finanz-Instrumenten (z. B. Kreditkarten)<br />
zum Bezahlen von Kinderpornographie zu verhindern<br />
Spezielle Strategien oder Prozesse vor Ort, welche die Kinderbenachteiligung<br />
durch die Bereitstellung von Dienstleistungen beseitigen<br />
Zugang zu kindgerechten Beschwerde-Mechanismen<br />
Hotels / Tourismus<br />
Internetdienstanbieter<br />
Internetdienstanbieter,<br />
Medien<br />
Finanzbranche<br />
Verschiedene<br />
Sektoren, vor allem<br />
Konsumgüter /<br />
Dienstleistungen<br />
Anzahl der Unternehmensportfolios, in welchen das Unternehmen<br />
qualifizierte Phase-III-Studien für Kinder durchgeführt hat<br />
Anzahl an pädiatrischen Klinikstudien<br />
Maximierung des Zugangs und der<br />
Verfügbarkeit lebensnotwendiger Waren<br />
Hat ein Unternehmen in allen Ländern, in denen es Produkte verkaufen<br />
darf, eine behördliche Genehmigung für pädiatrische Medikamente<br />
ersucht / erhalten?<br />
Beteiligung in Patentgemeinschaften für Medikamente<br />
Auseinandersetzungen um Generika (Prozesse gegen Regierungen,<br />
um die Herstellung von Generika zu verhindern)<br />
Pharmaindustrie<br />
Investitionen in die Infrastruktur der Gesundheitswesen von Entwicklungsländern<br />
Ethischer / Verfahrens-Kodex für pädiatrische klinische Prüfungen<br />
Ethische Marketing-Strategie, die Kinderausbeutung durch Werbung<br />
ausschließt<br />
Sicherstellen, dass Werbung Kinder<br />
nicht negativ beeinflusst<br />
Überprüfung von Werbematerialien, um Kinderausbeutung auszuschließen<br />
Überprüfung von Maßnahmen, die Werbung an Kinder richtet und sich<br />
dabei gegen behördliche oder freiwillige Standards wendet<br />
Offenlegen von Marketingmaßmahmen für Muttermilch-Ersatzartikel in<br />
allen Ländern<br />
Anzahl der Unternehmensprodukte, die den Richtlinien für Kinderwerbung<br />
genügen<br />
GRI-Indikator PR6<br />
kann modifiziert<br />
oder ersetzt werden,<br />
um einige Aspekte<br />
abzudecken<br />
Einsatz von Marketing-Maßnahmen, die<br />
einen gesunden Lebensstil fördern<br />
Veränderung (+/-) der Anzahl von beworbenen gesunden Lebensmitteln<br />
Einsatzbeschränkung für lebende Persönlichkeiten oder<br />
Comic-Charaktere<br />
Verbot von Werbung in Schulen<br />
Festgesetztes Minimumalter von 8 Jahren für Werbung<br />
Quelle: UNICEF (Hrsg): CSR Working Paper. Sustainability reporting on children’s rights, S. 31, 35, Übersetzung: Sonja Scheferling, Mediengruppe macondo<br />
>><br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
37
Agenda<br />
Verbraucher<br />
Verbraucheraspekte sind eine bewusst breit angelegte Kategorie<br />
innerhalb der „The Children’s Rights and Business Principles“.<br />
Dazu zählen etwa Fragen zur Produktsicherheit und Kindgerechtheit,<br />
zur Privatsphäre, zu Marketing, Werbung und<br />
Kennzeichnung und natürlich Fragen zur Kontrolle des Zugangs<br />
zu Produkten und Dienstleistungen, die für Kinder verboten<br />
sind. Hierzu allgemeingültige Aussagen und Empfehlungen zu<br />
machen, ist schwierig, und die Autoren erkennen keine klaren<br />
Trends und Berichterstattungsniveaus. Drei kritische Felder<br />
müssen hier dennoch besonders hervorgehoben werden: Die<br />
Pharma-Industrie und das Recht von Kindern auf Gesundheit,<br />
die Lebensmittel- und Getränke-Werbung für Kinder und der<br />
Online-Schutz von Kindern.<br />
Ein komplexer, aber integraler Bestandteil der unternehmerischen<br />
Auswirkungen auf Kinderrechte vor allem bei<br />
Verbraucherthemen ist das Lobbying. Investoren und zivilgesellschaftliche<br />
Organisationen heben die wachsende<br />
Einflussnahme von Firmen auf die Politik seit der Mitte der<br />
2000er-Jahre hervor.<br />
Insbesondere in den USA wächst die Sorge, wie Firmen Einfluss<br />
auf Politik und Gesetze nehmen. Die Furcht hat zugenommen,<br />
seitdem 2010 der Oberste Gerichtshof in einem Urteil<br />
„Citizens United“ beschloss, dass Unternehmen die gleichen<br />
Rechte auf politische Teilhabe haben wie Privatpersonen,<br />
und das Höchstmaß für Parteispenden aufhob.<br />
Über den Autor<br />
Dr. Elmer Lenzen, Mediengruppe macondo, ist Herausgeber der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
Jahrbücher <strong>Deutschland</strong> und International.<br />
38<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Kinderrechte<br />
Publikationen zum Thema Kinderrechte<br />
How Business Affects Us: A Report<br />
of Children’s Consultations, Children’s<br />
Rights and Business Principles<br />
(UNICEF, UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> and<br />
Save the Children, 2011)<br />
http://www.unglobalcompact.org/<br />
docs/issues_doc/human_rights/CRBP/<br />
How_Business_Affects_Us.pdf<br />
Scoping document for general<br />
comment by the UN committee<br />
on the rights of the child regarding<br />
child rights and the business sector<br />
(CRC, 2011)<br />
http://www.unicef.org/csr/css/<br />
Scoping_document_15Dec2011.pdf<br />
Financial Literacy:<br />
Empowering Children and Paving<br />
the Way for the Future<br />
(UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>, Child &<br />
Youth Finance International, <strong>2013</strong>)<br />
http://www.unglobalcompact.org/<br />
docs/issues_doc/human_rights/<br />
CRBP/Financial_Literacy.pdf<br />
Children are Everyone’s<br />
Business<br />
(UNICEF Pilot Workbook,<br />
<strong>2013</strong>)<br />
http://www.unicef.org/csr/css/<br />
CSR_Workbook_A4_LR_low_res.pdf<br />
Policy Brief: Shared Value – How<br />
can large businesses contribute to<br />
the post-2015 agenda<br />
(Save the Children, 2012)<br />
http://www.savethechildren.org.uk/<br />
sites/default/files/docs/<br />
Shared_value.pdf<br />
Employers’ and Workers’<br />
Handbook on Hazardous<br />
Child Labour<br />
(ILO, 2011)<br />
http://www.ilo.org/public/english/<br />
dialogue/actemp/downloads/<br />
projects/cl_handbook.pdf<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
39
Agenda<br />
40 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
CSR in NRW<br />
CSR in<br />
Nordrhein-<br />
Westfalen<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
41
Agenda<br />
Gesellschaftliche Verantwortung<br />
zwischen Rhein und<br />
Ruhr<br />
Von Riccardo Wagner und Marcus Eichhorn<br />
Noch vor wenigen Jahren wäre es ein Bild mit Seltenheitswert<br />
in der CSR-Welt gewesen: Die Düsseldorfer Rheinterrassen bis<br />
an den Rand gefüllt mit Besuchern, und mehr als zehn Diskutanten<br />
drängten auf die Bühne, sodass ein zweites Podium<br />
zum Fuße der Hauptbühne eröffnet werden musste.<br />
Der Anlass? Garrelt Duin (SPD), Minister für Wirtschaft, Energie,<br />
Industrie, Mittelstand und Handwerk des Landes NRW, hatte<br />
im Oktober <strong>2013</strong> zum CSR Summit geladen. Das gewünschte<br />
Signal war klar: In NRW ist CSR keine Mode, sondern traditionell<br />
fest in der Wirtschaft verankert. Und so schwor er in<br />
seiner Eingangsrede die Anwesenden auf die Formel des Tages<br />
ein: „Verantwortliches Unternehmertum stärkt den Standort<br />
NRW und <strong>Deutschland</strong>“.<br />
Duin: „Diese mit dem Begriff der ‚Corporate Social Responsibility’<br />
umschriebenen Anforderungen an Unternehmen sind<br />
kein Sahnehäubchen für konjunkturell gute Zeiten. Sie sind<br />
ein Grundpfeiler des Selbstverständnisses von Unternehmen<br />
in Nordrhein-Westfalen und in <strong>Deutschland</strong>.“<br />
Verantwortung mit Tradition<br />
Nordrheinwestfälische Industriemagnaten wie Alfred Krupp<br />
prägten bereits im 19. Jahrhundert das Ideal des Ehrbaren<br />
Kaufmannes. So baute Krupp als einer der ersten Unternehmer<br />
eigene Wohnungen für seine Mitarbeiter und sorgte mit<br />
einer Krankenversicherung für die rudimentäre Absicherung<br />
der betroffenen Familien. Gemäß dem Motto „Der Zweck der<br />
Arbeit muss das Gemeinwohl sein“ führte auch sein Sohn,<br />
Friedrich Alfred Krupp, die Firmenphilosophie weiter und<br />
prägte damit ganze Generationen von Unternehmern und<br />
auch die öffentliche Meinung.<br />
Nicht umsonst verbindet sich heute mit dem Schlagwort „rheinischer<br />
Kapitalismus“, als Ausdruck einer sozial orientierten<br />
Marktwirtschaft, der Gegenentwurf zum angelsächsischen,<br />
liberalen Marktmodell. Der französische Wirtschaftswissenschaftler<br />
Michel Albert prägte in den 1990er Jahren diesen<br />
Begriff zur Beschreibung eines wirtschaftlichen Zusammenlebens,<br />
das von engen Sozialpartnerschaften, Verflechtungen<br />
und Kooperationen gezeichnet ist.<br />
Neue Herausforderungen<br />
Längst gilt es aber nicht mehr, nur soziale Herausforderungen<br />
in Form existenzieller Absicherung zu meistern. NRW, als das<br />
mit über 17 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichste und<br />
mit einem BIP von mehr als 580 Milliarden Euro ebenfalls<br />
wirtschaftlich stärkste Bundesland, blickt auf eine bewegte<br />
Wirtschaftsgeschichte mit fundamentalen Strukturänderungen<br />
zurück. Der Wandel von der montan- und schwerindustriell<br />
geprägten Wirtschaft zum modernen Industrie-, Technologie-,<br />
Dienstleistungs- und Forschungsstandort ist längst noch nicht<br />
abgeschlossen. Ebenso machen Herausforderungen wie der<br />
demografische Wandel, der Klimawandel, der Verlust von<br />
Biodiversität, Ressourcenknappheit und Energiewende keinen<br />
Halt vor NRW.<br />
Die Inanspruchnahme der Unternehmen und der Appell an<br />
ihre gesellschaftliche Verantwortung kommen daher nicht von<br />
ungefähr. Längst haben Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft<br />
erkannt, dass allein die effektive, trisektorale Kooperation und<br />
die transparente und verbindliche Verantwortungsübernahme<br />
aller Beteiligten der einzig wirkungsvolle Weg sein wird,<br />
um diese großen Themen zu sinnvollen Lösungen zu führen.<br />
Politische Signale<br />
Mit der Verankerung von CSR im Koalitionsvertrag der Rot-<br />
Grünen-Landesregierung wurde 2012 ein wichtiges Signal<br />
gesetzt. Sie möchte damit – nach eigenem Bekunden – verantwortlich<br />
wirtschaftende Unternehmen in ihrer Vorbildrolle<br />
stärken, Anreize zur Übernahme gesellschaftlicher Verant-<br />
42<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
CSR in NRW<br />
Zum Kabinett der Landesregierung Nordrhein-Westfalen gehören neben der Ministerpräsidentin Hannelore Kraft auch zwölf Ministerinnen und<br />
Minister an. Sie entscheiden über Gesetzesvorlagen, Leitlinien der Regierungsarbeit, wichtige landespolitische Vorhaben sowie bedeutende<br />
administrative und personelle Angelegenheiten.<br />
wortung und Unterstützung bei der Umsetzung von CSR in<br />
Branchen und Regionen leisten sowie CSR-Kooperationen<br />
zwischen Hochschulen und Unternehmen stärken.<br />
Einen praktischen Anreiz hat die Landesregierung mit der Verabschiedung<br />
des Tariftreue- und Vergabegesetztes TVgG-NRW<br />
im Mai <strong>2013</strong> gesetzt. Es soll für fairen Wettbewerb und die<br />
Einhaltung von Tarifen und Sozialstandards bei der Vergabe<br />
von öffentlichen Aufträgen sorgen. Festgelegt ist hier u.a. ein<br />
Mindestlohn von 8,62 Euro – der auch für Leiharbeiter gilt.<br />
Zudem wurden weitere Anforderungen z. B. zur Frauen und<br />
Familienförderung integriert.<br />
Doch auch für die eigene Politik möchte sich die Landesregierung<br />
mit dem Beschluss der Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie<br />
NRW klare Leitplanken für die Arbeit<br />
setzen. Die Strategie soll nach eigenen Aussagen ökologische<br />
Verantwortung, ökonomische Vernunft und soziale Gerechtigkeit<br />
miteinander verknüpfen. Die bereits verabschiedeten<br />
Eckpunkte der Strategie, die bis zum Jahr 2015 ausgearbeitet<br />
werden soll, sind:<br />
• Grüne & faire Wirtschaft<br />
• Soziales<br />
• Klimaschutz und Klimaanpassung<br />
• Mobilität<br />
• Biodiversität<br />
• Fläche<br />
• Eine Welt<br />
• Bildung für nachhaltige Entwicklung<br />
So sollen Themen wie Ressourceneffizienz, Kreislaufwirtschaft,<br />
regionale Wertschöpfung, Menschenrechte, Sozial- und Öko-<br />
Standards, CO 2<br />
-Reduktion (25 Prozent bis 2020, 80 Prozent bis<br />
2050), Verkehrs- und Logistikkonzepte, Renaturierung von<br />
Lebensräumen (45 Prozent der 43.000 Tier- und Pflanzenarten<br />
in NRW sind gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits<br />
ausgestorben) Eingang in die Tagespolitik finden.<br />
Dass es mit der Umsetzung des Nachhaltigkeitsprinzips noch<br />
ein weiter Weg sein wird, macht LAG 21 Geschäftsführer<br />
Dr. Klaus Reuter deutlich: „Obwohl wir viele ermutigende<br />
Ansätze beschreiben können, steht auch zwanzig Jahre nach<br />
Rio ein Agenda 21-Mainstreaming noch aus.“<br />
So zeigte sich im Rahmen einer Studie der LAG 21, dass 57<br />
Prozent der befragten 182 Kommunen und Kreise über einen<br />
entsprechenden Agenda-Beschluss verfügen und 34 Prozent<br />
über eine Energie- und Klimaschutzstrategie. Zusätzliches<br />
Personal oder Sachmittel zur Umsetzung stellt dafür nicht<br />
einmal jede zweite Kommune oder Kreis zur Verfügung.<br />
Entwicklungspotenzial vorhanden<br />
Die 396 Kommunen des Landes NRW sind damit zwar auf<br />
dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit, doch vor allem in Sachen<br />
Transparenz und Kommunikation ist noch erhebliches Potenzial<br />
vorhanden. Auf Landesebene liegt hier zumindest<br />
ein umfassender Umweltbericht vor, der auf gut 140 Seiten<br />
ausführlich alle relevanten Themen darlegt. Im Bereich der<br />
Kommunalverwaltung sucht man eine Nachhaltigkeits- >><br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
43
Agenda<br />
berichterstattung jedoch meist vergebens. So hat der Kreis<br />
Unna gemeinsam mit seinen zehn Städten und Gemeinden<br />
als eine der ersten Kommunen in NRW <strong>2013</strong> seinen ersten<br />
Nachhaltigkeitsbericht veröffentlicht. Auf 75 Seiten werden<br />
dort für die Handlungsfelder Bildung, Wirtschaft, Fläche,<br />
Klima und Mobilität insgesamt 40 Ziele für die Entwicklung<br />
der nächsten Jahre formuliert und Auskunft über den Status<br />
quo gegeben. Bleibt abzuwarten, wie schnell dieses Vorhaben<br />
Schule macht – angesichts der knappen Ressourcen darf man<br />
hier vermutlich nicht allzu euphorisch sein.<br />
CSR in der Unternehmensstrategie<br />
Dass VerANTWORTung eng mit Antwort-geben, also Dialog,<br />
Kommunikation und Transparenz zu tun hat, ist auf der Unternehmensseite<br />
inzwischen ein Allgemeinplatz – zumindest<br />
bei den Großunternehmen des Landes. Mit den umsatzstärksten<br />
Unternehmen, wie den Versorgern E.ON, RWE und Deutsche BP,<br />
den Einzelhandelskonzernen Metro, REWE, ALDI (Süd / Nord),<br />
dem Telekommunikationsdienstleister Deutsche Telekom,<br />
dem Logistikdienstleister Deutsche Post, dem Maschinen- und<br />
Anlagenbauer ThyssenKrupp und dem Chemieriesen Bayer,<br />
verfügt NRW nicht nur über wichtige Leuchttürme der deutschen<br />
Wirtschaft, sondern auch über eine ganze Reihe von<br />
Unternehmen, die zu den Vorreitern des CSR-Managements<br />
in <strong>Deutschland</strong> zählen.<br />
Nicht zu vergessen: die zahlreichen familiengeführten Traditionsunternehmen,<br />
die mitunter weltweit agierende Konzerne<br />
sind und seit vielen Jahrzehnten für Nachhaltigkeit und faires<br />
Wirtschaften stehen, wie zum Beispiel der Oetker-Konzern<br />
oder Hausgerätehersteller Miele, der seine Qualitätsstrategie<br />
vor allem auf der Motivation und Loyalität seiner Mitarbeiter<br />
auf baut und seit Jahren mit einer Fluktuationsrate von circa<br />
einem Prozent Maßstäbe setzt.<br />
CSR im Mittelstand – ein zartes Pflänzchen<br />
Von der Wirtschaft NRWs zu sprechen und dabei nur große<br />
Namen im Blick zu haben, wäre jedoch ein Fehler – denn<br />
von den insgesamt gut 750.000 Unternehmen in NRW sind<br />
mehr als 99 Prozent sogenannte kleine und mittelständische<br />
Unternehmen. Nach Definition der EU sind dies Unternehmen<br />
mit weniger als 250 Mitarbeitern und weniger als<br />
50 Mio. Euro Jahresumsatz. Von den 1, 3 Billionen Euro Umsatz<br />
aller Unternehmen in NRW im Jahr 2012 entfielen gut<br />
34 Prozent, beinahe 500 Milliarden, auf die KMU des Landes,<br />
dabei stellen sie mit über 3 Millionen mehr als die Hälfte aller<br />
sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätze. Wer also von<br />
der Wirksamkeit der Unternehmensverantwortung für den<br />
Standort NRW spricht, muss vor allem auch diese Unternehmen<br />
erreichen. Aus diesem Grund hat die Bundesregierung<br />
im Jahr 2011 das Projekt Unternehmensverantwortung im<br />
Eckpunkte einer Nachhaltigkeitsstrategie<br />
für Nordrhein-Westfalen<br />
Die Landesregierung hat die Nachhaltigkeit zu einem Leitprinzip<br />
erklärt. Nachhaltigkeit wird dabei als Verbindung von<br />
sozialer Gerechtigkeit und ökonomischer Vernunft mit ökologischer<br />
Verantwortung verstanden. Das Leitprinzip Nachhaltigkeit<br />
steht in engem Zusammenhang mit der Politik der<br />
Prävention. Auf dieser Grundlage hat die Landesregierung<br />
am 12.11.<strong>2013</strong> „Eckpunkte einer Nachhaltigkeitsstrategie für<br />
NRW“ verabschiedet. Bis 2015 / 2016 soll unter Beteiligung<br />
aller Landesministerien und des Landtags sowie im Dialog<br />
mit Akteurinnen und Akteuren aus der Zivilgesellschaft,<br />
der Wirtschaft, den Kommunen und der Wissenschaft eine<br />
Landesnachhaltigkeitsstrategie erarbeitet werden.<br />
Folgende Handlungsfelder sollen im Mittelpunkt des Strategieprozesses<br />
stehen. Dabei soll, wo immer möglich, auf<br />
bestehende (ressortübergreifende) Strategien und Prozesse<br />
aufgebaut werden:<br />
• Klimaschutz<br />
• Energiewende<br />
• Nachhaltiges Wirtschaften<br />
• Schutz natürlicher Ressourcen: Biodiversität, Wald, Wasser,<br />
Flächen / Boden, nachhaltige Landbewirtschaftung, Luft, Umwelt<br />
und Gesundheit<br />
• Demografie<br />
• faire Arbeit<br />
• Integration und Interkulturalität<br />
• sozialer Zusammenhalt und gesellschaftliche Teilhabe<br />
• nachhaltige Finanzpolitik<br />
• nachhaltige Stadt- und Quartiersentwicklung<br />
• Nahmobilität<br />
• nachhaltiger Konsum / nachhaltige Lebensstile<br />
• Bildung für nachhaltige Entwicklung<br />
• Eine-Welt-Politik.<br />
44<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
CSR in NRW<br />
Mittelstand ins Leben gerufen. Von insgesamt 72 aktiven<br />
Projekten sind mehr als zwanzig Projekte in NRW beheimatet.<br />
CSR-Förderung im Mittelstand – der Grundstein ist gelegt<br />
Die NRW Projekte decken dabei ein großes regionales und<br />
inhaltliches Spektrum ab. So treibt beispielsweise die Bertelsmann<br />
Stiftung ihr bereits erfolgreich pilotiertes Projekt<br />
„Verantwortungspartner“ mit moderativer Unterstützung aus<br />
Gütersloh in bundesweit 15 Regionen voran. In NRW ist das<br />
Projekt, auch bereits vor der ESF-Förderung, in der Region<br />
Lippe vertreten. Die Stiftung ist zudem für die bundesweite<br />
Vernetzung der ESF-Projektträger zuständig.<br />
Der UPJ e.V. ist mit einem bundesweit ausgerichteten Projekt<br />
auch in NRW aktiv. Das „CSR Regio.Net“-Projekt schult und<br />
begleitet in NRW insgesamt zwölf Unternehmen über einen<br />
Zeitraum vom drei Jahren. „Im Rahmen von CSR Regio.Net<br />
bieten wir Unternehmen in mehreren Beratungstagen und<br />
Workshops eine Einführung in alle CSR-Handlungsfelder,<br />
mit dem Ziel, einen CSR-Fahrplan für den eigenen Betrieb zu<br />
erarbeiten“, erklärt Moritz Blanke, Senior Projektmanager des<br />
UPJ-Netzwerkes. „Uns und die Unternehmen begeistert vor<br />
allem, welche Motivation rund um das Thema entsteht, was<br />
sich auch darin zeigt, dass alle Unternehmen ihre Bemühungen<br />
selbstständig und dauerhaft fortsetzen werden“, so Blanke<br />
weiter. Doch für ihn ist klar: „In der Breite des Mittelstands<br />
ist CSR noch nicht in alle Bereiche der Unternehmenstätigkeit<br />
integriert, deshalb ist es wichtig, dass eine verantwortliche<br />
Unternehmensführung auch in der öffentlichen Diskussion<br />
auf der Agenda gehalten wird.“ Dem pflichtet auch Dr. Frank<br />
Osterhoff, Projektleiter der „Verantwortungspartner“, bei: „CSR<br />
ist im Mittelstand Teil des Selbstverständnisses. Es werden an<br />
einigen Stellen nur passgenauere Instrumente benötigt, um<br />
die Chancen besser nutzbar zu machen.“<br />
So bietet beispielweise der future e.V. in seinem Projekt DemografieFit<br />
konkrete Hilfe zur Bewältigung der Herausforderungen,<br />
die der demografische Wandel mit sich bringt. „Viele<br />
Unternehmer gehen mit den Themen aus dem CSR-Spektrum<br />
eher intuitiv um. Das möchten wir für eine ganz konkrete Problemstellung<br />
beheben, indem wir ihnen, im Rahmen unserer<br />
Beratung, analytisch aufzeigen, wo Risiken und Potenziale<br />
für das Unternehmen bei der Mitarbeiterentwicklung liegen,<br />
und ihnen helfen, die Erkenntnisse strategisch umzusetzen –<br />
was letztlich zu einer umfassenderen CSR-Strategie führen<br />
kann“, erklärt Udo Westermann, Geschäftsführer des future e.V.<br />
Die Schwierigkeit, CSR als Gesamtpaket bei den KMU zu platzieren,<br />
haben auch andere Projekte erkannt und sich deshalb<br />
gezielt auf Einzelaspekte in der Unternehmensansprache<br />
konzentriert. Wie das Projekt „Bocholter Unternehmer >><br />
Im Rahmen der NRW-Nachhaltigkeitsstrategie sollen die aufgeführten<br />
Handlungsfelder nicht isoliert, sondern in einer Gesamtperspektive<br />
betrachtet werden. Insbesondere die Wechselwirkungen<br />
zwischen den Handlungsfeldern sollen herausgearbeitet<br />
werden.<br />
Folgende Aspekte, die für ein nachhaltiges Gesellschaftsmodell<br />
in Nordrhein-Westfalen von grundlegender Bedeutung sind,<br />
sollen im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie grundsätzlich<br />
bei allen Handlungsfeldern als Querschnittsthemen berücksichtigt<br />
werden:<br />
• Gleichstellung der Geschlechter (Gender Mainstreaming)<br />
• Barrierefreiheit und Inklusion<br />
• Nachhaltigkeit in den Kommunen („Lokale Agenda 21“)<br />
• bürgerschaftliches Engagement / Teilhabe<br />
• Bildung sowie Wissenschaft, Forschung und Innovation<br />
• internationale Dimension<br />
• Auswirkungen auf die ländlichen Räume.<br />
Eine Interministerielle Arbeitsgruppe unter Beteiligung aller<br />
Ressorts (IMAG Nachhaltigkeitsstrategie) erarbeitet im gegenseitigen<br />
Einvernehmen und unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen<br />
und Zielsetzungen die ressortübergreifend<br />
notwendigen Schritte für die Entwicklung, Umsetzung, Evaluierung<br />
und Weiterentwicklung der Strategie. Die Stiftung Umwelt<br />
und Entwicklung Nordrhein-Westfalen wird eingeladen, sich<br />
an der Entwicklung und Umsetzung der Nachhaltigkeitsstrategie<br />
zu beteiligen.<br />
Der vorläufige Zeitplan stellt sich aktuell wie folgt dar:<br />
• ab Anfang 2014: Erarbeitung eines ersten Strategiepapiers<br />
der Landesregierung<br />
• ab Sommer / Herbst 2014: Start des Strategieprozesses mit<br />
Vorstellung eines ersten Strategiepapiers, erste Konsultationsrunde<br />
• Herbst 2014: dritte NRW-Nachhaltigkeitstagung<br />
• Ende 2014 / Anfang 2015: Ausarbeitung eines Strategieentwurfs<br />
durch die Landesregierung, zweiter Kabinettsbeschluss<br />
zur NRW-Nachhaltigkeitsstrategie<br />
• Mitte 2015: zweite Konsultationsrunde<br />
• Herbst 2015: vierte NRW-Nachhaltigkeitstagung<br />
• ab Herbst 2015: dritter Kabinettbeschluss zur NRW-Nachhaltigkeitsstrategie,<br />
anschließende Landtagsbefassung<br />
• anschließend regelmäßige Nachhaltigkeitsberichterstattung<br />
und Fortschreibung der Strategie (Fortschrittsberichte alle<br />
3 – 4 Jahre)<br />
Quelle: Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und<br />
Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
45
Agenda<br />
In Nordrhein-Westfalen werden rund 22 Prozent des deutschen<br />
Bruttoinlandsprodukts erzeugt. Besonders kennzeichnend sind die<br />
industriellen Zentren an Rhein und Ruhr. Insgesamt sind mehr als<br />
1,3 Millionen Menschen in der Industrie beschäftigt.<br />
engagieren sich für Bocholt“, das sich in erster Linie mit den<br />
Themenfeldern Mitarbeiter und Gesellschaft befasst. „Darüber<br />
hinaus haben wir in unserer Steuerungsgruppe einen Maßnahmenkatalog<br />
für Bocholt entwickelt, denn aus unserer Sicht<br />
spielt CSR auch bei der Regionalentwicklung eine wichtige<br />
Rolle“, sagt Klaus Mertens, Projektleiter in Bocholt.<br />
Ein Ansatz, der auch bei der CSR Initiative Rheinland der IHK<br />
Bonn / Rhein-Sieg verfolgt wird. Das Projekt hat sich insgesamt<br />
vier Handlungsfeldern verschrieben: CSR-Information und<br />
-Schulung über Workshops und Sprechstunden für Unternehmen<br />
und NGOs, CSR-Erstberatung inkl. eines CSR-Checks nach<br />
ISO 26000, Etablierung eines CSR-Netzwerkes im Rheinland<br />
und der Förderung von CSR-Kooperationen, die ebenfalls auf<br />
einem, im Partnerkreis der Initiative abgestimmten, Themenkatalog<br />
für die Region beruhen. „Wir wollen mit der CSR<br />
Initiative Rheinland, auch über den Projektzeitraum hinaus,<br />
ein Kompetenz- und Vernetzungszentrum zum Thema CSR<br />
im Rheinland schaffen. Dafür haben wir bereits ein Netzwerk<br />
gebildet, dem neben der Bundesstadt Bonn, dem Landschaftsverband<br />
Rheinland, dem Bistum Aachen, der Handwerkskammer<br />
zu Köln oder auch dem Generali Zukunftsfonds noch<br />
weitere große gemeinnützige Institutionen und Verbände<br />
als Partner angehören“, sagt Michael Pieck, Pressesprecher<br />
der IHK Bonn / Rhein-Sieg.<br />
In der Region KölnBonn sind mit den Projekten der Hochschule<br />
Bonn / Rhein-Sieg („Förderung von weiblichen Führungskräften“),<br />
dem 3 WIN e.V. („Personalentwicklung durch Engagement“) zwei<br />
weitere Projekte vertreten, die sich vor allem über das Themenfeld<br />
Mitarbeiter dem Thema CSR nähern. „Personalentwicklungsziele<br />
mithilfe von Aktivitäten bei und für gemeinnützige Zwecke zu<br />
verbinden, ist aus unserer Sicht, gerade für KMU, eine effiziente<br />
Alternative zu üblichen Personalentwicklungsmaßnahmen“,<br />
erläutert Dieter Schöffmann, Vorstand von 3 WIN.<br />
Simone Matthaei, Leiterin des CSR Projektes im Bereich Unternehmen<br />
der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg: „Der Fachkräftemangel<br />
ist bereits heute ein großes Problem in mittelständischen<br />
Unternehmen. Da haben wir angesetzt und Studentinnen als<br />
CSR-Kümmerer in den Unternehmen positioniert. Ziel war es,<br />
die Studentinnen auf Führungsaufgaben vorzubereiten und die<br />
Unternehmen darüber zu informieren, dass sie sich aufgrund<br />
des demografischen Wandels auf Frauen in Führungspositionen<br />
einstellen müssen. Um die Studentinnen nah an die<br />
Geschäftsführung zu rücken, war es ihre Aufgabe, gemeinsam<br />
mit der Geschäftsführung ein soziales Projekt zu entwickeln,<br />
welches mit dem Geschäftsfeld des Unternehmens verbunden<br />
ist. Das hat funktioniert: Vier von sechs Studentinnen sind<br />
über das Praktikum hinaus bei den Unternehmen heute beschäftigt<br />
und können den CSR-Prozess in den Unternehmen<br />
weiter vorantreiben.“<br />
46<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
CSR in NRW<br />
Die Erfahrung, dass KMU bei CSR kompetente Hilfe über einen<br />
längeren Zeitraum benötigen, hat auch Martina Meeuvissen,<br />
Projektleiterin des Projektes CSR Mehrwert der Wirtschaftsförderung<br />
des Rhein-Kreis Neuss gemacht: „Wir haben im<br />
Projekt Unternehmen aus fünf wichtigen Kernbranchen in<br />
einem mehrstufigen Workshopprozess begleitet. Wir sind<br />
froh, dass alle Unternehmen diesen Weg mit uns konsequent<br />
gegangen sind und sich in jedem der insgesamt 23 Unternehmen<br />
konkrete CSR-Projekte und Strategien entwickelt haben,<br />
die auch über den Projektzeitraum hinaus verfolgt werden.“<br />
Einen etwas anderen Ansatz hat das Projekt „MIT 3 – Mitverantwortung<br />
und Mitbestimmung im Mittelstand“ gewählt.<br />
Das DGB Bildungswerk NRW hat es sich mit dem Projekt zur<br />
Aufgabe gemacht, Betriebsräte für das Thema CSR zu gewinnen.<br />
„Wir sind im ersten Schritt bei sehr vielen Betriebsräten<br />
und Unternehmen auf offene Ohren gestoßen. So konnten<br />
wir insgesamt bisher gut 70 Betriebe persönlich besuchen<br />
und werden zunächst circa 15 davon intensiver beraten und<br />
begleiten“, erklärt Nikolaus Bley, Leiter des Projektes. „Wichtig<br />
ist es dabei, dass wir es schaffen, dass das Thema CSR für die<br />
Agenda des Betriebsrates fruchtbar gemacht wird und dass<br />
sich eine gute Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung<br />
entwickelt, die wir auch von Anfang an einbinden.“ CSR als<br />
festen Bestandteil der Unternehmensstrategie sieht Bley jedoch<br />
noch als Zukunftsmusik bei vielen Unternehmen. „Der<br />
Informationsbedarf ist riesig und wir sollten mit der Marke<br />
‚CSR in Germany‘ den besonderen bundesdeutschen Weg<br />
aus CSR, ehrbarer Kaufmannstradition und Mitbestimmung<br />
weitergehen.“<br />
Die CSR-Welt expandiert<br />
Doch auch jenseits der geförderten CSR-Projekte entwickelt sich<br />
in NRW eine immer buntere CSR Welt. Ob „CSR-Frühstücke“,<br />
„Marktplatz Gute Geschäfte“, Verbandsaktivitäten wie die des<br />
Deutschen Netzwerks Wirtschaftsethik, der studentischen Nachhaltigkeitsorganisation<br />
sneep oder auch regionale Netzwerke<br />
wie das „CSR-Netzwerk Dortmund“, das auf Betreiben der Stadt<br />
Dortmund, Unternehmensvertretern und der evangelischen<br />
Kirche im September <strong>2013</strong> ins Leben gerufen wurde – CSR<br />
als Diskussionsthema und als Managementkonzept wird<br />
immer öfter sichtbar.<br />
Welchen Stellenwert CSR in den nächsten Jahren einnehmen<br />
wird, zeigt sich vor allem bei einem Blick auf die Bildungslandschaft<br />
in NRW. So sprießen inzwischen nicht nur die<br />
Angebote zu praktischen Weiterbildungen, z. B. als CSR<br />
Manager (IHK Bonn / Rhein-Sieg), aus dem Boden, sondern<br />
auch die Universitäten und Fachhochschulen nehmen sich<br />
in großer Breite des Themas an. Einen guten Überblick bietet<br />
hier der 2012 veröffentlichte CSR-Atlas, der auf mehr als<br />
200 Seiten einen Großteil der Aktivitäten in NRW vorstellt<br />
(www.csr-atlas.de).<br />
Immer mehr Hochschulen gehen darüber hinaus den Weg,<br />
eigene Institute mit dem Themenschwerpunkt CSR und<br />
Nachhaltigkeit zu gründen. Beispielsweise das IZNE (Internationales<br />
Zentrum für nachhaltige Entwicklung) der Hochschule<br />
Bonn / Rhein-Sieg, das es sich zum Ziel gesetzt hat,<br />
Studierende, neben der Vermittlung von Fachkompetenzen,<br />
für die gesellschaftlichen Herausforderungen zu sensibilisieren<br />
und entsprechend auszubilden. Dafür arbeitet das<br />
IZNE hochschulübergreifend mit Professoren verschiedenster<br />
Fachrichtungen. Oder das EthNa Kompetenzzentrum CSR der<br />
Hochschule Niederhein, das sich mit den Themen Wirtschaftsund<br />
Unternehmensethik, CSR und Nachhaltigkeit befasst und<br />
hochschulinterne, aber auch hochschulexterne, Bildungsangebote,<br />
Forschungen und Beratung anstrebt.<br />
NRW – ein CSR-Land im Aufbruch<br />
Die Vielzahl von Aktivitäten zu Unternehmensverantwortung<br />
und Nachhaltigkeit, die hier nur in Auszügen skizziert werden<br />
können, macht vor allem eines deutlich – CSR ist fester<br />
Bestandteil der Unternehmenszukunft und spielt bei der<br />
Entwicklung des Wirtschaftsstandortes NRW eine Schlüsselrolle<br />
– dafür war nicht zuletzt die große Teilnahmebereitschaft<br />
am CSR Summit eindrucksvoller Beleg. Nun gilt es, die junge<br />
Pflanze zu stützen und behutsam aufzuziehen.<br />
Über die Autoren<br />
Riccardo Wagner und Marcus Eichhorn arbeiten seit 13 Jahren als Strategieberater<br />
und Moderatoren. Mehr unter betterrelations.de<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
47
Agenda<br />
„CSR definiert das<br />
Verhältnis von Staat und<br />
Wirtschaft neu “<br />
Unternehmen haben heutzutage eine größere Verantwortung. „Das bedeutet nicht nur Pflichten, sondern auch<br />
Chancen“, sagt im Interview Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk<br />
des Landes NRW. Bei der Vergabepolitik der öffentlichen Hand in NRW soll CSR ein Wettbewerbsvorteil werden,<br />
verspricht der SPD-Politiker.<br />
Herr Minister, wenn wir über unternehmerische Verantwortung reden,<br />
dann wird oft zur Erklärung das Bild des „Ehrbaren Kaufmanns“ herangezogen.<br />
Es suggeriert, dass es sich hier hauptsächlich um Fragen der<br />
persönlichen Ethik dreht und nicht um ganz konkrete Managementthemen,<br />
die alle Facetten des Kerngeschäfts betreffen. Was macht für Sie unternehmerische<br />
Verantwortung und Corporate Social Responsibility (CSR) aus?<br />
Garrelt Duin: Für mich ist das Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns<br />
nach wie vor der zentrale Orientierungsrahmen für<br />
Unternehmen. Hier fallen persönliche Werte – wie Anstand,<br />
Ehrlichkeit, Verlässlichkeit, Fairness – und Werte, die für das<br />
Geschäftsleben wichtig sind, zusammen.<br />
Anders als in früheren Zeiten ist die Verantwortung des<br />
Ehrbaren Kaufmanns aber heute deutlich größer. Er ist kein<br />
Eigenwirtschaftler mehr, der nur für sein eigenes Handeln<br />
verantwortlich ist. Heute muss er auch Verantwortung für<br />
seine Mitarbeiter, seine Zulieferer und für alle Prozesse und<br />
Produkte seines Unternehmens übernehmen. Er muss dafür<br />
sorgen, dass gesellschaftliche Werte im gesamten Unternehmen<br />
ankommen und umgesetzt werden – trotz des härter<br />
gewordenen Wettbewerbs. Dabei bietet CSR nicht nur einen<br />
Bezugsrahmen, sondern auch konkrete Ansatzpunkte und<br />
Unterstützung, wie sich Verantwortung im Unternehmen<br />
strategisch verankern und kontrollieren lässt.<br />
Zeitstrahl: Zwischen Rhein und Ruhr<br />
1869 1871<br />
Die Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund In Dortmund entsteht durch die<br />
verpflichtet Unternehmer zum Schutz ihrer Arbeiter Union Hüttenwerke die Unionvorstadt,<br />
eine der ersten Werks-<br />
und verbietet die Beschäftigung von Kindern unter<br />
10 Jahren.<br />
siedlungen im englischen Stil.<br />
1873<br />
Um Arbeiter an das Werk zu binden und<br />
gegen „Beschwernisse“ abzusichern, wird die<br />
„Unterstützungskasse der Alizarin-Fabrik von<br />
Friedrich Bayer & Co. in Elberfeld“ gegründet.<br />
Alle 35 Arbeiter der Fabrik gehören ihr an.<br />
48 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
CSR in NRW<br />
Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft,<br />
Energie, Industrie, Mittelstand und<br />
Handwerk des Landes NRW<br />
Sie setzen seit Beginn Ihrer Amtszeit immer wieder Akzente zu den<br />
Themen CSR und Nachhaltigkeit. Warum ist CSR für NRW ein<br />
wichtiges Thema?<br />
Duin: Mit der freiwilligen Übernahme von Verantwortung<br />
können Unternehmen zur Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen<br />
beitragen und gleichzeitig ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit<br />
verbessern. CSR bringt gesellschaftlichen<br />
Mehrwert durch unternehmerische Mittel. Das Konzept ist<br />
gleichzeitig auch ein Hebel für ganzheitliche Innovation. Als<br />
Wirtschaftsminister des größten Bundeslandes, das über wichtige<br />
Leitmärkte wie den Maschinenbau, die Chemische >><br />
1883<br />
Einführung einer verpflichtenden Krankenkasse<br />
für Arbeiter. Bezahlt wurden die Beiträge zu zwei<br />
Dritteln von den Arbeitern selbst und zu einem<br />
Drittel vom Arbeitgeber.<br />
1900<br />
lebt jeder dritte Bergarbeiter<br />
im Ruhrgebiet in einer<br />
der über 25.000 Siedlungswohnungen.<br />
1884<br />
Per Gesetz werden alle Unternehmer verpflichtet,<br />
für ihre Angestellten eine Unfallversicherung<br />
abzuschließen. Diese trägt die Kosten des Heilverfahrens<br />
oder zwei Drittel des Arbeitslohnes<br />
als Rente bei völliger Erwerbsunfähigkeit.<br />
1889<br />
Zur Absicherung ihrer Rentenzeit werden alle<br />
Arbeitnehmer mit einem Jahreseinkommen unter<br />
2.000 Mark verpflichtet, in eine staatliche Rentenversicherung<br />
einzuzahlen. Der Staat leistet einen<br />
jährlichen Grundbetrag von 50 Mark.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
49
Agenda<br />
Industrie oder die Biotechnologie verfügt, bin ich deshalb<br />
sehr daran interessiert, dass Unternehmen diese Chancen für<br />
die Gesellschaft wie auch für ihre eigene Positionierung im<br />
Wettbewerb nutzen.<br />
Unterscheidet sich der Blickwinkel auf das Thema aufgrund der industriellen<br />
Historie zwischen Rhein und Ruhr von anderen Regionen<br />
in <strong>Deutschland</strong>?<br />
Duin: Ich möchte hier für Nordrhein-Westfalen keine Sonderstellung<br />
beim Thema CSR reklamieren. Wir können aber<br />
bei diesem Thema in NRW an eine Kooperationskultur anknüpfen,<br />
die mit dem Begriff des Rheinischen Kapitalismus<br />
verbunden ist. Gemeint ist ein System korporatistischer, auf<br />
Konsens zielender Strukturen, die darauf gerichtet sind, die<br />
Wirtschaft voranzubringen und zugleich breite Bevölkerungsschichten<br />
an der gesamtwirtschaftlichen Wertschöpfung<br />
teilhaben zu lassen. CSR weist deutliche Parallelen zu<br />
diesem Denkansatz auf.<br />
Die Diskussion um CSR wird oft dominiert von großen multinationalen<br />
Konzernen, die hier längst mit eigenen CSR-Abteilungen und Nachhaltigkeitsberichten<br />
aktiv sind. Wo steht der nordrhein-westfälische<br />
Mittelstand?<br />
Duin: Nordrhein-Westfalen ist das Bundesland mit den meisten<br />
Familienunternehmen. Dazu gehören lokale Handwerksbetriebe<br />
ebenso wie international tätige Unternehmen, Dienstleister<br />
und High-Tech-Firmen. Gerade in den Familienunternehmen<br />
gibt es eine ausgeprägte und über Jahrzehnte gewachsene<br />
CSR-Kultur, auch wenn die Unternehmen ihr Engagement<br />
für Mitarbeiter, Kunden und Umwelt nicht so nennen.<br />
Es wäre aber sinnvoll, wenn sie CSR auch ganzheitlich als<br />
Managementinstrument nutzen und besser über ihre Aktivitäten<br />
kommunizieren würden.<br />
Bei nicht wenigen kleinen und mittelständischen Unternehmen herrschen<br />
zum Teil massive Vorbehalte gegenüber CSR-Instrumenten und<br />
dem mutmaßlich damit verbundenen bürokratischen Aufwand. Was<br />
entgegnen Sie den Skeptikern und womit begeistern Sie für die CSR-<br />
Idee bei Ihren vielen Gesprächen mit Unternehmen?<br />
Duin: Unternehmen kann man nur dann für eine Idee gewinnen,<br />
wenn man ihnen die damit verbundenen Chancen aufzeigt.<br />
Diese Chancen liegen in einer größeren Transparenz nach innen<br />
und außen, der Einsparung von Kosten, der Minimierung<br />
von Risiken und nicht zuletzt einer besseren Reputation beispielsweise<br />
beim Fachkräfte-Nachwuchs oder bei den Kunden.<br />
Die Implementierung von CSR in der Unternehmensstrategie<br />
macht Arbeit – das sollte auch nicht verschwiegen werden –,<br />
kann aber ein Vielfaches an Gewinn bringen.<br />
Letztlich soll CSR neben Wettbewerbsvorteilen auch dazu beitragen,<br />
dass gesellschaftliche Herausforderungen gemeistert werden. Welche<br />
Rolle spielen hier intersektorale Netzwerke aus Wirtschaft, Politik,<br />
Verwaltung und Zivilgesellschaft?<br />
Duin: Die gesellschaftlichen Herausforderungen des Klimawandels,<br />
die notwendige Einsparung von Ressourcen, aber<br />
auch die Herausforderungen der älter werdenden Gesellschaft<br />
werden wir nur durch Innovationen meistern können.<br />
Und Innovationen entstehen an Schnittstellen – zwischen<br />
Branchen und Sektoren, zwischen öffentlichen und privaten<br />
Institutionen. Deshalb spielen übergreifende Netzwerke und<br />
die damit verbundenen unterschiedlichen Blickwinkel und<br />
Herangehensweisen bei der Lösung von Zukunftsaufgaben<br />
eine Hauptrolle.<br />
Wir haben in den letzten Jahren auf Bundesebene z. B. über das<br />
Programm „CSR im Mittelstand“ aktive Unterstützung für die Etablierung<br />
von CSR in den Betrieben und auch den Kompetenzauf bau<br />
1907<br />
Henkel produziert in<br />
Düsseldorf mit „Persil“<br />
das erste selbsttätige<br />
Waschmittel der Welt.<br />
1927<br />
Erstmals wird eine solidarische<br />
Versicherung zur Unterstützung<br />
von arbeitslos gewordenen Beschäftigten<br />
eingerichtet.<br />
1906<br />
Einrichtung der „Staatlichen Stelle für Naturdenkmalpflege<br />
in Preußen“ – die erste Umweltbehörde<br />
in <strong>Deutschland</strong>, zur Ermittlung, Beobachtung und<br />
zum Schutz der bedrohten Tier- und Pflanzenarten<br />
und erhaltenswerten Landschaftsteile.<br />
1907<br />
Gründung der „Pensionskasse der Beamten der<br />
Deutsche Gold- und Silber-Scheideanstalt vormals<br />
Roessler“ in Hanau. Sie wird eine der ersten von der<br />
Reichsversicherungsanstalt unabhängigen Zulagekassen.<br />
1914<br />
Die erste Wassermotor-Waschmaschine kommt von<br />
Miele schon vor dem ersten Weltkrieg. Wasser ist zu<br />
dieser Zeit wesentlich billiger als Strom und kann<br />
zudem noch aufgefangen und für andere Zwecke<br />
(zum Beispiel zum Spülen) weiterverwendet werden.<br />
50 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
CSR in NRW<br />
Unternehmen kann man nur dann für<br />
eine Idee gewinnen, wenn man ihnen die<br />
damit verbundenen Chancen aufzeigt.<br />
bei öffentlichen Einrichtungen und Institutionen gesehen. Wird sich<br />
dieses Bemühen auch auf der Landesebene fortsetzen? Welche Rolle<br />
sehen Sie für Ihr Ministerium, aber auch für die Organisationen<br />
der Wirtschaft wie die Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern<br />
oder auch Wirtschaftsförderungen bei der weiteren<br />
Etablierung von CSR?<br />
Duin: CSR ist ein Konzept, das letztlich auch die Rolle der<br />
Wirtschaft in der Gesellschaft und das Verhältnis von Staat<br />
und Wirtschaft neu definiert. Anders als hierarchische Formen<br />
der Steuerung bietet CSR die Chance einer partnerschaftlichen<br />
Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft.<br />
Deshalb ist es für die Landesregierung Nordrhein-<br />
Westfalen ebenso wie für die Organisationen der Wirtschaft<br />
wichtig, sich am CSR-Dialog zu beteiligen.<br />
Die Rolle meines Ministeriums sehe ich dabei vor allem in<br />
Aufklärung und Information und in der Sichtbarmachung<br />
des CSR- Engagements von Unternehmen oder der Bereitstellung<br />
von Plattformen und Foren. Darüber hinaus schaffen<br />
wir Anreize für verantwortlich wirtschaftende Unternehmen<br />
durch das neue Vergabegesetz. Wir werden CSR auch dort, wo<br />
es sinnvoll ist, in Leitmarkt-Wettbewerbe integrieren, so dass<br />
verantwortlich wirtschaftende Unternehmen im Wettbewerb<br />
um Fördermittel zusätzlich punkten können. Kammern und<br />
Wirtschaftsförderungen sollten sich meines Erachtens zum<br />
Beispiel in der Erstberatung von Unternehmen und dem<br />
Auf bau regionaler CSR-Netzwerke engagieren.<br />
CSR lebte bisher von Freiwilligkeit. Das dreht sich. So sprechen sich z. B.<br />
die EU-Kommission und der Nachhaltigkeitsrat dafür aus, dass Unternehmen<br />
mit mehr als 500 Mitarbeitern einen Nachhaltigkeitsbericht<br />
herausgeben sollen. In Konsequenz könnte dies bedeuten, dass CSR zu<br />
einem Gegenstand der Legislative auf EU-, Bundes- und Landesebene<br />
wird, wo verbindlich festgelegt wird, was CSR bzw. Nachhaltigkeit<br />
ist und was nicht. Was ist die Position der Landesregierung dazu?<br />
Duin: Das Wirtschaftsministerium NRW hat sich – ähnlich wie<br />
die Bundesregierung – immer für die Freiwilligkeit von CSR<br />
eingesetzt, in großen wie auch in kleinen Unternehmen. Die<br />
Unternehmen sind bei diesem Thema bereits auf einem guten<br />
Weg, weil CSR ihnen Vorteile bringt und weil der Markt es von<br />
ihnen fordert. CSR – das war bisher immer die Kür. Wenn es<br />
zur Pflicht wird, geht hier möglicherweise ein Großteil >><br />
1950<br />
Reinhard Mohn und sein<br />
Mitarbeiter Fritz Wixforth<br />
gründen in Gütersloh den<br />
Bertelsmann Lesering.<br />
1963<br />
In Essen / Vogelheim, Lütkenbrauk<br />
64, öffnet der<br />
erste SB-Großmarkt unter<br />
dem Namen Metro.<br />
1948<br />
Auf Initiative des RWE-Vorstands<br />
Heinrich Schöller gründen sieben<br />
große Elektrizitätsversorgungsunternehmen<br />
ein für ganz Westdeutschland<br />
leistungsfähiges Verbundnetz.<br />
1974<br />
Menschen, Tiere und Pflanzen, der Boden, das Wasser, die<br />
Atmosphäre sowie Kultur- und sonstige Sachgüter werden<br />
vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch ein Gesetz<br />
geschützt. Dem Entstehen schädlicher Umwelteinwirkungen<br />
durch Wirtschaft und Gesellschaft soll vorgebeugt werden.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
51
Agenda<br />
der Motivation in den Unternehmen verloren. Ich fürchte aber,<br />
dass wir die Europäische Kommission und das Europäische<br />
Parlament mit dieser Argumentation nicht überzeugen werden.<br />
Immerhin ist es uns durch gemeinsame Bemühungen im<br />
Vorfeld gelungen, kleine und mittlere Unternehmen aus der<br />
Berichterstattungspflicht herauszuhalten. Es gab durchaus<br />
Stimmen in Brüssel, die die Berichterstattungspflicht bereits<br />
auf Unternehmen mit 200 Beschäftigten ausdehnen wollten.<br />
Wie schätzen Sie die Verankerung und Relevanz des Themas in der<br />
neuen Bundesregierung ein? Vor allem: Welchen Akzent setzt die SPD<br />
aus Ihrer Sicht?<br />
Duin: Ich hoffe sehr, dass die neue Bundesregierung den Nationalen<br />
CSR-Aktionsplan fortführen und sich dabei eng mit<br />
den Ländern abstimmen wird. Ich werde jedenfalls das mir<br />
Mögliche tun, um die künftige Bundesregierung und auch<br />
die SPD-Bundestagsfraktion von der Relevanz des Themas<br />
insbesondere auch für die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik<br />
zu überzeugen.<br />
Wir erleben auf internationaler Ebene, vor allem bei den Vereinten<br />
Nationen, dass Multilateralismus derzeit nicht funktioniert. Daran<br />
scheiterte die Rio+20 Konferenz und auch um die Klimaverhandlungen<br />
steht es nicht besser. Sehen Sie reelle Chancen, die globale Stagnation<br />
zu durchbrechen? Oder müssen dann Bundesländer und -staaten im<br />
Alleingang mit gutem Beispiel vorangehen, wenn die Weltgemeinschaft<br />
sich nicht einig wird?<br />
Duin: Wir müssen weiterhin am Ziel festhalten, zu multilateralen<br />
Vereinbarungen beim Klimaschutz zu kommen.<br />
Gleichwohl sollten <strong>Deutschland</strong> und die Europäische Union<br />
beim Klimaschutz eine Vorreiterrolle einnehmen. Dabei müssen<br />
wir zeigen, dass Klimaschutz nicht nur Kosten verursacht,<br />
sondern wirtschaftliche Chancen durch Entwicklung und<br />
Einsatz innovativer Technologien bietet. Nur so werden wir<br />
andere Länder überzeugen können.<br />
In den Verhandlungen ging es fast immer um die Abwehr von<br />
Risiken für die jeweils eigene Wirtschaft. Wir müssen endlich<br />
auch die Chancen stärker herausstellen.<br />
Wir danken Ihnen herzlich für das Gespräch!<br />
Das Interview führten Riccardo Wagner und Marcus Eichhorn.<br />
1980<br />
Das Chemikaliengesetz<br />
schreibt den Schutz der<br />
Bürger vor gefährlichen<br />
Stoffen vor.<br />
1994<br />
Der Umweltschutz<br />
wird in <strong>Deutschland</strong><br />
zum Staatsziel.<br />
1995<br />
Das klassische Btx wird als neuer<br />
E-Mail-Dienst und Internetzugang<br />
zusammengefasst – aus Btx wird<br />
„T-Online Classic“.<br />
1985<br />
Klaus Matthiesen (SPD) wird<br />
erster Umweltmininster Nordrhein-Westfalens.<br />
1995<br />
Einführung einer Pflegeversicherung<br />
zur Absicherung von Personen, die<br />
wegen der Schwere ihrer Pflegebedürftigkeit<br />
auf solidarische Unterstützung<br />
angewiesen sind.<br />
52 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
CSR in NRW<br />
Nützliche<br />
Adressen<br />
Öffentliche Beschaffung<br />
Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand<br />
und Handwerk des Landes Nordrhein-Westfalen<br />
Haroldstraße 4 , 40213 Düsseldorf<br />
nachhaltigebeschaffung@mweimh.nrw.de<br />
http://www.vergabe.nrw.de/auswahl/index.html<br />
Auftragsberatungsstelle<br />
Ministerien<br />
Referatsleiterin II A 2 Wirtschaftliche Bildung und<br />
Information, gesellschaftliche Verantwortung der<br />
Unternehmen<br />
Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand<br />
und Handwerk des Landes Nordrhein-Westfalen<br />
Haroldstraße 4<br />
40213 Düsseldorf<br />
mweimh.nrw.de<br />
Referat VIII A 2 Nachhaltigkeitsstrategien<br />
Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft,<br />
Natur- und Verbraucherschutz<br />
des Landes Nordrhein-Westfalen (MKULNV NRW)<br />
Schwannstraße 3<br />
40476 Düsseldorf<br />
www.nachhaltigkeit.nrw.de<br />
IHK NRW – Die Industrie- und Handelskammern<br />
in Nordrhein-Westfalen e.V.<br />
Marienstraße 8, 40212 Düsseldorf<br />
ihk-nrw.de<br />
Mittelstand<br />
NRW-Projekte im ESF-Bundesprogramm<br />
„Gesellschaftliche Verantwortung im Mittelstand“<br />
(CSR-Programm)<br />
wirtschaft.nrw.de/wirtschaft/verantwortung_csr/<br />
csr_im_mittelstand/index.php<br />
Forschung<br />
CSR Atlas NRW edition Hochschule<br />
Herausgeber: Prof. Dr. Karl-Heinz Gerholz, Universität<br />
Paderborn, und Prof. Dr. Stefan Heinemann, Nachhaltigkeitsbeauftragter<br />
FOM Hochschule<br />
csr-atlas.de<br />
2002<br />
<strong>Deutschland</strong> ratifiziert<br />
das Kyoto-Protokoll.<br />
<strong>2013</strong><br />
Landesregierung verabschiedet<br />
„Eckpunkte einer Nachhaltigkeitsstrategie<br />
für NRW“.<br />
2002<br />
Der Tierschutz ist als<br />
Staatsziel im Grundgesetz<br />
verankert.<br />
2011<br />
Mit der Energiewende beschließt<br />
<strong>Deutschland</strong> den<br />
Ausstieg aus der Atomkraft<br />
und den massiven Ausbau<br />
von Erneuerbaren Energien.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
53
Good Practice<br />
Menschenrechte<br />
58 74<br />
Umweltschutz<br />
Bayer<br />
Tchibo<br />
ABB<br />
BSH Bosch und Siemens Hausgeräte<br />
Arbeitsnormen<br />
Audi<br />
Bosch<br />
Merck<br />
QFC<br />
RWE<br />
62<br />
CEWE<br />
Daimler<br />
Deutsche Post DHL<br />
HypoVereinsbank<br />
LANXESS<br />
MAN<br />
Mediengruppe macondo<br />
Weidmüller<br />
Korruptionsbekämpfung<br />
94<br />
METRO GROUP<br />
Für die redaktionellen Beiträge dieser Rubrik sind ausschließlich die Unternehmen und ihre Autoren selbst verantwortlich.<br />
54 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Good Practice<br />
74<br />
ABB<br />
62<br />
Audi<br />
98<br />
BASF<br />
CSR Management<br />
98<br />
58<br />
64<br />
76<br />
78<br />
Bayer<br />
Bosch<br />
BSH Bosch und Siemens Hausgeräte<br />
CEWE<br />
BASF<br />
80<br />
Daimler<br />
DAW<br />
100<br />
DAW<br />
Deutsche Bahn<br />
102<br />
Deutsche Bahn<br />
Deutsche Telekom<br />
EY<br />
Forest Carbon Group<br />
Entwicklung & Partnerschaft<br />
HOCHTIEF<br />
110<br />
82<br />
104<br />
106<br />
108<br />
110<br />
84<br />
86<br />
88<br />
90<br />
66<br />
94<br />
68<br />
70<br />
60<br />
92<br />
Deutsche Post DHL<br />
Deutsche Telekom<br />
EY<br />
Forest Carbon Group<br />
HOCHTIEF<br />
HypoVereinsbank<br />
LANXESS<br />
MAN<br />
Mediengruppe macondo<br />
Merck<br />
Metro Group<br />
QFC<br />
RWE<br />
Tchibo<br />
Weidmüller<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong> 55
Good Practice<br />
MENSCHENRECHTE<br />
ARBEITSNORMEN<br />
Prinzip 1: Unternehmen sollen den Schutz der internationalen<br />
Menschenrechte unterstützen und achten.<br />
Prinzip 2: Unternehmen sollen sicherstellen, dass sie sich<br />
nicht an Menschenrechtsverletzungen mitschuldig machen.<br />
Prinzip 3: Unternehmen sollen die Vereinigungsfreiheit<br />
und die wirksame Anerkennung des Rechts auf Kollektivverhandlungen<br />
wahren sowie ferner für<br />
Prinzip 4: die Beseitigung aller Formen der Zwangsarbeit,<br />
56 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Good Practice<br />
Menschenrechte<br />
58<br />
60<br />
Bayer<br />
Tchibo<br />
Arbeitsnormen<br />
62<br />
64<br />
66<br />
68<br />
70<br />
Audi<br />
Bosch<br />
Merck<br />
QFC<br />
RWE<br />
Prinzip 5: die Abschaffung der Kinderarbeit und<br />
Prinzip 6: die Beseitigung von Diskriminierung bei Anstellung<br />
und Beschäftigung eintreten.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
57
BAYER<br />
Bayer fördert das Ehrenamt:<br />
„Vorbild sein lohnt sich!“<br />
<strong>2013</strong> feierte Bayer sein 150-jähriges Bestehen. Anlässlich des Unternehmensjubiläums hat die<br />
Bayer Cares Foundation unter dem Motto „Vorbild sein lohnt sich!“ ein spezielles Ehrenamtsprogramm<br />
initiiert. So unterstützte die Sozialstiftung weltweit insgesamt 150 Hilfsprojekte, in<br />
denen Mitarbeiter und Pensionäre ehrenamtlich arbeiten. Ziel des sozialen Engagements ist es,<br />
die Lebensverhältnisse im Umfeld der Unternehmensstandorte zu verbessern. Insgesamt hat<br />
die Sozialstiftung dafür 600.000 Euro zur Verfügung gestellt.<br />
Von Dirk Frenzel<br />
Dr. Angela Lockhoff vermittelt bei der<br />
KulturDrehscheibe Leverkusen kostenlose<br />
Veranstaltungs-Tickets an finanziell<br />
schwächere Bürger.<br />
Theater, Museen und Kunstausstellungen<br />
gehören zum kulturellen Leben in<br />
Leverkusen. Nur was nützt einem dieses<br />
Angebot, wenn man sich die Eintrittspreise<br />
nicht leisten kann? Diese Frage<br />
hatte sich auch Dr. Angela Lockhoff<br />
gestellt. Die Pensionärin hat früher bei<br />
Bayer im Innovationsmanagement des<br />
Technologie-Bereiches am Standort Leverkusen<br />
gearbeitet: „Kultur gehört zu den<br />
Grundbedürfnissen des Lebens, deshalb<br />
sollte jeder einen Zugang dazu haben.“<br />
Aus diesem Grund engagiert sich Lockhoff<br />
bei dem gemeinnützigen Verein<br />
KulturDrehscheibe Leverkusen ehrenamtlich.<br />
Dort vermittelt sie kostenlose<br />
Veranstaltungs-Tickets, die nicht verkauft<br />
worden sind. Begünstigt sind Bürger mit<br />
geringem Einkommen wie etwa Sozialhilfeempfänger,<br />
Alleinerziehende oder<br />
Familien mit geringem Familienbudget.<br />
„Für unsere dankbaren Gäste sind die<br />
Besuche oft unverhoffte Highlights“,<br />
betont Lockhoff. Um den Kulturgästen<br />
einen einfachen Zugang zu den Veranstaltungen<br />
zu ermöglichen, erfolgt<br />
die Anmeldung zur KulturDrehscheibe<br />
Leverkusen meistens über soziale Partner<br />
wie beispielsweise das Diakonische Werk,<br />
mit denen die Menschen schon vorher<br />
Kontakt hatten.<br />
„Vorbild sein lohnt sich!“<br />
Das Projekt der Pensionärin gehört zu<br />
jenen 150 Initiativen, die von der Bayer<br />
Cares Foundation, der Sozialstiftung von<br />
Bayer, im Rahmen der Unternehmensaktionen<br />
zum 150-jährigen Geburtstag<br />
ausgezeichnet worden sind. So stellte<br />
die Stiftung Angela Lockhoff über 4.000<br />
Euro zur Verfügung, die sie künftig für<br />
ihre ehrenamtliche Arbeit einsetzen<br />
kann. Wesentlich für die 150-jährige<br />
Erfolgsgeschichte von Bayer ist es, dass<br />
Unternehmen und Beschäftigte von Anfang<br />
an soziale Verantwortung gelebt<br />
haben und bis heute leben. Das Engagement<br />
für wichtige Belange der Gesellschaft<br />
und das soziale Miteinander in der<br />
Nachbarschaft sind ein gutes Stück der<br />
Unternehmenskultur. Für das spezielle<br />
Ehrenamtsprogramm „Vorbild sein lohnt<br />
sich!“ hatten sich 620 Mitarbeiter und<br />
Pensionäre aus 62 Ländern beworben<br />
– eine überwältigende Resonanz. Eine<br />
Fachjury wählte die 150 erfolgversprechendsten<br />
Projekte, die in 51 Ländern<br />
angesiedelt sind, aus.<br />
Gemeinsam ist allen Projekten, dass<br />
sie die lokalen Verhältnisse an den einzelnen<br />
Bayer-Standorten verbessern.<br />
Dazu gehören auch Initiativen, welche<br />
die Gesundheitsversorgung optimieren<br />
oder die Bildungs-Chancen von Kindern<br />
und Jugendlichen steigern. Oder die<br />
Bildungschancen von Erwachsenen, wie<br />
das brasilianische Projekt „Leben in Buchstaben“<br />
zeigt. Dort engagiert sich Andrea<br />
Acerbi, der in der Rechtsabteilung von<br />
Bayer HealthCare in Sao Paulo arbeitet,<br />
als freiwilliger Lehrer. Ihm stellte die<br />
Stiftung 3.500 Euro zur Verfügung: „Als<br />
gelernter Rechtsanwalt sind Worte mein<br />
wichtigstes Arbeitsinstrument. Daher ist<br />
58 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Good Practice<br />
Menschenrechte<br />
es für mich völlig inakzeptabel, dass es<br />
in meiner Nachbarschaft erwachsene<br />
Analphabeten gibt.“ An drei Abenden<br />
in der Woche treffen sich Erwachsene,<br />
die tagsüber als Bauarbeiter, Mägde oder<br />
Fabrikarbeiter ihren Lebensunterhalt<br />
verdienen. Gemeinsam sitzen sie dann<br />
in einem Klassenzimmer und lernen<br />
lesen, schreiben oder einfache Texte zu<br />
interpretieren. Darüber hinaus werden<br />
ihnen grundlegende Kenntnisse in Geographie,<br />
Geschichte oder Mathematik<br />
vermittelt. „In unseren Kursen wollen<br />
wir das Bewusstsein der Menschen für<br />
ihre Bürgerrechte schärfen. Mindestens<br />
aber ermöglichen wir ihnen, mit einfachen<br />
Herausforderungen des Lebens<br />
umzugehen – wie zum Beispiel das<br />
Zählen von Geld“, erläutert Acerbi die<br />
Ziele der Initiative.<br />
Welche Projekte werden gefördert?<br />
Die Bayer Cares Foundation begreift sich<br />
als Impulsgeber, Förderer und Partner<br />
für Innovationen an der Schnittstelle<br />
zwischen Wirtschaft und dem Sozialsektor.<br />
Dabei unterstützt sie in <strong>Deutschland</strong><br />
bereits seit 2007 nicht nur Mitarbeiter<br />
und Pensionäre finanziell, sondern auch<br />
engagierte Bürger, die sich ehrenamtlich<br />
in Projekte einbringen. Im Mittelpunkt<br />
der Förderprogramme steht der<br />
Mensch – sein Engagement für das<br />
Allgemeinwohl, sein Ideenreichtum bei<br />
der Lösung sozialer Aufgaben, aber auch<br />
seine Bedürftigkeit in Notsituationen.<br />
Innovative Sozialprojekte, die darüber<br />
hinaus einen Modellcharakter besitzen<br />
und eine anhaltende Wirkung erzielen,<br />
sind für uns besonders förderungswürdig.<br />
Nachdem das Ehrenamtsprogramm in<br />
<strong>Deutschland</strong> erfolgreich etabliert wurde,<br />
weitete es die Stiftung zunächst auf<br />
südamerikanischen Länder aus, in denen<br />
Bayer tätig ist. Anlässlich des Firmenjubiläums<br />
wurde die Initiative schließlich<br />
erstmals speziell für Mitarbeiter und<br />
Pensionäre weltweit angeboten. Die<br />
Bayer Cares Foundation unterstützt ein<br />
Projekt mit bis zu maximal 5.000 Euro.<br />
Möchte etwa ein Mitarbeiter des Unternehmens<br />
eine Förderung für ein Projekt<br />
beantragen, muss er sich zwingend selbst<br />
in diesem engagieren. Des Weiteren<br />
muss er einen Projekt- und Kostenplan<br />
mit beabsichtigter Mittelverwendung<br />
vorlegen.<br />
Katastrophenhilfe weitere Säule der<br />
Stiftung<br />
Mehr als 30.000 Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter feierten im Sommer <strong>2013</strong> das<br />
150-jährige Jubiläum der Bayer AG und<br />
bildeten in der BayArena Leverkusen das<br />
größte lebende Bayer-Kreuz aller Zeiten.<br />
Neben dem Ehrenamtsprogramm ist<br />
die Katastrophenhilfe ein weiterer<br />
Schwerpunkt der Bayer Cares Foundation:<br />
Während das Unternehmen in<br />
Katastrophenfällen Soforthilfe in Form<br />
von Geld- und Sachspenden leistet,<br />
konzentriert sich die Stiftung auf die<br />
Unterstützung nachhaltiger Wiederaufbauprojekte,<br />
die sie gemeinsam mit den<br />
Bayer-Landesgesellschaften sowie Partnerorganisationen<br />
in den Katastrophengebieten<br />
umsetzt. Dabei fließen neben<br />
finanziellen Mitteln auch Kompetenzen<br />
des Bayer-Konzerns unterstützend in die<br />
Hilfsmaßnahmen ein. In <strong>2013</strong> spendeten<br />
die Mitarbeiter alleine 52.000 Euro für<br />
die Opfer des Hochwassers in Bitterfeld.<br />
Der Konzern ergänzte diesen Betrag um<br />
weitere 50.000 Euro. Das Geld finanzierte<br />
Wiederauf bau-Projekte gemeinnütziger<br />
Organisationen, die Kindern und<br />
Jugendlichen in der Region Bitterfeld<br />
zugute kommen.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
59
TCHIBO<br />
„Kinder in Guatemala<br />
unterstützen“<br />
Von Karina Schneider<br />
Nachhaltigkeit ist für Tchibo der Schlüssel zu hochwertiger Kaffeequalität. 2012 waren bei Tchibo<br />
bereits über 25 Prozent des verarbeiteten Rohkaffees in das Nachhaltigkeitskonzept einbezogen.<br />
Darüber hinaus engagiert sich Tchibo mit eigenen sozialen Projekten in den Kaffeeanbauregionen.<br />
Nach dem Prinzip „Hilfe zur Selbsthilfe“ werden auf diese Weise die Lebensbedingungen der<br />
Kaffeefarmer, ihrer Familien und Mitarbeiter weiter verbessert. Jüngstes Beispiel ist ein Bildungsprojekt<br />
für Kinder von Erntehelfern in Guatemala. Zusammen mit der Kinderrechtsorganisation<br />
Save the Children hat Tchibo Kindertagesstätten geschaffen, in denen die Kinder während der<br />
Ernte je nach Alter vorschulisch oder schulisch betreut werden. Seit April <strong>2013</strong> fließen zehn Cent<br />
von jedem verkauften Pfund Privat Kaffee in das Projekt.<br />
Mehr Informationen unter:<br />
www.tchibo.de/kinder-projekt<br />
In den zerklüfteten Steilhängen von<br />
Chiquimula in Guatelama wächst geschmacksinteniver<br />
Hochland-Arabica-<br />
Kaffee. In der Erntezeit von November<br />
bis Februar sind die Kaffeefarmer auf<br />
die Unterstützung durch Erntehelfer<br />
angewiesen, die die Bohnen von Hand<br />
pflücken. Die Kinder dieser Erntehelfer<br />
haben während der Pflücksaison Schulferien<br />
und begleiten ihre Eltern auf die<br />
Felder. Alternativen hierzu gibt es bisher<br />
nicht. So spielen die jüngeren Kinder<br />
auf den Kaffeefeldern, und die älteren<br />
helfen den Eltern traditionsgemäß bei<br />
der Arbeit. Dabei kommt es vor, dass<br />
die Grenze zur verbotenen Kinderarbeit<br />
überschritten wird. „Dagegen wollen wir<br />
etwas tun. Für uns ist dieser Einsatz für<br />
Kinderrechte gelebte Unternehmensverantwortung<br />
und ein weiterer Schritt<br />
auf unserem Weg zu einer 100 Prozent<br />
nachhaltigen Geschäftstätigkeit“, sagt<br />
Achim Lohrie, Direktor Unternehmensverantwortung<br />
Tchibo.<br />
Kindertagesstätten für die Kinder<br />
der Erntehelfer<br />
Da es in Guatemala kaum private oder<br />
öffentliche Versorgungsmöglichkeiten für<br />
Kinder arbeitender Eltern gibt, setzt das<br />
Projekt an diesem Punkt an: „Wir haben<br />
in der Region Chiquimula Betreuungsangebote<br />
für die zwei- bis 13-jährigen Kinder<br />
der Erntehelfer geschaffen. Ihre Eltern<br />
können sie ab der Erntesaison, die im<br />
November <strong>2013</strong> gestartet ist, tagsüber in<br />
einem von sechs sogenannten „Child Care<br />
Centern“ betreuen lassen und müssen<br />
sie nicht mehr mit zur Arbeit nehmen“,<br />
führt Lohrie aus. Geschulte Erzieher von<br />
Save the Children kümmern sich um die<br />
Kinder. Während die Kleinen spielerisch<br />
lernen, können die Größeren schulische<br />
Inhalte vertiefen. Das ist besonders wich-<br />
60 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Good Practice<br />
Menschenrechte<br />
tig, weil die Erntezeit oft länger dauert<br />
als die Schulferien, wodurch die Kinder<br />
den Schulanfang verpassen.<br />
Darüber hinaus bekommen die Kinder<br />
täglich zwei ausgewogene Mahlzeiten<br />
und werden medizinisch versorgt: „Um<br />
die Betreuung auch außerhalb der Erntesaison<br />
anbieten zu können, kooperieren<br />
wir zusätzlich mit 18 Schulen in der<br />
Region“, erklärt Lohrie weiter. Auf dem<br />
Stundenplan stehen beispielsweise Lesen<br />
und Mathematik. „Wir bringen unsere<br />
mehr als 30-jährige Erfahrung vor Ort<br />
mit, unser Wissen, wie man Bildung<br />
in einem schwierigen Umfeld voranbringt<br />
und Kinderrechte durchsetzt“,<br />
betont Kathrin Wieland, Geschäftsführerin<br />
Save the Children <strong>Deutschland</strong>.<br />
Die Vorbereitungen zur Umsetzung der<br />
Bildungs- und Betreuungsangebote ab<br />
November sind abgeschlossen, und auf<br />
Informationsnachmittagen wurde das<br />
Kinder in Guatemala schulisch<br />
benachteiligt<br />
Auch wenn in Guatemala der kostenlose<br />
Schulbesuch bis inklusive des 14. Lebensjahres<br />
verpflichtend ist, können<br />
nicht viele Kinder die Schule mit einem<br />
Abschluss beenden. Ein Grund dafür ist<br />
häufig, dass ihre Eltern oftmals weder<br />
lesen noch schreiben können. Das Bildungsprojekt<br />
von Tchibo und Save the<br />
Children versucht, diesen Kreislauf zu<br />
durchbrechen.<br />
Darüber hinaus sollten mögliche kulturelle<br />
Hindernisse durch Elternabende<br />
überwunden werden, die vor allem das<br />
Bewusstsein der Erntehelfer für die Bedeutung<br />
von Bildung stärken.<br />
Voraussetzungen für<br />
Dauerhaftigkeit<br />
Das Kinder-Projekt ist zunächst auf zwei<br />
Jahre angelegt. Ziel ist es, mindestens<br />
1.000 Kinder mit dem Betreuungsangebot<br />
zu erreichen. Eine Bewertungsanalyse<br />
nach Abschluss des Projekts soll zeigen,<br />
wie die Erfolge dauerhaft gesichert werden<br />
können. Dazu müssen neben den<br />
Eltern weitere Partner von den Vorzügen<br />
der Kitas überzeugt werden: „Uns ist<br />
es gelungen, staatliche Stellen und die<br />
Kaffeekooperativen mit in die weitere<br />
Umsetzung einzubeziehen“, sagt Wieland.<br />
Diese können später das Projekt<br />
übernehmen und weiter ausrollen.<br />
Kinder-Projekt allen wichtigen Beteiligten<br />
vorgestellt. Inzwischen stehen die<br />
sechs Betreuungszentren fest. Save the<br />
Children-Mitarbeiter waren vor Ort, um<br />
zu erklären, was in den Projekten passiert<br />
und was benötigt wird. Insgesamt gab es<br />
überaus positive Rückmeldungen: Viele<br />
Eltern haben spontan angeboten, sich<br />
zu engagieren und z. B. bei der Essenszubereitung<br />
für die Kinder zu helfen.<br />
Auch die Resonanz, an Eltern-Trainings<br />
mitzumachen, lag bei den Befragten bei<br />
über 90 Prozent. Ebenso sind Lehrer und<br />
Mitarbeiter für das Projekt verpflichtet<br />
und ausgebildet worden.<br />
Natürlich müssen auch die Eltern der<br />
Kinder mit eingebunden werden, damit<br />
das Projekt funktionieren kann. Um<br />
sicherzustellen, dass die Farmer und<br />
Erntehelfer die Kitas annehmen, hatte<br />
Tchibo zuvor ein Pilotprojekt mit drei<br />
Einrichtungen für 90 Kinder in der Rohkaffee-Anbauregion<br />
Huehuetenango in<br />
Guatemala durchgeführt. „Die Kitas sind<br />
gut, weil wir in Ruhe arbeiten können,<br />
während man sich um die Kinder kümmert.<br />
Sie können nicht stürzen oder<br />
hungrig sein, weil wir ihnen nicht rechtzeitig<br />
was zu essen geben können“, sagt<br />
die Kaffeepflückerin Rosa Guzmann.<br />
Für sein Engagement hat Tchibo bisher<br />
durchweg positives Feedback und auch<br />
Anregungen für die weitere Projektumsetzung<br />
bekommen. Das hilft, weil<br />
das Thema Kinderarbeit eine hohe sachliche<br />
und emotionale Komplexität hat<br />
und im jeweiligen kulturellen Kontext<br />
zu behandeln ist. „Ich freue mich auch<br />
über die Unterstützung durch unsere<br />
Mitarbeiter in unserer Unternehmenszentrale<br />
in Hamburg. Die Kollegen machen<br />
sich bei einem schwierigen Thema<br />
auf unserem Weg zu einer 100 Prozent<br />
nachhaltigen Geschäftstätigkeit besonders<br />
stark“, sagt Lohrie.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
61
Audi<br />
Nachhaltigkeit in der<br />
Bildung verankern<br />
Die laufende UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ hat zum Ziel, allen Menschen<br />
Bildungschancen für eine lebenswerte Zukunft zu eröffnen und zugleich das Wissen um<br />
Nachhaltigkeit in der Bildungslandschaft zu verankern. Audi leistet durch zahlreiche Aus‐ und<br />
Weiterbildungsinitiativen einen Beitrag zu dieser Zielsetzung. Das Spektrum erstreckt sich von<br />
der Förderung leistungsschwacher Schüler, über duale Ausbildungsgänge bis hin zur Promotion.<br />
Von Dr. Peter F. Tropschuh und Dr. Antonia Wadé<br />
In <strong>Deutschland</strong> verlassen rund sechs<br />
Prozent eines Jahrgangs die Schule ohne<br />
einen qualifizierenden Abschluss und<br />
damit ohne Perspektive auf einen Ausbildungsplatz.<br />
Audi verfolgt das Ziel,<br />
diese Jugendlichen zu unterstützen, ihre<br />
schulischen Defizite durch Förderung<br />
auszugleichen, ihre Sozialkompetenz<br />
zu steigern und damit die Chancen auf<br />
dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Mit der<br />
EQ Plus- bzw. EQ-Einstiegsqualifizierung,<br />
bzw. einem sogennanten Förderjahr<br />
bietet Audi in Zusammenarbeit mit<br />
der Agentur für Arbeit förderbedürftigen<br />
jungen Menschen eine Perspektive<br />
auf Ausbildung. In einem Jahr erwerben<br />
die Jugendlichen handwerkliche<br />
Grundkenntnisse, werden in die Arbeitswelt<br />
integriert und ihre Persönlichkeit<br />
entwickelt, um danach Chancen für<br />
einen Ausbildungsplatz bei Audi oder<br />
in einem anderen Unternehmen zu<br />
haben. Teilweise können auch durch<br />
entsprechende Fördermaßnahmen nicht<br />
erreichte Schulabschlüsse, wie z. B. der<br />
qualifizierende Hauptschulabschluss in<br />
Bayern, nachgeholt werden. Deutlich<br />
mehr als die Hälfte dieser Jugendlichen<br />
starten nach diesem Förderjahr eine Berufsausbildung<br />
bei Audi, im normalen<br />
Auswahlprozess hätten sie mit ihrem<br />
Bewerberprofil keine Chance für einen<br />
dieser attraktiven Ausbildungsplätze<br />
gehabt. Mit einem klaren Ziel vor Augen<br />
können durch Motivation, Engagement<br />
und Leistungsbereitschaft auch schlechte<br />
Leistungen im Abschlusszeugnis ausgeglichen<br />
werden. Dies ist ein Beitrag zur<br />
Bildungsgerechtigkeit in <strong>Deutschland</strong>.<br />
Nachhaltig(keit) in der Ausbildung<br />
lernen<br />
Nachhaltigkeit in der Ausbildung umfasst<br />
für Audi mehrere Aspekte: Auf<br />
persönlicher Ebene sollen Arbeits-, Sozial-<br />
und Selbstlernkompetenzen der<br />
Auszubildenden so gestärkt werden,<br />
dass sie den Anforderungen in Sachen<br />
lebenslanges Lernen gerecht werden<br />
können. In allen Ausbildungsbereichen<br />
achtet Audi deshalb auf eine ganzheitliche<br />
Förderung der Auszubildenden, die<br />
sich nicht nur auf die Vermittlung von<br />
Wissen beschränkt, sondern auch die<br />
persönliche Entwicklung der Auszubildenden<br />
zum Ziel hat. Auf fachlicher Ebene<br />
wurde das berufsspezifische Wissen<br />
um wesentliche Nachhaltigkeitsaspekte<br />
ergänzt: Die Auszubildenden erhalten<br />
Informationen über die wichtigsten CO 2<br />
-<br />
Hebelwirkungen am Automobil und<br />
in der Produktion, die Möglichkeiten<br />
alternativer Antriebstechnologien und<br />
die Anforderungen, die sich aus dem<br />
Klimawandel, der Urbanisierung von<br />
Lebensräumen oder der Altersstruktur<br />
unserer Gesellschaft ergeben. Was aber<br />
bedeutet Nachhaltigkeit auf Unternehmensebene?<br />
Welche Verantwortung hat<br />
62 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Good Practice<br />
Arbeitsnormen<br />
das Unternehmen, und welchen Beitrag<br />
kann jeder Einzelne im Unternehmen<br />
leisten? In einem Pilotprojekt, das im<br />
Ausbildungsjahr 2014 beginnt, will das<br />
Unternehmen theoretisches Wissen zu<br />
Nachhaltigkeit als festen Bestandteil<br />
in der Ausbildung verankern und den<br />
Nachwuchs damit systematisch auf die<br />
ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen<br />
Herausforderungen des<br />
Unternehmens vorbereiten.<br />
Duale Ausbildung – ein<br />
„Exportschlager“ für Audi<br />
In <strong>Deutschland</strong> erhalten junge Menschen<br />
klassischerweise im Rahmen der „dualen“<br />
Berufsausbildung ihre berufliche<br />
Handlungsfähigkeit. „Dual“ bezieht sich<br />
dabei auf die parallele Ausbildung im<br />
Unternehmen und einer staatlichen Berufsschule.<br />
Darüber hinaus bietet Audi<br />
in <strong>Deutschland</strong> die Möglichkeit, weitere<br />
staatlich anerkannte Abschlüsse mit<br />
einer praktischen Ausbildung zu verbinden:<br />
etwa den Erwerb des Fachabiturs<br />
oder eines Bachelor of Engineering.<br />
Der Erfolg der dualen Ausbildung hat<br />
Audi dazu bewogen, das Modell auch<br />
auf andere Standorte zu übertragen. Drei<br />
Jahre vor Eröffnung des neuen Automobilwerks<br />
in San José Chiapa (Mexiko) hat<br />
Audi im Herbst <strong>2013</strong> mit der Ausbildung<br />
der ersten jungen Facharbeiter in Nordamerika<br />
begonnen. 64 mexikanische<br />
Auszubildende erlernen dort den Beruf<br />
des Mechanikers oder Mechatronikers<br />
nach dem Vorbild des bewährten dualen<br />
Berufsbildungssystems aus <strong>Deutschland</strong>.<br />
Weltweit kombiniert Audi die Theorieausbildung<br />
örtlicher Fachschulen mit<br />
Praxiserfahrung in den Lehrwerkstätten.<br />
Die Audi Hungaria in Györ (Ungarn) hat<br />
das Bildungsmodell bereits vor zwölf<br />
Jahren erfolgreich eingeführt, seit 2011<br />
mit einem eigenen Trainingszentrum.<br />
Am Standort Brüssel läuft die duale Berufsbildung<br />
in einer Pilotphase. Dort ist<br />
Audi das erste Industrieunternehmen<br />
überhaupt, das diese Form der Berufsausbildung<br />
anbietet. Auch in China kooperiert<br />
Audi mit der Berufsschule in<br />
Changchun und baut diese Kooperation<br />
kontinuierlich aus. Für die Auszubildenden<br />
an den internationalen Standorten<br />
von Audi eröffnen sich auf diese Weise<br />
ganz neue Perspektiven: Die Verbindung<br />
einer fundierten praktischen Ausbildung<br />
mit starkem theoretischem Überbau.<br />
Kooperation mit Hochschulen<br />
Auch beim Thema Studium legt Audi<br />
Wert auf ein integriertes Konzept. Mit<br />
„Studium und Erfahrung in der Praxis“<br />
entstand 2005 in Ingolstadt das Modell<br />
eines Verbundstudiums, d.h. eine Verbindung<br />
von Berufsausbildung und Studium.<br />
Die Studieninhalte werden von<br />
der Technischen Hochschule Ingolstadt<br />
in Zusammenarbeit mit Audi stetig aktualisiert<br />
und gegebenenfalls komplett<br />
neu aufgelegt. So führte die veränderte<br />
Situation der deutschen Energielandschaft<br />
2012 zur Erweiterung der bisherigen<br />
Studiengänge um den Studiengang<br />
„Technik Erneuerbarer Energien“.<br />
Nachhaltigkeit auch jenseits unseres<br />
Kerngeschäfts in der Hochschulbildung<br />
zu verankern, ist Ziel des Stiftungslehrstuhls<br />
für „Unternehmerisches Handeln,<br />
globale Verantwortung und Nachhaltigkeit“,<br />
den Audi im Jahr <strong>2013</strong> an der<br />
Zeppelin Universität (Friedrichshafen)<br />
am European Center for Sustainability<br />
Research gegründet hat. Die dortige Forschung<br />
beschäftigt sich mit der Frage,<br />
welche Auswirkungen die Wirtschaftstätigkeit<br />
auf die natürliche Umwelt hat<br />
und unter welchen Rahmenbedingungen<br />
sie „gut“ für die Menschen ist. Sie<br />
erweitert damit das Verhältnis von Kultur<br />
und Ökonomie um eine Nachhaltigkeitsperspektive.<br />
Wie aber profitiert Audi von diesem<br />
Engagement? Wer als Audi-Mitarbeiter<br />
vertieft wissenschaftlich arbeiten oder<br />
als externer Partner in Zusammenarbeit<br />
mit Audi forschen möchte, kann neben<br />
dem Stiftungslehrstuhl zu Nachhaltigkeit<br />
weltweit auf Hochschulen zugreifen, die<br />
Audi in den „Wissenschaftskooperationen“<br />
bündelt. Neben Praktika, Bachelorund<br />
Masterarbeiten forschen aktuell<br />
über 130 Promovierende im Rahmen<br />
des Audi Doktorandenprogramms an<br />
zukunftsweisenden Technologien und<br />
innovativen Ideen.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
63
BOSCH<br />
Arbeitsschutzmanagement:<br />
Mit System zum Erfolg<br />
Das Management von Arbeits- und Gesundheitsschutz der Beschäftigten zählt zu den wichtigen<br />
Prozessen eines Unternehmens, in erster Linie aus humanen Gründen, aber auch aus wirtschaftlicher<br />
Sicht: Arbeitsunfälle und berufsbedingte Erkrankungen kosten sowohl die Gesellschaft<br />
als auch die Unternehmen viel Geld. Heute verbinden sich Erfordernisse der Ergonomie, der<br />
menschengerechten Arbeitsgestaltung und des Gesundheitsschutzes mit technischen Sicherheitsaspekten<br />
zu einer systemorientierten Betrachtungsweise des Arbeitsschutzes.<br />
Von Bernhard Schwager und Carsten Pipper<br />
Effizient organisierter Arbeitsschutz wird<br />
als Wettbewerbsfaktor immer wichtiger.<br />
Denn Produktivität und Qualität hängen<br />
entscheidend von der Gesundheit und<br />
Motivation der Belegschaft ab. Betriebliche<br />
Abläufe können nur störungsfrei<br />
laufen, wenn Sicherheit und Gesundheitsschutz<br />
praxisgerecht berücksichtigt<br />
werden. Wirksame Arbeitsschutzmanagementsysteme<br />
versprechen hierbei<br />
den größten Nutzen. Wir haben deshalb<br />
in der Bosch-Gruppe den Arbeits- und Gesundheitsschutz<br />
in unsere Managementprozesse<br />
integriert und ein Arbeitsschutzmanagementsystem<br />
nach international<br />
anerkannten Standards eingeführt. Wir<br />
führen systematische Gefahrenanalysen<br />
durch, erkennen potenzielle Unfall- und<br />
Gesundheitsrisiken sehr früh und beugen<br />
so berufsbedingten Erkrankungen<br />
vor. Sind die Gefahrenquellen bekannt,<br />
können frühzeitig geeignete Präventionsmaßnahmen<br />
eingeleitet und die<br />
Mitarbeiter gezielt geschützt werden.<br />
Da Ereignisse wie Unfälle oder Arbeitsausfälle<br />
dokumentiert werden, können<br />
anhand der Dokumentation Zahlen und<br />
Werte verglichen und Erfolge gemessen<br />
werden. Außerdem lassen sich neue Ziele<br />
vereinbaren und kontrollieren.<br />
Arbeitsschutzziel der Bosch-Gruppe<br />
Die Verhinderung von Arbeitsunfällen<br />
und berufsbedingten Erkrankungen haben<br />
wir weltweit in unseren Leitsätzen<br />
zum Arbeits- und Umweltschutz verankert.<br />
Die Bosch-Gruppe hat langfristige<br />
Ziele zur Reduzierung der Unfallzahlen<br />
festgelegt: bis 2020 will das Unternehmen<br />
auf einen Wert von 3 berichtspflichtigen<br />
Arbeitsunfällen pro einer Million<br />
geleisteter Arbeitsstunden kommen. An<br />
allen der rund 300 Fertigungs- und Entwicklungsstandorte<br />
weltweit arbeiten<br />
Führungskräfte, Sicherheitsfachkräfte<br />
64 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Good Practice<br />
Arbeitsnormen<br />
und Arbeitsmediziner an der Zielerreichung<br />
und setzen sich engagiert für die<br />
Ziele auf allen regionalen und lokalen<br />
Ebenen ein. Über die Zielerreichung<br />
berichten die Standorte quartalsweise an<br />
ihren zuständigen Geschaftsbereich und<br />
die Zentrale, die bei Bedarf Maßnahmen<br />
und Kampagnen an den Standorten unterstützt.<br />
Unser internationales „Steering<br />
Committee“ setzt sich aus 15 regionalen<br />
EHS-Koordinatoren (Environment,<br />
Health, Safety) zusammen und steuert<br />
die weltweite Umsetzung unserer strategischen<br />
Ziele und Standards. Dazu<br />
gehört auch die Optimierung von Produktionsprozessen.<br />
Interne Vorgaben und Normen<br />
Für die Bosch-Gruppe gibt es verbindliche<br />
Normen, in denen Mindestanforderungen<br />
zum Arbeits- und Gesundheitsschutz<br />
festgelegt sind. Durch systematische<br />
Gefährdungsbeurteilungen ermitteln die<br />
Standorte Gefahren an Arbeitsplätzen<br />
und für Tätigkeiten und leiten daraus<br />
notwendige Schutzmaßnahmen ab, beispielsweise<br />
an Maschinen und Anlagen<br />
oder beim Umgang mit Gefahrstoffen.<br />
Bosch schult die Führungskräfte für<br />
ihre Aufgaben und Pflichten im Arbeitsund<br />
Gesundheitsschutz, unter anderem<br />
zur Durchführung von regelmäßigen<br />
Sicherheitsunterweisungen der Mitarbeiter<br />
über sicherheitsgerechtes Verhalten.<br />
Dafür werden aktuelle Informationen,<br />
Handlungshilfen, Checklisten und Unterweisungsmaterialien<br />
für den betrieblichen<br />
Arbeitsschutz und die Gesundheitsförderung<br />
zur Verfügung gestellt.<br />
Betriebsanweisungen sind ebenfalls ein<br />
wichtiges Instrument in der Prävention.<br />
Damit werden unsere Mitarbeiter weltweit<br />
über Gefahren und Schutzmaßnahmen<br />
am Arbeitsplatz informiert.<br />
Positive Bilanz<br />
Seit 2007 hat Bosch an allen Fertigungsund<br />
Entwicklungsstandorten ein Arbeitsschutzmanagementsystem<br />
eingeführt<br />
und gehört damit international<br />
zu den Vorreitern bei der Umsetzung<br />
des Standards OHSAS 18001 – mit positiver<br />
Auswirkung, denn dadurch ist<br />
der Arbeitsschutz weltweit einheitlich<br />
strukturiert und gleichzeitig vereinfacht.<br />
Unfallzahlen und Ausfalltage sind deutlich<br />
zurückgegangen und belegen, dass<br />
die getroffenen Sicherheitsmaßnahmen<br />
erfolgreich greifen. Im Vergleich zum<br />
Jahr 2007 (6,9) sank die Unfallrate in<br />
2012 (4,2) um ca. 40 Prozent. Die Zahl<br />
der Arbeitsunfälle hat sich entsprechend<br />
von 3.012 im Jahr 2007 auf 2.012 in<br />
2012 reduziert. Dabei ist die Zahl der<br />
Mitarbeiter im gleichen Zeitraum um<br />
ca. elf Prozent gestiegen und liegt heute<br />
bei gut 300.000. Auch die Ausfallzeiten<br />
sind zurückgegangen. Waren es im Jahr<br />
2007 noch 39.311 Tage, lag die Zahl 2012<br />
bei 26.016 Tagen. Das entspricht einer<br />
Reduktion um ca. 34 Prozent.<br />
Kontinuierlicher<br />
Verbesserungsprozess<br />
Es bedarf ständiger Anstrengung, damit<br />
solche Reduzierungen dauerhaft<br />
aufrechterhalten werden können. Für<br />
die Weiterentwicklung und Verbesserung<br />
der Standards arbeitet Bosch in<br />
internen und externen Arbeitskreisen<br />
sowie Gremien mit Fachleuten zusammen<br />
und setzt Verbesserungsinitiativen<br />
konsequent um. Wir binden die Arbeitnehmervertretungen<br />
aktiv mit ein<br />
und kommunizieren die Good-Practice-<br />
Lösungen an alle Standorte, um einen<br />
kontinuierlichen Verbesserungsprozess<br />
zu erreichen. Ein Schwerpunkt ist hier<br />
das Erkennen potenzieller Unfall- und<br />
Gesundheitsrisiken für Mitarbeiter, um<br />
geeignete Präventionsmaßnahmen frühzeitig<br />
einzuleiten.<br />
Die Sicherheitsfachkräfte beraten die<br />
Standorte umfassend bei allen Fragen<br />
rund um die Anlagen-, Prozess- und Betriebssicherheit.<br />
Egal ob es sich dabei um<br />
die Bearbeitung sicherheitstechnischer<br />
Einzelfragen, praktische Lösungen für<br />
verfahrenstechnische Anlagen oder die<br />
Unterstützung bei systematischen Sicherheitsbetrachtungen<br />
handelt. Zudem<br />
unterstützen die Fachkräfte bei der Umsetzung<br />
gesetzlicher Verpflichtungen.<br />
Bosch Grundsatz<br />
zum Arbeits- und<br />
Gesundheitsschutz<br />
Die Sicherheit am Arbeitsplatz<br />
und die körperliche Unversehrtheit<br />
unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
hat für uns hohe Priorität.<br />
Nationale Standards für ein sicheres<br />
und hygienisches Arbeitsumfeld<br />
werden strikt eingehalten. Dadurch<br />
werden die Gesundheit und die<br />
Sicherheit am Arbeitsplatz und somit<br />
gesundheitsgerechte Beschäftigungsbedingungen<br />
gewährleistet.<br />
Arbeitssicherheit<br />
Betriebsunfälle<br />
3.000<br />
2.000<br />
3.012<br />
2.687<br />
2.128<br />
1.000<br />
1.818<br />
0<br />
1.913 2.012<br />
Ausfalltage<br />
30.000<br />
39.311<br />
36.250<br />
20.000<br />
10.000<br />
0<br />
24.672<br />
28.037<br />
27.082 26.016<br />
Mitarbeiterzahl<br />
2007 2008 2009 2010 2011 2012<br />
300.000<br />
200.000<br />
271.265 281.717 270.687 283.507<br />
302.519 305.877<br />
100.000<br />
0<br />
* Prozentangaben zu 2012 beziehen sich auf das Basisjahr 2007<br />
- 33,2 % *<br />
- 33,8 % *<br />
+ 12,8 % *<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
65
MERCK<br />
Von Vielfalt profitieren<br />
Rund 38.000 Menschen in 66 Ländern gestalten die Zukunft des Pharma-, Chemie- und Life-<br />
Science-Unternehmens Merck. Sechs Unternehmenswerte prägen das tägliche Handeln und<br />
den Umgang der Mitarbeiter untereinander: Mut, Leistung, Verantwortung, Respekt, Integrität<br />
und Transparenz. Seit dem Jahr 2005 unterstützt Merck den <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> der Vereinten<br />
Nationen. Als Teil seiner Verantwortung gegenüber Mitarbeitern und Gesellschaft fördert das<br />
Unternehmen Chancengleichheit und verhindert Diskriminierung. Seit drei Jahren geht Merck<br />
einen Schritt weiter und setzt einen strategischen Schwerpunkt auf die Förderung von Vielfalt<br />
und auf eine Kultur des respektvollen Umgangs. Beide Aspekte nutzt Merck gezielt als Erfolgsfaktoren<br />
für das Unternehmen.<br />
Von Friederike Segeberg<br />
Merck ist davon überzeugt, dass die Vielfalt<br />
(Diversity) seiner Belegschaft zu mehr<br />
Innovationen und besseren Teamleistungen<br />
führt. Darüber hinaus ist es für<br />
Merck als globales Unternehmen wichtig,<br />
dass seine Mitarbeiter die Bedürfnisse<br />
von Kunden, Lieferanten und Geschäftspartnern<br />
überall auf der Welt verstehen.<br />
Der zentrale Begriff der Merck-Diversity-<br />
Strategie lautet Inklusion: Alle Mitarbeiter<br />
sollen ihre Ideen einbringen und zum<br />
Geschäftserfolg beitragen können – egal<br />
beispielsweise, welches Geschlecht oder<br />
welche Nationalität sie haben. „Vielseitige<br />
und integrierte Teams liefern bessere und<br />
kreativere Ergebnisse. Nur wenn unsere<br />
Mitarbeiter unterschiedliche Meinungen<br />
und Arbeitsweisen akzeptieren und damit<br />
arbeiten können, können wir in einem<br />
internationalen Umfeld erfolgreich sein<br />
und neue Ideen entwickeln“, erläutert<br />
Jennifer O’Lear, Chief Diversity Officer<br />
von Merck. Deshalb definiert das Unternehmen<br />
den Begriff Vielfalt bewusst<br />
breiter: Er kann alles umfassen, wodurch<br />
sich Menschen voneinander unterscheiden.<br />
Schwerpunkte der Strategie sind<br />
daher neben Frauenförderung, Internationalität<br />
und demografischer Wandel<br />
auch Aspekte wie sexuelle Orientierung<br />
oder Chancen für Behinderte. Die oberste<br />
Verantwortung für Vielfalt und Inklusion<br />
trägt Kai Beckmann, der als Mitglied der<br />
Geschäftsleitung für den Bereich Personal<br />
verantwortlich ist. Die strategische Steuerung<br />
übernimmt der Chief Diversity Officer,<br />
der dem Diversity Council vorsteht.<br />
Führungskräfte aus den verschiedenen<br />
Sparten und Konzernfunktionen bilden<br />
dieses Gremium und entscheiden über<br />
die strategische Weiterentwicklung von<br />
Vielfalt und Inklusion.<br />
66 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Good Practice<br />
Arbeitsnormen<br />
Mit Netzwerken Diversity fördern<br />
Im Jahr <strong>2013</strong> konzentrierten sich die<br />
Diversity-Maßnahmen vor allem auf die<br />
Themen Frauen in Führungspositionen,<br />
Internationalität und demografischer<br />
Wandel. Um den Austausch zwischen<br />
den Mitarbeitern zu unterstützen und<br />
Vielfalt im Unternehmen zu verankern,<br />
fördert Merck gezielt interne Netzwerke.<br />
Im November <strong>2013</strong> präsentierten sich<br />
beispielsweise verschiedene Gruppen<br />
wie die „International Community“,<br />
das „Rainbow Network“ für Schwule<br />
und Lesben oder das Frauen-Netzwerk<br />
Association“ und vergibt hierfür jährlich<br />
zwei Mitgliedschaften. Im Oktober <strong>2013</strong><br />
richtete Merck zudem das europäische<br />
Mitgliedstreffen des Netzwerks aus.<br />
Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Die<br />
Kindertagesstätte Merck wurde bereits 1968<br />
auf Initiative der Familie Merck gegründet.<br />
„Women at Merck“ den Mitarbeitern am<br />
Stammsitz Darmstadt bei einer Netzwerkveranstaltung.<br />
Darüber hinaus tauschen<br />
sich der Chief Diversity Officer und das<br />
für Personal zuständige Mitglied der<br />
Geschäftsleitung regelmäßig mit den<br />
Netzwerken aus.<br />
Frauen gezielt zu fördern und ihren<br />
Anteil überall dort zu erhöhen, wo sie<br />
unterrepräsentiert sind, ist ein zentrales<br />
Anliegen von Merck. Im Jahr 2011 hat<br />
sich das Unternehmen das Ziel gesetzt,<br />
den Anteil von Frauen in Führungspositionen<br />
bis 2016 auf 25 bis 30 Prozent zu<br />
erhöhen. Darüber hinaus fördert Merck<br />
Frauen mit vielfältigen lokalen Maßnahmen:<br />
Sie profitieren unter anderem von<br />
speziellen Weiterbildungsmaßnahmen,<br />
beispielsweise zu Führungskompetenzen<br />
und Selbstmarketing, sowie von Schulungen<br />
und einem Mentoring-Programm.<br />
Zwei interne Netzwerke sollen den Erfahrungsaustausch<br />
erleichtern und fördern.<br />
Das Netzwerk „Women in Leadership“<br />
richtet sich an Frauen in höheren Führungspositionen;<br />
„women2management“<br />
hingegen steht Mitarbeiterinnen offen,<br />
die eine Führungsrolle anstreben. Außerdem<br />
unterstützt Merck die internationale<br />
„Healthcare Businesswomen’s<br />
Flexible Arbeitszeiten und Kinderbetreuungsmöglichkeiten<br />
helfen Merck-<br />
Mitarbeitern in vielen Ländern dabei, die<br />
Balance zwischen beruflichen und privaten<br />
Zielsetzungen zu halten: Am Standort<br />
der Life-Science-Sparte Merck Millipore in<br />
Massachusetts, USA, bestimmen die Mitarbeiter<br />
im Rahmen von „FlexWorks“ selbst,<br />
wann und wo sie arbeiten. In Darmstadt<br />
profitieren außertarifliche Mitarbeiter<br />
seit dem Jahr <strong>2013</strong> von einem ähnlichen<br />
Angebot. Seit mehr als 40 Jahren gibt es<br />
hier außerdem eine Kindertagesstätte,<br />
die von der Eigentümerfamilie getragen<br />
wird (Merck’scher Kindertagesstätten-<br />
Verein e. V.). Seit Ende <strong>2013</strong> stehen insgesamt<br />
150 Plätze zur Verfügung. Das<br />
Aufnahmealter für Krippenkinder wurde<br />
auf unter zwölf Monate gesenkt. Anfang<br />
<strong>2013</strong> startete zudem die Service-Plattform<br />
„assistance4me“: Mitarbeiter von Merck<br />
in <strong>Deutschland</strong> erhalten hier professionelle<br />
Hilfe bei der Suche und Vermittlung<br />
von Dienstleistern rund um die Themen<br />
Kinderbetreuung, Senioren und Pflege<br />
sowie Haus und Garten.<br />
Internationale und altersgemischte<br />
Teams als Erfolgsfaktor<br />
Als weltweit tätiges Unternehmen fördert<br />
Merck die internationale und interkulturelle<br />
Vielfalt seiner Mitarbeiter mit<br />
Auslandseinsätzen und internationaler<br />
Teamarbeit. Insgesamt arbeiten bei<br />
Merck Menschen aus 121 Nationen; 26<br />
Prozent sind deutsche Staatsangehörige.<br />
Auch die Internationalität der Führungsmannschaft<br />
entspricht der weltweiten Geschäftstätigkeit:<br />
61 Prozent der Führungskräfte<br />
stammen nicht aus <strong>Deutschland</strong>.<br />
In <strong>Deutschland</strong>, einigen anderen EU-<br />
Ländern und in den USA beträgt das<br />
durchschnittliche Alter der Merck-Mitarbeiter<br />
mehr als 40 Jahre. Das Unternehmen<br />
begegnet der demografischen<br />
Herausforderung mit verschiedenen<br />
Programmen: Arbeitsplätze werden<br />
beispielsweise gezielt den Bedürfnissen<br />
älterer Mitarbeiter angepasst, um deren<br />
Beschäftigungsfähigkeit zu sichern.<br />
Darüber hinaus baut Merck derzeit ein<br />
Gesundheitsmanagement auf und bietet<br />
Angebote zur Prävention wie Sport- und<br />
Ernährungskurse, Vorsorgeuntersuchungen<br />
und medizinische Beratung.<br />
Um Vielfalt und Inklusion zukünftig<br />
noch fester im Unternehmen zu verankern,<br />
werden ab dem Jahr 2014 Merck-<br />
Mitarbeiter im jährlichen Mitarbeitergespräch<br />
auch anhand des Kriteriums<br />
bewertet, inwiefern sie mit unterschiedlichen<br />
Arbeitsweisen und Ansichten<br />
umgehen können. „Der Erfolg unserer<br />
Geschäfte mit forschungsbasierten Spezialitäten<br />
basiert auf Innovationen. Daher<br />
müssen wir kontinuierlich weiter<br />
daran arbeiten, dass wir ein Arbeitsumfeld<br />
schaffen, in dem jeder seinen<br />
Beitrag leisten kann“, erläutert O’Lear.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
67
QFC<br />
QFC integriert <strong>Global</strong><br />
<strong>Compact</strong> Prinzipien in die<br />
Aus- und Weiterbildung<br />
Von Helmut Krodel, Peter Schmitt und Silvia Lehmann<br />
Die Qualifizierungsförderwerk Chemie GmbH (QFC) gliedert die <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Prinzipien<br />
in ihr Kerngeschäft ein, um für Menschenrechte und Nachhaltigkeit zu sensibilisieren. Hierzu<br />
zwei gute Beispiele aus der Geschäftspraxis:<br />
Qualitätssiegel Q3SQ<br />
In einem intensiven Diskussionsprozess<br />
mit Stakeholdern aus geeigneten<br />
Bildungseinrichtungen hat das QFC<br />
den Qualitätsstandard Q3SQ (= Quality<br />
Standard for Social and Sustainable<br />
Qualification, Qualitätsstandard für soziale<br />
und nachhaltige Qualifizierung)<br />
entwickelt und 2008 als offizielle Marke<br />
registrieren lassen.<br />
Q3SQ umfasst neben Anforderungen an<br />
ein Qualitätsmanagement insbesondere<br />
die zehn Prinzipien des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>,<br />
die in Bildungseinrichtungen und in<br />
Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen<br />
implementiert und den Beschäftigten<br />
und den Aus- und Weiterzubildenden<br />
vermittelt werden müssen.<br />
Q3SQ wird als Ergebnis eines Auditverfahrens<br />
erteilt. Eine Jury, die sich aus<br />
Vertretern der Sozialpartner und der<br />
Wissenschaft zusammensetzt, entscheidet<br />
letztendlich über die Vergabe eines<br />
Zertifikates. Im Mai 2011 konnte das<br />
Siegel erstmals an folgende Bildungsdienstleister<br />
vergeben werden:<br />
• Ausbildungsverbund Olefinpartner<br />
e. V. aus Schkopau<br />
• Bildungszentrum für Beruf und Wirtschaft<br />
e. V. aus Lutherstadt Wittenberg<br />
• Bildungszentrum Wolfen-Bitterfeld<br />
e. V. aus Bitterfeld-Wolfen<br />
• Bildungsakademie Leuna GmbH &<br />
Co KG / IBLM Interessengemeinschaft<br />
Bildung Leuna-Merseburg e. V.<br />
Diese vier Bildungsdienstleister bilden<br />
ca. 1300 Aus- und Weiterzubildende<br />
für ca. 325 Unternehmen aus und haben<br />
bereits zahlreiche Maßnahmen<br />
umgesetzt, um die Anforderungen von<br />
Q3SQ in den Bereichen Menschenrechte,<br />
Arbeitsnormen, Umweltschutz und<br />
Korruptionsbekämpfung zu erfüllen,<br />
so z. B.:<br />
• Überprüfung der Lieferkette, Zusammenarbeit<br />
mit zertifizierten Händlern<br />
• Einkauf von Produkten mit geringerer<br />
CO 2<br />
-Emission<br />
• Auszubildende arbeiten im Rahmen<br />
ihrer Ausbildung einen Tag in sozialen<br />
Einrichtungen<br />
• Wahl eines Betriebsrates<br />
• Abschluss eines Tarifvertrages<br />
• Gehaltszahlung auf bzw. über der<br />
Basis des gesetzlichen Mindestlohns<br />
der Branche<br />
• Verwendung umweltverträglicher<br />
Materialien<br />
• Effizienter Materialeinsatz, Wiederverwendung<br />
/ Trennung und Recycling<br />
von Chemikalien<br />
• Umrüstungsprogramme zur Energieund<br />
Wassereinsparung<br />
• Sensibilisierung über Ressourcenverbrauch<br />
und Aufruf an die Beschäftigten<br />
zur Ideensammlung<br />
Qualifi zierungsförderwerk<br />
Chemie GmbH<br />
• Umweltprojekte in der Ausbildung<br />
• Bau einer Photovoltaikanlage durch<br />
auszubildende Elektroniker auf einem<br />
Ausbildungsgebäude mit öffentlicher<br />
Anzeigetafel über produzierte KWh<br />
und eingesparte Menge an CO 2<br />
• Im Beschaffungswesen „Mehr-Augen-<br />
Prinzip“ zur Korruptionsprävention<br />
68 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Good Practice<br />
Arbeitsnormen<br />
Ein weiteres Beispiel, wie QFC die <strong>Global</strong><br />
<strong>Compact</strong> Prinzipien im Rahmen seiner<br />
Projektaktivitäten umsetzt, ist das<br />
Projekt CaeSaR<br />
Gemeinsam mit der IG BCE hat das QFC<br />
2012 das Projekt CaeSaR (CSR-Aktivitäten<br />
für ethische und soziale Lösungen zur<br />
Schaffung eines innovativen Arbeitsumfeldes<br />
und für nachhaltigen Ressourceneinsatz)<br />
gestartet. Das auf drei Jahre<br />
angelegte Projekt ist dem CSR-Förderprogramm<br />
„Gesellschaftliche Verantwortung<br />
im Mittelstand – CSR in KMU“ des<br />
BMAS zugeordnet und unterstützt die<br />
Umsetzung des Aktionsplans CSR (Nationale<br />
Strategie zur gesellschaftlichen<br />
Verantwortung von Unternehmen) der<br />
Bundesregierung. Im Rahmen von CaeSaR<br />
werden die Grundlagen von CSR unter<br />
Einbeziehung nationaler und internationaler<br />
Initiativen (wie z. B. des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>)<br />
vermittelt, konkrete Ansatzpunkte<br />
in den Handlungsfeldern Arbeit, Umwelt,<br />
Markt und Gemeinwesen aufgezeigt sowie<br />
betriebliche CSR-Projekte initiiert.<br />
Bestandteil des Projektes war auch die<br />
Erstellung einer Kurzstudie, in der Bestpractice-Beispiele<br />
aus den Branchen der<br />
IG BCE und ein Analysetool zur Bewertung<br />
betrieblicher CSR-Aktivitäten vorgestellt<br />
werden. Im Rahmen von CaeSaR<br />
wird auch die berufsbegleitende Qualifizierung<br />
zur CSR-PromotorIn angeboten,<br />
die mit dem Zertifikat „CSR-Promotor/-in<br />
(FH)“ der Hochschule Trier abgeschlossen<br />
werden kann.<br />
Seit 2011 veröffentlicht das QFC einen<br />
CSR-Newsletter, um seine Stakeholder<br />
über aktuelle Entwicklungen im Bereich<br />
CSR und <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> sowie über<br />
Nachhaltigkeitsthemen zu informieren.<br />
Bis <strong>2013</strong> wurden über 35 CSR-Newsletter<br />
veröffentlicht.<br />
Das QFC als Unternehmen mit ca. 50<br />
Beschäftigten will mit diesen Beispielen<br />
zeigen, dass auch kleine und mittlere<br />
Unternehmen in ihrem Einflussbereich<br />
einen Beitrag zur Verbreitung der Prinzipien<br />
des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> leisten und<br />
sie durch praktische Beispiele für die<br />
Beschäftigten erfahrbar machen können.<br />
Qualifizierungsförderwerk Chemie<br />
Die Qualifizierungsförderwerk Chemie<br />
GmbH verfolgt gemeinnützige Geschäftszwecke.<br />
Sie wurde 1994 von der Industriegewerkschaft<br />
Chemie-Papier-Keramik<br />
gegründet; seit der Gewerkschaftsfusion<br />
zur Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie,<br />
Energie (IG BCE) ist diese alleinige<br />
Gesellschafterin des QFC.<br />
Die Hauptaufgabe der QFC GmbH bestand<br />
in den ersten Jahren darin, Menschen,<br />
die von Arbeitslosigkeit bedroht waren,<br />
durch Qualifizierungen einen beruflichen<br />
Neubeginn zu ermöglichen und bei der<br />
Umstrukturierung der aus den Chemiekombinaten<br />
Ostdeutschlands hervorgegangenen<br />
Unternehmen unterstützend<br />
und beratend zur Seite zu stehen.<br />
Mit gezielter Qualifizierung von Beschäftigten<br />
hat das QFC einen Beitrag zur<br />
Entwicklung und Wirtschaftsförderung<br />
der Industriestandorte im ehemaligen<br />
Chemiedreieck „Leuna-Buna-Bitterfeld“<br />
geleistet und den Strukturwandel der<br />
chemischen Industrie Ostdeutschlands<br />
begleitet und maßgeblich mit gestaltet.<br />
Heute ist das QFC eine international<br />
agierende Projekt- und Qualifizierungsagentur.<br />
Auf Basis einer gut ausgebauten<br />
Netzwerkstruktur konzentrieren sich die<br />
Aktivitäten auf die Bereiche: Erstausbildung,<br />
Qualifizierungsförderung, Transfermanagement<br />
/ Sozialpartnerrichtlinie<br />
und Europakompetenz.<br />
Das QFC versteht seine Arbeit als einen<br />
Beitrag zur Innovation, zu Nachhaltigkeit,<br />
zur Qualifikation, zu Beschäftigung<br />
und für die Zusammenarbeit in Europa.<br />
Seit 2008 nimmt QFC am <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
teil und arbeitet im Deutschen <strong>Global</strong><br />
<strong>Compact</strong> Netzwerk mit. Bis heute wurden<br />
vier Fortschrittsberichte veröffentlicht.<br />
Weitere Informationen erhalten Sie unter:<br />
www.qfc.de<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
69
RWE<br />
Bettercoal – mehr<br />
Transparenz beim<br />
Steinkohlebezug<br />
Von Joachim Löchte<br />
Die Energiewende hat viele Facetten. Nicht nur die Stromerzeugung<br />
ist im Wandel, auch der Markt für Brennstoffe verändert<br />
sich. Neben Erdöl werden inzwischen auch Erdgas und Steinkohle<br />
weltweit gehandelt. Das war nicht immer so, vor allem<br />
nicht für Steinkohle. Dieser Energieträger wurde vorwiegend<br />
aus heimischen Bergwerken bezogen. Damit ist 2018 endgültig<br />
Schluss, denn dann endet hierzulande der Steinkohlebergbau.<br />
Und schon heute bezieht <strong>Deutschland</strong> einen großen Anteil von<br />
anderen Kontinenten. Eine Herausforderung für die heimischen<br />
Energieversorger besteht darin, neben einem guten Preis auch<br />
auf verantwortungsvolle Abbaubedingungen zu achten.<br />
Die Märkte sind in den vergangenen Jahren<br />
deutlich liquider geworden. Die angebotene<br />
Kohle kommt vor allem aus Minen<br />
in Südafrika, Kolumbien und Russland.<br />
Dies liegt daran, dass die Kohle dort aufgrund<br />
der geologischen Beschaffenheit<br />
deutlich günstiger abgebaut werden<br />
kann als in <strong>Deutschland</strong>. Das Problem<br />
dabei: Man sieht der Kohle nicht an, unter<br />
welchen Bedingungen sie abgebaut<br />
wurde. Zugleich stehen Vorwürfe im<br />
Raum, dass beim Abbau in diesen Ländern<br />
auch auf Kosten von Mitarbeitern<br />
und Umwelt gespart wird. Ausführliche<br />
Umweltverträglichkeitsprüfungen, sozialverträgliche<br />
Umsiedlungen und Regeln<br />
zur Mitbestimmung sind zwar bei uns in<br />
<strong>Deutschland</strong>, nicht aber in vielen dieser<br />
Länder selbstverständlich. Und oftmals<br />
stehen die Aussagen der Bergwerkunternehmen<br />
gegen die Berichte von Umweltverbänden,<br />
Menschenrechtsunternehmen<br />
und Gewerkschaften.<br />
Die Energieversorger stehen deshalb<br />
vor der Frage: Wie lassen sich der Markt<br />
erhalten und gleichzeitig nachhaltige Abbaubedingungen<br />
sichern? Diese Herausforderung<br />
soll mit der Brancheninitiative<br />
Bettercoal gelöst werden. Ziel ist es, mit<br />
unabhängigen Untersuchungen mehr<br />
Transparenz darüber herzustellen, unter<br />
welchen Umwelt- und Arbeitsstandards<br />
die Kohle abgebaut wird. Auch soll sie Informationen<br />
darüber liefern, wie mit der<br />
Bevölkerung vor Ort umgegangen wird<br />
und welche Rechte Beschäftigte haben.<br />
Dafür werden Audits in ausgewählten<br />
Bergwerken stattfinden.<br />
Auf Basis dieser Informationen entscheiden<br />
Energieversorger darüber, bei<br />
wem und unter welchen Bedingungen<br />
sie ihre Kohle einkaufen. Die Untersuchung<br />
der Bedingungen soll nicht nur<br />
Transparenz schaffen, sondern indirekt<br />
auch die Umwelt- und Arbeitsbedingungen<br />
vor Ort verbessern. Bei Bettercoal<br />
beteiligen sich neben RWE auch die<br />
Unternehmen Dong Energy, EDF, Enel,<br />
E.on, Fortum, GDF Suez, Vattenfall<br />
und Gas Natural fenosa. Außerdem ist<br />
der Hafen Rotterdam als assoziiertes<br />
Mitglied aufgenommen. Hier wird ein<br />
großer Teil der Kohle angelandet.<br />
Im Sommer <strong>2013</strong> hat Bettercoal einen<br />
eigenen Kodex verabschiedet. Der Bettercoal-Kodex<br />
legt die ethischen, sozialen<br />
und umweltpolitischen Grundsätze<br />
dar, die die Mitglieder von ihren Geschäftspartnern<br />
in der gesamten Kohle-<br />
Lieferkette erwarten. Ein Beispiel dafür<br />
ist die Versammlungsfreiheit und<br />
die Zulassung der gewerkschaftlichen<br />
70 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Good Practice<br />
Arbeitsnormen<br />
Organisation, die den Beschäftigten<br />
ermöglicht werden muss. Der Kodex<br />
lehnt sich an internationale Regelwerke<br />
an, zum Beispiel an die Vorgaben<br />
der International Labour Organisation<br />
(ILO), die Performance Standards der<br />
International Finance Corporation (IFC),<br />
aber auch die “Initiative for Responsible<br />
Mining Assurance“ (IRMA). Neben<br />
internationalen Normen sollen aber<br />
auch lokale Gesichtspunkte im Kodex<br />
verankert sein. Dafür fanden vor Verabschiedung<br />
ausführliche Konsultationen<br />
in den Abbauländern Kolumbien,<br />
Russland, Südafrika und Indonesien<br />
statt. Auch lokale Gewerkschaften und<br />
Umweltschützer haben ihre Anliegen in<br />
diesem Prozess mit eingebracht.<br />
Auf Basis des Kodex wurden noch in <strong>2013</strong><br />
erste Audits in Kolumbien durchgeführt.<br />
Die Ergebnisse der Audits werden anschließend<br />
den Mitgliedern von Bettercoal<br />
zugänglich gemacht. So können die<br />
Unternehmen dann für sich entscheiden,<br />
ob und unter welchen Bedingungen sie<br />
künftig Geschäfte mit den Betreibern der<br />
entsprechenden Bergwerke eingehen.<br />
Dies wird auch in den Unternehmen zu<br />
einem Umdenken führen. Denn neben<br />
Gesichtspunkten wie Bonität und legale<br />
Integrität können die Unternehmen nun<br />
weitere Kriterien in ihre Risikoanalyse<br />
aufnehmen – eine neue Herausforderung,<br />
der sich jetzt vor allem die Handelsabteilungen<br />
der Energieversorger<br />
stellen. Bettercoal hat bereits heute,<br />
vor den Ergebnissen des ersten Audits,<br />
Lernprozesse in den Unternehmen und<br />
zwischen den Stakeholdern angestoßen.<br />
So wurden im Konsultationsprozess die<br />
jeweils spezifischen Herausforderungen<br />
der Akteure aus verschiedenen Regionen<br />
und der jeweiligen Wertschöpfungsstufe<br />
sichtbar, die die Implementierung eines<br />
solchen Regelwerks mit sich bringt.<br />
Eine Mitgliedschaft in der Initiative steht<br />
Kohlenutzern aus der ganzen Welt offen.<br />
Dazu können neben Energieversorgern<br />
auch Unternehmen wie Zement- und<br />
Stahlhersteller gehören. Zu Beginn wird<br />
sich die Initiative auf Abbaubetriebe<br />
konzentrieren, die die internationalen<br />
Märkte beliefern. Allerdings sollen der<br />
Kodex, seine Messinstrumente und Erfahrungen<br />
weltweit allen Interessierten<br />
und Betroffenen zur Verfügung gestellt<br />
werden.<br />
Dass die Beschäftigung mit diesen Fragestellungen<br />
in Zukunft nicht weniger<br />
wichtig werden dürfte, zeigen auch die<br />
Prognosen der Internationalen Energieagentur<br />
(IEA): Trotz des Ausbaus der<br />
erneuerbaren Energien wird demnach<br />
die Steinkohleförderung in den nächsten<br />
25 Jahren noch einmal um mehr als 50<br />
Prozent steigen. Dieses Wachstum wird<br />
vor allem in den Nicht-OECD-Ländern<br />
stattfinden. Hier für nachhaltige Abbaubedingungen<br />
zu sorgen, ist eine wichtige<br />
Aufgabe – auch, um die Akzeptanz der<br />
Steinkohle in Europa sicherzustellen<br />
und damit eine sichere Versorgung mit<br />
Prinzipien des nachhaltigen Wirtschaftens<br />
zu verbinden.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
71
Good Practice<br />
UMWELTSCHUTZ<br />
Prinzip 7: Unternehmen sollen im Umgang mit Umweltproblemen<br />
einen vorsorgenden Ansatz unterstützen,<br />
Prinzip 9: die Entwicklung und Verbreitung<br />
umweltfreundlicher Technologien fördern.<br />
Prinzip 8: Initiativen ergreifen, um ein größeres Verantwortungsbewusstsein<br />
für die Umwelt zu erzeugen und<br />
72 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Good Practice<br />
Umweltschutz<br />
74<br />
76<br />
78<br />
80<br />
82<br />
84<br />
86<br />
88<br />
90<br />
92<br />
ABB<br />
BSH Bosch und Siemens Hausgeräte<br />
CEWE<br />
Daimler<br />
Deutsche Post DHL<br />
HypoVereinsbank<br />
LANXESS<br />
MAN<br />
Mediengruppe macondo<br />
Weidmüller<br />
Korruptionsbekämpfung<br />
94<br />
METRO GROUP<br />
KORRUPTIONSBEKämpfung<br />
Prinzip 10: Unternehmen sollen gegen alle Arten der Korruption<br />
eintreten, einschließlich Erpressung und Bestechung.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
73
ABB<br />
Technologien für die nachhaltige<br />
Energieversorgung<br />
Die nachhaltige Energieversorgung mit erneuerbaren Energien ist ein zentrales Zukunftsthema.<br />
Dazu ist der verlustarme Stromtransport über große Entfernungen unabdingbar, da immer mehr<br />
Strom aus regenerativen Energien verbrauchsfern erzeugt wird. Wirtschaftlich lässt sich Strom<br />
über große Entfernungen aber nur mit Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) transportieren.<br />
Auf einer Strecke von 1.000 Kilometern – dies entspricht ungefähr der Entfernung<br />
zwischen Sylt und München – gehen dann, je nach Übertragungsspannung, lediglich etwa drei<br />
Prozent Energie verloren.<br />
Von Dr. Wolfgang Böhmer<br />
ABB ist auf dem Gebiet der HGÜ Technologieführer<br />
und das einzige Unternehmen,<br />
das sowohl die Fertigung der<br />
benötigten Halbleiter, als auch der Hochspannungskabel<br />
und der Konverter im<br />
eigenen Haus hat. Das Unternehmen<br />
realisiert mit dieser Technologie zum Beispiel<br />
die Anbindung mehrerer Offshore-<br />
Windparks an das Stromnetz an Land.<br />
So wurde der Technologiekonzern von<br />
TenneT, einem führenden Übertragungsnetzbetreiber<br />
Europas, unter anderem<br />
mit der Konstruktion, Planung, Lieferung<br />
und Installation des schlüsselfertigen Offshore-Netzanbindungs-Projekts<br />
DolWin1<br />
beauftragt. Mit der umweltschonenden<br />
HGÜ-Übertragungstechnik wird künftig<br />
Strom vom 400-Megawatt-Windpark<br />
Gode Wind II und anderen Windparks<br />
über eine 135 Kilometer lange See- und<br />
Landkabeltrasse zur HGÜ-Station in Dörpen<br />
an Land befördert.<br />
Umweltschonend erzeugter Strom<br />
für 1, 5 Millionen Haushalte<br />
Der Projektumfang umfasst die Offshore-<br />
Umrichterstation, die See- und Landkabel<br />
und die Umrichterstation an Land.<br />
Die 9.300 Tonnen schwere Offshore-<br />
Plattform samt Umrichterstation wurde<br />
Ende August <strong>2013</strong> rund 75 km vor die<br />
Nordseeküste transportiert und mit dem<br />
weltweit größten Schwimmkran „Thialf“<br />
auf die bereits vorhandene Stahlunterkonstruktion<br />
gesetzt.<br />
Das Projekt DolWin1 ersetzt konventionelle,<br />
auf fossilen Brennstoffen basierende<br />
Energieerzeugung. Damit können die<br />
CO 2<br />
-Emissionen jährlich voraussichtlich<br />
um 3 Millionen Tonnen gesenkt werden.<br />
Die Leitung wird nach ihrer Fertigstellung<br />
über 1,5 Millionen Haushalte mit<br />
sauberem Strom aus Windenergie beliefern<br />
können.<br />
Oben: Die Offshore-Konverterstation<br />
BorWin alpha wandelt Wechselstrom aus<br />
Offshore-Windenergie in Gleichstrom um.<br />
Rechts: Moderne Leistungstransistoren in<br />
der Konverterstation an Land wandeln den<br />
Gleichstrom wieder in Wechselstrom um.<br />
74 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Good Practice<br />
Umweltschutz<br />
Aber auch für den Stromtransport vom<br />
Norden <strong>Deutschland</strong>s nach Süden ist<br />
die HGÜ-Technologie wichtig. Im Bundesbedarfsplangesetz,<br />
das im Sommer<br />
<strong>2013</strong> in Kraft trat, werden drei Nord-<br />
Süd-Stromübertragungs-Korridore mit<br />
mehreren HGÜ-Systemen als dezidierte<br />
Transportleitungen ausgewiesen.<br />
Zu einem HGÜ-System gehören Umrichterstationen,<br />
die am Anfangs- und<br />
am Endpunkt der Gleichstromübertragungsstrecke<br />
– und gegebenenfalls an<br />
weiteren Ein-/Ausspeisepunkten entlang<br />
dieser Strecke – errichtet werden müssen.<br />
In den Umrichterstationen kommt<br />
die „selbstgeführte“ HGÜ zum Einsatz,<br />
die ABB Mitte der 1990er-Jahre entwickelt<br />
hat. Moderne Leistungstransistoren, die<br />
das Unternehmen im schweizerischen<br />
Lenzburg fertigt, zerstückeln den Wechselstrom.<br />
Das ist erforderlich, damit die<br />
drei Phasen des Wechselstroms ineinander<br />
übergehen und einen gleichgerichteten<br />
Strom bilden können.<br />
Gleichstrom kann mit Freileitungen<br />
oder Kabeln transportiert werden<br />
Um den Gleichstrom zu transportieren,<br />
können teilweise bestehende Freileitungstrassen<br />
beziehungsweise Maste<br />
genutzt und raumsparend durch zusätzliche<br />
Leiterseile ergänzt werden. Außerdem<br />
ist es auch möglich, den Gleichstrom<br />
durch Kabel zu übertragen. Ein<br />
Polyethylenkabel kann bei ± 320 Kilovolt<br />
Gleichspannung eine Leistung von maximal<br />
1.100 Megawatt übertragen, dazu<br />
werden dann zwei dieser Kabel parallel<br />
verlegt. Am anderen Ende der Übertragungsstrecke<br />
steht erneut eine Umrichterstation,<br />
in der dann der Gleichstrom<br />
wieder in Wechselstrom umgewandelt<br />
und ins Wechselstromübertragungsnetz<br />
eingespeist wird.<br />
Der Einsatz der HGÜ-Technologie trägt<br />
auch erheblich zur Stabilisierung des<br />
Wechselstromübertragungsnetzes bei:<br />
Dadurch wird einerseits die über große<br />
Strecken zu übertragende Strommenge<br />
im Wechselstromnetz reduziert. Außerdem<br />
können mit den Umrichterstationen<br />
Systemdienstleistungen wie Frequenzregelung<br />
oder die Bereitstellung von<br />
Blindleistung erbracht werden. Denn<br />
durch die Abschaltung aller Kernkraftwerke<br />
in <strong>Deutschland</strong> bis zum Jahr 2022<br />
fehlt in einigen Bereichen im Wechselstromübertragungsnetz<br />
entsprechende<br />
Blindleistung, die dann künftig durch<br />
Umrichterstationen bereitgestellt werden<br />
kann.<br />
Nach 100 Jahren steht der<br />
Gleichstrom-Leistungsschalter zur<br />
Verfügung<br />
Um ein HGÜ-System in allen Betriebszuständen<br />
– also auch im Fehlerfall –<br />
zuverlässig zu betreiben, sind Leistungsschalter<br />
zur schnellen Fehlerklärung notwendig.<br />
Deren Aufgabe besteht darin, die<br />
fehlerbehafteten Bereiche, zum Beispiel<br />
nach einem Blitzeinschlag auf der Übertragungsstrecke,<br />
vom restlichen System<br />
zu trennen, sodass der Betrieb der fehlerfreien<br />
Netzbereiche weitergeführt werden<br />
kann. Bei der Gleichstromübertragung<br />
gibt es allerdings keinen Stromnulldurchgang;<br />
daher sind innovative Konzepte zur<br />
Stromunterbrechung notwendig. So hat<br />
es über 100 Jahre gedauert, bis ABB – als<br />
weltweit erster Hersteller – den ersten<br />
HGÜ-Leistungsschalter vorstellen konnte,<br />
der in wenigen Millisekunden den Strom<br />
unterbrechen kann.<br />
Mit der Entwicklung des HGÜ-Leistungsschalters<br />
konnte die letzte verbleibende<br />
Legung eines HGÜ-Kabels bei Diele für den<br />
Netzanschluss „BorWin1“.<br />
Technologielücke für den Bau großer<br />
Gleichstrom-Overlay-Netze geschlossen<br />
werden, so dass diese Netze bereits heute<br />
geplant werden können. Integraler Bestandteil<br />
für den Auf bau und Betrieb<br />
eines solchen Gleichstromnetzes ist<br />
aber auch ein übergeordnetes Schutzund<br />
Leittechniksystem. ABB setzt für<br />
HGÜ-Verbindungen bereits seit vielen<br />
Jahren ein speziell hierfür entwickeltes<br />
System ein, das zurzeit für die Steuerung<br />
großer Gleichstromnetze weiterentwickelt<br />
wird. Im eigens aufgebauten<br />
HGÜ-Netzsimulationszentrum kann mit<br />
Echtzeitsimulationen der Betrieb eines<br />
Gleichstrom-Overlay-Netzes in Verbindung<br />
mit Wechselstromnetzen simuliert<br />
werden.<br />
Mit diesen Gleichstrom-Overlay-Netzen<br />
wäre ein effizienter Transport von Strom<br />
aus weit entfernten Gegenden Europas<br />
oder sogar wie im Desertec-Projekt vorgesehen<br />
aus Nordafrika und dem Mittleren<br />
Osten möglich. Meteorologisch bedingte<br />
Einspeiseschwankungen regenerativer<br />
Energien könnten so über eine riesige<br />
Fläche ausgeglichen werden.<br />
Die HGÜ-Technologie ist ein Beispiel<br />
dafür, wie ABB seinen Kunden in der<br />
Energieversorgung und der Industrie<br />
ermöglicht, ihre Leistung zu verbessern<br />
und gleichzeitig die Umweltbelastung<br />
zu reduzieren.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
75
BSH BOSCH und SIEMENS HAUSGERäTE<br />
Der Kühlschrank spart<br />
schon auf dem Weg zum<br />
Kunden CO 2<br />
Als Europas führender Hausgerätehersteller hat sich die BSH Bosch und Siemens Hausgeräte<br />
GmbH zum Umwelt- und Ressourcenschutz über den gesamten Lebensweg ihrer Produkte hinweg<br />
verpflichtet. Bereits 1989 wurde der Umweltschutz entlang der gesamten Wertschöpfungskette<br />
in das Unternehmensleitbild des Konzerns aufgenommen. Dabei hat sich die BSH nicht nur bei der<br />
Produktion supereffizienter Hausgeräte, sondern auch in der Logistik zum Ziel gesetzt, Benchmark<br />
der Branche zu sein. So entwickelte das Unternehmen für die Distribution und Lagerung Strategien<br />
und Maßnahmen, mit denen es sehr erfolgreich CO 2<br />
-Emissionen in der Logistikkette reduziert –<br />
auf einigen Transportstrecken bereits um über 20 Prozent. Langfristiges Ziel ist es, die CO 2<br />
-Emissionen<br />
der gesamten Logistik bis 2020 um 20 Prozent gegenüber 2006 zu senken.<br />
Von Stefanie Iske<br />
Aufgrund der hohen Qualität und damit<br />
verbundenen Langlebigkeit der Geräte<br />
entfallen bis zu 95 Prozent der Umweltbelastung,<br />
die während des Produktlebenszyklus<br />
entsteht, auf die Nutzungsphase<br />
der Geräte in den Haushalten. Mit supereffizienten<br />
Geräten kann dieser Anteil<br />
deutlich verringert werden. Deshalb ist<br />
die Entwicklung von ressourcenschonenden<br />
Produkten der nachhaltigste Beitrag<br />
der BSH zum Umwelt- und Klimaschutz.<br />
Seine energieeffizenten Geräte machen<br />
den Haugerätehersteller zum Vorreiter<br />
auf diesem Gebiet. Zudem achtet der<br />
Konzern darauf, auch die Logistik so<br />
ressourceneffizient und nachhaltig wie<br />
möglich zu gestalten.<br />
Die Logistik der BSH ist weltweit<br />
verknüpft<br />
Als international agierendes Unternehmen<br />
bewegt die BSH gewaltige Warenströme.<br />
Daher ist die Logistik für den<br />
Hausgerätehersteller ein wichtiges Thema<br />
– global, europaweit, national, regional<br />
und lokal. Von globalen Innovationen<br />
bis hin zu kleinsten Vorkehrungen<br />
an den Standorten arbeitet der Konzern<br />
kontinuierlich an neuen Lösungen, um<br />
sämtliche logistische Prozesse miteinander<br />
zu verzahnen und Zug, Schiff und<br />
Lkw optimal zu kombinieren.<br />
Produktion und Logistik von Hausgeräten<br />
hängen unmittelbar zusammen.<br />
Daher trifft die BSH Entscheidungen<br />
über Produktionsstandorte unter dem<br />
Aspekt des Klimaschutzes. „Als wir den<br />
Umweltschutz in unser Leitbild aufgenommen<br />
haben, war unsere Erkenntnis,<br />
dass Umwelt-Bewusstsein ausschließt,<br />
am einen Ende der Welt zu produzieren<br />
und unsere Geräte zum Verkauf ans<br />
andere Ende der Welt zu transportieren“,<br />
Die beiden Containerzüge, die seit Frühjahr<br />
<strong>2013</strong> zwei Mal pro Woche zwischen den BSH-<br />
Standorten Cerkezköy (Türkei) und Giengen<br />
(<strong>Deutschland</strong>) verkehren, sind ein herausragendes<br />
Beispiel für eine innovative Logistiklösung.<br />
Ein einziger Zug ersetzt rund 60 Lkw.<br />
76 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Good Practice<br />
Umweltschutz<br />
sagt Hans-Gerd Bauerfeind, Chef der BSH-<br />
Logistik. Ziel ist es daher, den Verkehr,<br />
der bei der Distribution entsteht, von<br />
vornherein zu reduzieren. Daher folgt<br />
die BSH dem Triadenmodell. Danach<br />
gibt es weltweit drei große Wirtschaftsräume<br />
– EMEA (Europa, Naher Osten<br />
und Afrika), Amerika und Asien. Die in<br />
einem Wirtschaftsraum produzierten<br />
Hausgeräte sollen großteils auch dort<br />
verkauft werden.<br />
Ganzheitliche Ressourcenschonung<br />
beim Transport<br />
Neben der Entwicklung und Fertigung<br />
ressourcenschonender und qualitativ<br />
hochwertiger Hausgeräte, gehört auch<br />
die Logistik zu den Kernkompetenzen<br />
der BSH. „Zwar arbeiten wir auch mit<br />
externen Transporteuren zusammen, die<br />
technische und kreative Seite der Logistik<br />
steuert aber unser eigenes Team. Unsere<br />
Spezialisten bringen logistische Anforderungen<br />
und verpackungstechnische<br />
Fragestellungen bereits während der Konstruktionsphase<br />
mit ein – kritisch hinterfragen<br />
sie Prozesse, experimentieren<br />
und entwickeln so neue, zukunftsfähige<br />
Konzepte“, so Bauerfeind. Darunter fällt<br />
auch die Herausforderung, die Transportmittel<br />
optimal auszulasten – denn jeder<br />
Kubikmeter Laderaum, der leer vom einen<br />
Ort zum anderen transportiert wird,<br />
belastet die Umwelt. Durch vernetztes<br />
Denken, computergestützte Modelle und<br />
eigenes Test-Equipment gelingt es dem<br />
Logistik-Team, die Prozesse laufend zu<br />
optimieren.<br />
Während immer mehr Bahnbetreiber<br />
den unrentablen Einzelwagenverkehr<br />
einstellen, arbeitet die BSH daran, die<br />
Waren- und Materialtransporte so zu<br />
koordinieren, dass Ganzzüge befrachtet<br />
werden können. Seit 2012 fahren<br />
Klimaschutz und Ressourceneffizienz spielen für die BSH nicht nur bei der Produktion von<br />
Hausgeräten, sondern auch in der Logistik eine wesentliche Rolle. Ziel ist es, die CO 2<br />
-Emissionen<br />
in der gesamten Logistik bis 2020 um 20 Prozent gegenüber 2006 zu senken.<br />
monatlich vier von ihnen mit rund<br />
165 Containern vom Logistikzentrum<br />
im baden-württembergischen Giengen<br />
nach Moskau. Durch die Umstellung<br />
auf den Transportmittelmix wird der<br />
CO 2<br />
-Ausstoß auf dieser Strecke um 27<br />
Prozent reduziert. Mehrmals die Woche<br />
verkehren zudem Ganzzüge in die Seehäfen<br />
Hamburg, Bremerhaven, Triest<br />
und zurück, sowie nach Frankreich,<br />
von und in die Türkei und von Polen<br />
nach <strong>Deutschland</strong>. Von den Seehäfen<br />
Hamburg und Bremerhaven geht die<br />
Reise zusätzlich per Schiff in die ganze<br />
Welt. Auch beim Straßengüterverkehr<br />
geht die BSH neue Wege und setzt seit<br />
Herbst 2012 in <strong>Deutschland</strong> erstmals<br />
Lang-Lkw ein: Die neue, 25 Meter lange<br />
Fahrzeugkombination transportiert<br />
täglich vom Umschlaglager Giengen aus<br />
rund 280 Großgeräte zu verschiedenen<br />
Standorten in <strong>Deutschland</strong>. Der Lang-Lkw<br />
bietet 40 Prozent mehr Transportvolumen<br />
und spart im Vergleich zu üblichen<br />
Lastwagen je transportiertem Gerät 20<br />
Prozent CO 2<br />
ein.<br />
Zwei Mal pro Woche pendelt ein Zug<br />
mit Material und Geräten zwischen<br />
<strong>Deutschland</strong> und der Türkei<br />
Herausragendes Beispiel für eine innovative<br />
Logistiklösung sind die beiden<br />
Containerzüge, die seit Frühjahr <strong>2013</strong><br />
zwei Mal pro Woche zwischen den<br />
BSH-Standorten Cerkezköy und Giengen<br />
verkehren. Das Konzept ist in der<br />
Branche ein Alleinstellungsmerkmal: Ein<br />
einziger Zug, der Geräte nach Giengen<br />
transportiert und dort für den Rückweg<br />
mit Fertigungsmaterialien und Geräten<br />
beladen wird, ersetzt rund 60 Lkw.<br />
Wenn Torsten Genehr, Logistikchef der<br />
BSH Türkei, von den zahlreichen Maßnahmen<br />
berichtet, klingt das ebenso<br />
begeistert wie durchdacht. Denn hinter<br />
all den Erfolgen steht ein ambitioniertes<br />
Konzept, das neben der Umstellung auf<br />
Containerzüge sämtliche Möglichkeiten<br />
der CO 2<br />
-Reduktion auslotet: „Wir haben<br />
alles geprüft und durchleuchtet und setzen<br />
unsere Erkenntnisse nun Schritt für<br />
Schritt um.“ Genehr ist verantwortlich<br />
für die Warentransporte der sechs BSH-<br />
Fabriken in Cerkezköy, die jährlich über<br />
vier Millionen Hausgeräte produzieren.<br />
Zum integrierten Konzept in der Türkei<br />
gehört aber auch ein neues Lager, das<br />
2012 fertiggestellt wurde und höchste<br />
Standards bei der Wärmedämmung erfüllt.<br />
Außerdem sollen auf der 47.000<br />
Quadratmeter großen Dachfläche Solarpaneele<br />
installiert werden. „Neben dem<br />
Transport ist die Lagerung ein zentraler<br />
Teil der Distribution unserer Geräte und<br />
muss somit ebenso konsequent bei der<br />
ganzheitlichen Ressourcenschonung<br />
berücksichtigt werden“, so Genehr.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
77
CEWE<br />
Ökologische Nachhaltigkeit<br />
sichern<br />
Mit Marktgespür und Innovationskraft ist es uns gelungen, CEWE als Europas führenden Fotoservice<br />
und innovativen Onlinedruck-Partner zu positionieren. Der Transformationsprozess von<br />
der analogen zur digitalen Fotografie hat bei uns zu vielen Neuerungen geführt. So ist beispielsweise<br />
die Filmentwicklung heute nur noch der kleinste Teil unseres Geschäftsmodells.<br />
Von Oliver Thomsen<br />
Einen großen Bereich nimmt das CEWE<br />
FOTOBUCH ein: Jährlich verlassen 5,6<br />
Millionen Exemplare in höchster Qualität<br />
unsere elf europäischen Produktionsstandorte.<br />
Den erfolgreichen Unternehmensbereich<br />
Fotofinishing haben wir<br />
2012 um das Wachstumssegment Onlinedruck<br />
erweitert: Über die Onlineplattformen<br />
CEWE-PRINT.de, viaprinto.de<br />
und saxoprint.de können gewerbliche<br />
Kunden Flyer, Plakate, Visitenkarten,<br />
Broschüren, Briefpapier, Kalender und<br />
vieles mehr bestellen: In jeder kleinen<br />
oder großen Auflage, in jedem Format<br />
und dabei immer hochwertig, günstig<br />
und schnell.<br />
Die wichtigste Voraussetzung für die<br />
Etablierung nachhaltiger Themen im<br />
Unternehmen ist der persönliche Einsatz<br />
der Mitarbeiter. Bei uns ist Andreas<br />
F. L. Heydemann aus dem Vorstandskreis<br />
für das Thema zuständig. Gemeinsam<br />
mit Spezialisten aus dem Koordinationskreis<br />
Nachhaltigkeit sorgt er dafür,<br />
Andreas F. L. Heydemann, Vorstandsmitglied<br />
der CEWE Stiftung & Co. KGaA<br />
dass sämtliche relevanten Aufgaben<br />
europaweit geplant, überwacht und<br />
koordiniert werden.<br />
Umweltmanagement mit System<br />
Das Umweltmanagementsystem ist das<br />
Herzstück eines guten Nachhaltigkeitsprogramms.<br />
Unsere Mitarbeiter aus dem<br />
Bereich Chemie und Umwelt stellen hohe<br />
Ansprüche. Sie nehmen intern jedes Jahr<br />
rund 30.000 Messwerte auf, analysieren<br />
sie und werten sie aus. Erklärtes Ziel ist<br />
die ständige Verbesserung von Arbeitssicherheit<br />
und Umweltschutz sowie die<br />
Vermeidung von Umweltbelastungen.<br />
An unseren deutschen Standorten haben<br />
wir ein umfangreiches Umweltmanagementsystem<br />
(nach DIN EN ISO 14001) aufgebaut,<br />
in die Praxis umgesetzt und zertifizieren<br />
lassen. Das System beschreibt<br />
den kontinuierlichen Verbesserungsprozess<br />
in Bezug auf unsere Umweltleistungen.<br />
Basis bilden der Abgleich mit den<br />
gesetzlichen Bestimmungen sowie die<br />
von uns definierte Umweltpolitik, die<br />
sich in folgende Bereiche gliedert:<br />
• Energie sparen<br />
• Wasser schützen<br />
• Ressourcen schonen<br />
• Arbeitsschutz sichern<br />
Im Fokus: Energie sparen<br />
Um unsere Fortschritte im Bereich Nachhaltigkeit<br />
transparent zu dokumentieren,<br />
haben wir uns einer Berichterstattung<br />
im Jahresrhythmus verpflichtet. Dies<br />
gilt insbesondere auch für die durch uns<br />
verursachten Emissionen. Sie werden<br />
von uns auf der Grundlage des Corporate<br />
Accounting and Reporting Standard<br />
2004 der Greenhouse Gas Protocol In-<br />
78 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Good Practice<br />
Umweltschutz<br />
Links: Mitarbeiter des IT-Teams im Rechenzentrum<br />
von CEWE (mit dem Blauen Engel<br />
ausgezeichnet)<br />
Unten: Mitarbeiter des Chemie- und Umweltteams<br />
von CEWE<br />
und Offenheit der veröffentlichten Zahlen<br />
zu Kohlendioxid-Emissionen wurden<br />
wir 2010 und 2011 als eines von wenigen<br />
SDAX-Unternehmen in den Carbon Disclosure<br />
Leadership Index aufgenommen.<br />
Ein weiteres Beispiel für die Relevanz<br />
des Klimaschutzes bei CEWE ist unsere<br />
Beteiligung am ertemis-Projekt. Es wurde<br />
ins Leben gerufen, um eine umweltgerechte<br />
Ausrichtung der IT-Infrastruktur<br />
(Green IT) in Unternehmen zu forcieren.<br />
Zusammen mit den Universitäten von<br />
Oldenburg, Osnabrück und Göttingen<br />
wird für CEWE und weitere ausgewählte<br />
Unternehmen aus Niedersachsen eine<br />
Wir vergeben Stipendien für Promotionsvorhaben,<br />
Masterstudienprogramme<br />
und Forschungsprojekte an Universitäten<br />
und Fachhochschulen. Mit der European<br />
Medical School und dem Hanse<br />
Wissenschaftskolleg verbindet uns seit<br />
Jahren eine Partnerschaft. Weiterhin<br />
unterstützen wir zahlreiche Vereine und<br />
Institutionen am Stammsitz in Oldenburg<br />
und an unseren jeweiligen Standorten<br />
in Europa. Wir bevorzugen langfristige<br />
Allianzen und Engagements. Die Förderung<br />
des Kulturguts Fotografie liegt uns<br />
ebenso am Herzen, wie die Förderung von<br />
fachlichem Nachwuchs und die Unterstützung<br />
von Kindern und Jugendlichen.<br />
Neben vielen aktuellen Themen, wie<br />
der Vereinbarkeit von Familie und Beruf<br />
und der Förderung von Frauen, liegt uns<br />
eine hohe Mitarbeiterzufriedenheit am<br />
Herzen. Weiterbildungs– und Beteiligungssprogramme,<br />
Chancengleichheit<br />
sowie ein klares Unternehmens- und<br />
Führungsleitbild sorgen dafür, dass sich<br />
unsere Mitarbeiter wohl fühlen. Seit langem<br />
bilden wir über den eigenen Bedarf<br />
hinaus aus. An den deutschen Standorten<br />
liegt unsere Ausbildungsquote bei über<br />
fünf Prozent: 113 junge Menschen sind<br />
2012 bei CEWE in 15 unterschiedlichen<br />
Berufen in der Ausbildung.<br />
itiative berechnet und dargestellt. Erfasst<br />
und berichtet werden alle direkten<br />
CO 2<br />
-Emissionen aus stationären und<br />
mobilen Quellen (Scope 1) sowie die indirekten<br />
Emissionen aus der Erzeugung<br />
des eingekauften Stroms (Scope 2) aller<br />
Produktionsstandorte der CEWE Gruppe.<br />
Weitere indirekte Emissionen, die mit der<br />
Unternehmenstätigkeit im Zusammenhang<br />
stehen, aber nicht durch sie erzeugt<br />
werden, werden als Scope 3 bezeichnet.<br />
Dies sind beispielsweise Logistikprozesse<br />
des Warenbezugs und Auslieferung der<br />
Produkte, Logistik der Abfallentsorgung<br />
sowie Fahrten der Mitarbeiter zur Arbeitsstätte<br />
oder Dienstreisen.<br />
In den vergangenen Jahren haben wir<br />
viele Fortschritte sowohl bei der Reduzierung<br />
der CO 2<br />
-Emissionen als auch<br />
bei der Verbesserung der Energiebilanz<br />
gemacht. Aufgrund der guten Qualität<br />
nachhaltige IT-Strategie aufgesetzt. Mit<br />
Erfolg: Im Juli <strong>2013</strong> haben wir für unser<br />
neu gebautes Rechenzentrum am Standort<br />
Oldenburg die Auszeichnung „Blauer<br />
Engel“ erhalten. Durch eine neue energieeffiziente<br />
Klimatisierung wird der CO 2<br />
-<br />
Ausstoß um cirka 130 Tonnen pro Jahr<br />
reduziert und wir sparen drei Prozent<br />
der gesamten Scope-2-Emissionen ein.<br />
Gesellschaftliche und soziale<br />
Verantwortung: Gelebte<br />
Unternehmenskultur<br />
Der Übergang in eine nachhaltige Gesellschaft<br />
ist eine der zentralen Herausforderungen<br />
der heutigen Zeit. Unsere<br />
Unternehmenskultur ist seit der Firmengründung<br />
vor über 50 Jahren geprägt<br />
durch Innovationskraft und Fürsorge<br />
gegenüber den Mitarbeitern, der Gesellschaft<br />
und der Umwelt.<br />
Nachhaltige Berichterstattung<br />
im<br />
Jahresrhythmus<br />
Als eines der ersten SDAX-Unternehmen<br />
hat CEWE eine transparente<br />
Nachhaltigkeitsberichterstattung<br />
etabliert: Bereits seit fünf Jahren<br />
bilanzieren und dokumentieren wir<br />
unsere Aktivitäten in einem jährlich<br />
erscheinenden Nachhaltigkeitsbericht,<br />
der sich an den aktuellen<br />
Leitlinien der <strong>Global</strong> Reporting<br />
Initiative (GRI) orientiert. Wenn Sie<br />
mehr darüber erfahren möchten:<br />
Eine Downloadmöglichkeit der<br />
Berichte und unseres Nachhaltigkeitsfilms<br />
finden Sie hier:<br />
http://company.cewe.de/de/unternehmen/nachhaltigkeit/film.html<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
79
DAIMLER<br />
Aufbau eines Wasserstoff-<br />
Tankstellennetzes<br />
in <strong>Deutschland</strong><br />
Von Dr. Udo Hartmann und Matthias Brock<br />
Mit der B-Klasse F-CELL hat Daimler bereits 2010 sein erstes unter Serienbedingungen gefertigtes<br />
Elektrofahrzeug mit Brennstoffzelle auf die Straße gebracht. Elektrofahrzeuge mit Brennstoffzelle<br />
können einen erheblichen Beitrag leisten, um mit effizienten Technologien nachhaltige<br />
Mobilität konsequent voranzutreiben. Denn der große Vorteil dieser Antriebstechnik liegt in der<br />
deutlichen Minderung von CO 2<br />
-Emissionen und der signifikanten Verbesserung der Energieeffizienz<br />
des Antriebstrangs. Gleichzeitig haben Brennstoffzellenfahrzeuge Reichweiten und<br />
Betankungszeiten, die mit heutigen konventionellen Fahrzeugen vergleichbar sind.<br />
Viele der insgesamt 200 Fahrzeuge sind<br />
seit 2010 in <strong>Deutschland</strong>, den USA und<br />
Norwegen bei Kunden im Einsatz und<br />
haben zusammen mehrere Millionen<br />
km zurückgelegt. Allein die etwa 70<br />
Fahrzeuge starke F-CELL-Flotte in den<br />
USA kommt inzwischen auf 1,6 Millionen<br />
Kilometer.<br />
Der Fahrstrom für den Antrieb wird<br />
durch die Reaktion von Luftsauerstoff<br />
mit Wasserstoff direkt an Bord in der<br />
Brennstoffzelle erzeugt. Dabei entstehen<br />
keine Schadstoffemissionen, sondern<br />
lediglich reiner Wasserdampf. Dank des<br />
700-bar-Hochdruck-Tanksystems hat die<br />
B-Klasse F-CELL eine hohe Reichweite<br />
von rund 400 Kilometern bei einer gleichzeitig<br />
kurzen Betankungszeit von unter<br />
drei Minuten. Die wesentlichen Antriebskomponenten<br />
sind geschützt und Platz<br />
sparend im Fahrzeugunterboden installiert,<br />
sodass Innen- und Kofferraum<br />
vollständig nutzbar sind. Das Fahrzeug<br />
verbindet somit lokal emissionsfreie<br />
Mobilität mit Langstrecken- und Alltagstauglichkeit<br />
sowie überzeugende<br />
Fahrleistungen.<br />
Auch der emissionsfreie dauerhafte Linienbetrieb<br />
mit Mercedes-Benz Brennstoffzellen-Bussen<br />
wird bereits heute in<br />
Pilotprojekten realisiert. Der neue Citaro<br />
FuelCELL-Hybrid spart dank der verbesserten<br />
Brennstoffzellenkomponenten<br />
– die Brennstoffzellenstacks sind identisch<br />
mit denen der Mercedes-Benz<br />
B-Klasse F-CELL – und der Hybridisierung<br />
mit Lithium-Ionen-Batterien<br />
(27 kW/h) im Vergleich zur Vorgängergeneration<br />
50 Prozent Wasserstoff. Die<br />
Brennstoffzelle wird auch als Stromlieferant<br />
intelligent mit mehreren Komponenten<br />
gekoppelt. Sowohl Batterie<br />
und elektrischer Radnabenantrieb als<br />
auch das integrierte Bremsenergie-Rückgewinnungs-System<br />
sind miteinander<br />
vernetzt. Die Reichweite des Brennstoffzellenbusses<br />
beträgt über 300 Kilometer<br />
80 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Good Practice<br />
Umweltschutz<br />
und die Tankzeit gerade einmal acht bis<br />
zehn Minuten. Damit kann der Citaro<br />
FuelCELL-Hybrid genauso unkompliziert<br />
und flexibel wie heutige Dieselfahrzeuge<br />
eingesetzt werden.<br />
Um die großflächige Marktverfügbarkeit<br />
dieser emissionsfreien Technologie zu<br />
ermöglichen, haben Daimler, Ford und<br />
Nissan Anfang <strong>2013</strong> eine Kooperation<br />
zur gemeinsamen Entwicklung eines<br />
Brennstoffzellensystems geschlossen.<br />
Ziel ist es, ab 2017 wettbewerbsfähige<br />
Elektrofahrzeuge mit Brennstoffzelle<br />
auf den Markt zu bringen. Parallel zur<br />
Fahrzeugtechnik ist aber auch zwingend<br />
der Auf bau einer entsprechenden Wasserstoffinfrastruktur<br />
erforderlich, um<br />
die Technologie am Markt etablieren<br />
zu können. Vor diesem Hintergrund<br />
engagiert sich Daimler sehr stark in<br />
verschiedenen internationalen Demonstrationsprojekten<br />
und bei der deutschen<br />
Initiative „H 2<br />
Mobility“.<br />
Im Rahmen von „H 2<br />
Mobility“ haben sich<br />
Daimler und fünf weitere Partner – Air<br />
Liquide, Linde, OMV, Shell und Total –<br />
im September <strong>2013</strong> auf einen konkreten<br />
Handlungsplan zum Auf bau eines landesweiten<br />
Wasserstoff-Tankstellennetzes<br />
für Brennstoffzellenfahrzeuge verständigt.<br />
Bis zum Jahr 2023 soll die heute<br />
15 Tankstellen umfassende, öffentliche<br />
Wasserstoff-Infrastruktur in <strong>Deutschland</strong><br />
auf rund 400 H 2<br />
-Tankstellen ausgebaut<br />
werden. Bereits innerhalb der kommenden<br />
vier Jahre sollen die ersten 100<br />
Wasserstoff-Stationen in Betrieb gehen.<br />
Damit kann künftig eine bedarfsgerechte<br />
Versorgung von Elektrofahrzeugen mit<br />
Brennstoffzelle – die in den nächsten<br />
Jahren auf den Markt kommen sollen –<br />
sichergestellt werden. Eine entsprechende<br />
Grundsatzvereinbarung wurde<br />
von Vertretern aller beteiligten Partner<br />
unterzeichnet.<br />
Initiative „H 2<br />
Mobility“<br />
~ 400<br />
Stationen<br />
soll das öffentliche<br />
Wasserstoff-Tankstellennetz<br />
bis 2023 umfassen.<br />
Rhein-Ruhr<br />
Frankfurt<br />
~ 90<br />
Kilometer<br />
liegen zwischen den H 2<br />
-<br />
Tankstellen an Autobahnen<br />
außerhalb der Ballungszentren<br />
bis <strong>2013</strong>.<br />
Hamburg<br />
> 10<br />
H 2<br />
-Tankstellen<br />
werden innerhalb der<br />
Ballungszentren bis <strong>2013</strong><br />
verfügbar sein.<br />
Berlin<br />
Die Vereinbarung umfasst neben der<br />
konkreten Planung eines deutschlandweiten<br />
H 2<br />
-Tankstellennetzes auch die<br />
Grundsätze über die Beschaffung und<br />
den Vertrieb des benötigten Wasserstoffs<br />
sowie einen Unterstützungsappell an die<br />
Bundesregierung. Nach der geplanten<br />
Gründung eines entsprechenden Joint<br />
Ventures (vorbehaltlich der Erteilung<br />
etwaiger erforderlicher, behördlicher<br />
Genehmigungen), startet der stufenweise<br />
Ausbau des nationalen Tankstellennetzes<br />
bereits im kommenden Jahr.<br />
Dadurch soll nicht nur für die Ballungsräume<br />
und Hauptverkehrsrouten, sondern<br />
auch für den ländlichen Raum<br />
eine alltagstaugliche H 2<br />
-Versorgung<br />
geschaffen werden. Ziel ist, zwischen<br />
den Ballungsgebieten mindestens alle<br />
neunzig Autobahn-Kilometer eine H 2<br />
-<br />
Tankstelle anzubieten. Nach dieser Planung<br />
stehen in den Metropolregionen<br />
ab 2023 jeweils mindestens zehn Wasserstoffstationen<br />
zur Verfügung. Damit<br />
wird lokal emissionsfreie H 2<br />
-Mobilität<br />
für Kunden immer attraktiver. Für dieses<br />
zukunftsweisende Infrastrukturprojekt<br />
geht die „H 2<br />
MobiIity“-Initiative von einem<br />
Gesamtinvestitionsbedarf in Höhe<br />
von rund 350 Mio. Euro aus.<br />
Ballungszentren<br />
Autobahnen<br />
H 2<br />
-Korridore<br />
Stuttgart<br />
München<br />
Eine bedarfsgerechte Anzahl von H 2<br />
-<br />
Tankstellen ist – neben attraktiven Anschaffungs-<br />
und Unterhaltskosten der<br />
Fahrzeuge – dabei eine der wichtigsten<br />
Voraussetzungen für den Markterfolg der<br />
kommenden Brennstoffzellenfahrzeuge.<br />
Das geplante „H 2<br />
Mobility“-Joint Venture<br />
wird deshalb eng mit der Automobilindustrie<br />
zusammenarbeiten.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
81
DEUTSCHE POST DHL<br />
CO 2 -freie Zustellung:<br />
GoGreen für eine ganze<br />
Großstadt<br />
Als internationaler Post- und Logistikkonzern setzt Deutsche Post DHL das umfassende Wissen<br />
und die globale Präsenz ein, um einen positiven Beitrag für Umwelt und Gesellschaft zu leisten.<br />
In der Konzernstrategie ist dabei die Unternehmensverantwortung fest verankert. Das Unternehmen<br />
verfolgt einen umfassenden Ansatz von nachhaltigem und ethischem Handeln, indem<br />
es die Anliegen seiner Anspruchsgruppen systematisch in sein Handeln mit einbezieht und seine<br />
Geschäftsaktivitäten auch im Hinblick auf ihren Beitrag für Umwelt und Gesellschaft ausrichtet.<br />
Von Deutsche Post DHL<br />
Bei seinem gesellschaftlichen Engagement<br />
konzentriert sich der Konzern auf<br />
die Felder mit seiner größten Expertise:<br />
Als Logistiker setzt er auf Umweltschutz<br />
(GoGreen) und Katastrophenmanagement<br />
(GoHelp), als Arbeitgeber auf die<br />
Förderung von Bildungs- und Berufschancen<br />
(GoTeach). Mit dem vor fünf<br />
Jahren gestarteten Umweltschutzprogramm<br />
„GoGreen“ arbeitet Deutsche<br />
Post DHL daran, die Auswirkungen der<br />
Geschäftstätigkeit auf die Umwelt zu<br />
reduzieren und hat sich als erstes weltweit<br />
tätiges Logistikunternehmen ein<br />
messbares Klimaschutzziel gesetzt.<br />
Bis 2020 will der Konzern die CO 2<br />
-Effizienz<br />
verglichen mit dem Basisjahr 2007<br />
um 30 Prozent verbessern. 2012 lag die<br />
Effizienzsteigerung bei 16 Prozent, über<br />
die Hälfte des Weges ist geschafft. Erreicht<br />
wurde das Zwischenziel durch<br />
Netzwerkoptimierungen, die Verlagerung<br />
von Warenströmen von der Straße<br />
auf die Schiene oder von der Luft- auf<br />
die Seefracht, die Nutzung erneuerbarer<br />
Energien und Investitionen in verbrauchsarme<br />
Flug- und Fahrzeuge.<br />
Auch bei alternativen Antrieben ist<br />
Deutsche Post DHL führend. Mitte <strong>2013</strong><br />
setzte Deutsche Post DHL 8.500 Fahrzeuge<br />
mit umweltfreundlichen Antrieben ein.<br />
Ein wichtiger Schritt beim Flottenumbau<br />
ist das im Mai <strong>2013</strong> gestartete Pilotprojekt<br />
82 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Good Practice<br />
Umweltschutz<br />
„CO 2<br />
-freie Zustellung in Bonn“. Dabei<br />
wird erstmals die Postzustellung in einer<br />
Großstadt auf Elektroautos umgestellt.<br />
Der Langzeittest dient dazu, wertvolle<br />
Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie<br />
sich Elektrofahrzeuge im Alltag verhalten<br />
und sich das Laden großer Nutzfahrzeugflotten<br />
auf die elektrischen Netze<br />
auswirkt. Gelingt das Vorhaben, existiert<br />
eine Blaupause für die klimaneutrale Zustellung<br />
in anderen Städte und Regionen.<br />
Bonn als Musterstadt für die<br />
elektromobile Zustellung<br />
In einem ersten Schritt wurde bis Ende<br />
<strong>2013</strong> die Elektrofahrzeugflotte in Bonn<br />
und Umgebung auf 79 Fahrzeuge ausgebaut.<br />
Innerstädtisch werden die Elektroautos<br />
in der Paketzustellung eingesetzt. In<br />
Stadtrandlagen und im Umland kommen<br />
die Fahrzeuge in der kombinierten Briefund<br />
Paketzustellung zum Zug. Schon zum<br />
Projektstart ist in Bonn eine der größten<br />
zusammenhängenden Elektro-Nutzfahrzeugflotten<br />
der Welt unterwegs. Getankt<br />
wird Strom aus regenerativen Quellen.<br />
Bei den Elektrofahrzeugen handelt es<br />
sich um Kleintransporter, Transporter bis<br />
2,8 Tonnen und Paketzustellfahrzeuge.<br />
Eingesetzt werden Autos der Hersteller<br />
Iveco, Renault und Mercedes, aber<br />
auch 20 StreetScooter. Das Fahrzeug ist<br />
eine Gemeinschaftsentwicklung mit der<br />
StreetScooter GmbH, einem Spin-off der<br />
Rheinisch-Westfälischen Technischen<br />
Hochschule (RWTH) Aachen. Der Fahrzeugtyp<br />
wurde speziell für die Zustellung<br />
entwickelt und weist neben dem<br />
Elektroantrieb weitere ergonomische<br />
Besonderheiten auf.<br />
Erfüllen die Fahrzeuge und die Ladetechnik<br />
die Erwartungen, kommen 2014 rund<br />
40 Fahrzeuge hinzu. Mit dieser 120 Fahrzeuge<br />
umfassenden Flotte sind zu normalen<br />
Zeiten das gesamte Bonner Stadtgebiet<br />
und drei umliegende Standorte<br />
auf Elektrobetrieb umgestellt. Lediglich<br />
in den sogenannten Starkverkehrszeiten,<br />
etwa in der Vorweihnachtszeit, kommen<br />
einige konventionelle Dieselfahrzeuge<br />
als Reserve zum Einsatz. Mit 20 weiteren<br />
Elektrofahrzeugen, die ihren Dienst 2015<br />
aufnehmen sollen, gehört der Diesel im<br />
Testgebiet endgültig der Vergangenheit<br />
an. 2016, in der Endausbaustufe des<br />
Projektes, werden nach heutiger Planung<br />
141 Elektrofahrzeuge unterwegs sein, die<br />
gegenüber konventionellen Fahrzeugen<br />
über 500 Tonnen CO 2<br />
pro Jahr einsparen.<br />
Unterstützt wird das Projekt vom<br />
„Förderprogramm Elektromobilität“ der<br />
Bundesregierung.<br />
Im Dialog<br />
GoGreen von Deutsche Post DHL<br />
Das Pilotprojekt wird von einem lebendigen<br />
Bürgerdialog begleitet. So stellte sich<br />
das Unternehmen am „Tag der Elektromobilität“<br />
am 14. September <strong>2013</strong> auf<br />
dem Bonner Münsterplatz den Fragen<br />
der Bürgerinnen und Bürger. Das bei der<br />
Informationsveranstaltung und anderen<br />
Gelegenheiten eingeholte Feedback fließt<br />
in die weitere Gestaltung des Vorhabens<br />
ein. Die bisherigen Reaktionen belegen<br />
die hohe Akzeptanz der elektromobilen<br />
Postzustellung. Viele Bürgerinnen und<br />
Bürger erhoffen sich, dass der Test bald<br />
auf andere Städte und Regionen ausgedehnt<br />
wird – aus Umweltschutzgründen,<br />
aber auch aus Eigeninteresse: Die Menschen<br />
hoffen, dass durch die Nachfrage<br />
von Deutsche Post DHL Elektroautos in<br />
die Großserienfertigung gehen und so für<br />
Privatkunden erschwinglicher werden.<br />
Das Umweltschutzprogramm GoGreen von Deutsche Post DHL beinhaltet<br />
das Klimaschutzziel, die CO 2<br />
-Effizienz verglichen mit dem Basisjahr 2007 um<br />
30 Prozent zu verbessern. Darüber hinaus beteiligt sich Deutsche Post DHL<br />
im Rahmen von GoGreen an der Entwicklung von Berechnungsstandards für<br />
CO 2<br />
-Emissionen in der Logistik. Ein weiterer Baustein des Programms sind<br />
grüne Produkte und Dienstleistungen für die Kunden. Mit dem „CO 2<br />
-Report“<br />
erstattet das Unternehmen seinen Geschäftskunden Bericht über die Höhe<br />
der CO 2<br />
-Emissionen, die durch die Transportaufträge mit Deutsche Post DHL<br />
entstanden sind. Beim Service „Grüne Optimierung“ berät Deutsche Post DHL<br />
Kunden über effizienzsteigernde Maßnahmen und entwickelt kundenindividuelle<br />
Lösungen. Zusätzlich bietet Deutsche Post DHL CO 2<br />
-neutrale Produkte<br />
und Services an. Die bei Transport und Logistik entstehenden CO 2<br />
-Emissionen<br />
gleicht das Unternehmen über Investitionen in Klimaschutzprojekte aus.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
83
HYPOVEREINSBANK<br />
Saubere Sache:<br />
Unser Weg zum<br />
CO 2<br />
-neutralen<br />
Bankbetrieb<br />
Von Stefan Löbbert<br />
Die eigenen CO 2<br />
-Emissionen vermeiden, dauerhaft reduzieren<br />
und, wo das nicht möglich ist, durch den Ankauf von Klimaschutzzertifikaten<br />
kompensieren – das ist der Weg der Hypo<br />
Vereinsbank zum CO 2<br />
-neutralen Unternehmen. Diesen Weg gehen<br />
wir seit Jahren konsequent: Unsere Gebäude betreiben wir<br />
bereits seit 2010 klimaneutral, seit Sommer <strong>2013</strong> den gesamten<br />
Bankbetrieb. Ressourcenschonende und effizienzsteigernde<br />
Maßnahmen aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen<br />
sowie das umweltbewusste Verhalten unserer Mitarbeiter haben<br />
es ermöglicht, dieses langfristig verfolgte Ziel zu erreichen.<br />
CO 2<br />
-Emissionen im Bankbetrieb entstehen<br />
vorrangig durch Energieverbrauch<br />
und Dienstreisen, durch Papier- und<br />
Wasserverbrauch sowie durch Abfallaufkommen.<br />
Oberste Priorität hat daher<br />
die Vermeidung und Reduktion von<br />
CO 2<br />
-Emissionen durch mehr Energieeffizienz<br />
und den sparsamen Einsatz<br />
von Ressourcen. Bei der HypoVereinsbank<br />
geschieht dies beispielsweise über<br />
wärmedämmende Fassadensanierungen<br />
bei Bankgebäuden oder über die<br />
Optimierung haustechnischer Anlagen.<br />
Auch das Senken der CO 2<br />
-Grenze für<br />
Dienstfahrzeuge sowie der Einsatz von<br />
Video- und Telefonkonferenzen spielen<br />
eine wichtige Rolle im klimaneutralen<br />
Bankalltag. Da nicht alle CO 2<br />
-Emissionen<br />
vollkommen vermieden werden<br />
können, gleichen wir diese freiwillig<br />
über den Kauf und die Stilllegung von<br />
CO 2<br />
-Zertifikaten aus. Diese Zertifikate<br />
nach anerkannten Standards liefern<br />
den Nachweis, dass im Rahmen von<br />
Klimaschutzprojekten an anderer Stelle<br />
CO 2<br />
-Emissionen eingespart wurden.<br />
Kleine Chronologie der<br />
Klimaneutralität<br />
Ressourcen schonen Energetisch optimierte Gebäude sind ein wichtiger Hebel für<br />
Ressourceneffizienz. Den denkmalgeschützten HVB-Tower am Münchner Arabellapark<br />
bauen wir bis 2015 zum Green Building um.<br />
All das hat sich nicht von heute auf<br />
morgen ergeben: Bereits seit den 1990er<br />
Jahren sorgt bei der HypoVereinsbank ein<br />
Umweltschutzbeauftragter für die ökologische<br />
Ausrichtung des Bankbetriebs.<br />
Seit 2006 steuern und verbessern wir die<br />
betriebliche Umweltleistung kontinuierlich<br />
über unser zertifiziertes Umweltmanagement<br />
und bringen so Energie- und<br />
Ressourceneffizienz aktiv voran. Seit<br />
2010 beziehen wir unseren Strom zu<br />
100 Prozent aus erneuerbaren Energien<br />
und gestalten unseren Wärmebedarf<br />
84 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Good Practice<br />
Umweltschutz<br />
Events & Strom Mobilität & Einkauf Emissionsarme Reisen<br />
& innovative Technik<br />
Steuerung & Verwertung<br />
CO 2<br />
-neutral. Seit Sommer <strong>2013</strong> kompensieren<br />
wir nun auch die Emissionen<br />
unserer Dienstreisen, unseres Papier- und<br />
Wasserverbrauchs sowie unseres Abfallaufkommens<br />
– und gestalten damit den<br />
gesamten Bankbetrieb CO 2<br />
-neutral. Zahlreiche<br />
aktuelle Auszeichnungen, wie der<br />
B.A.U.M.-Umweltpreis in der Kategorie<br />
Großunternehmen, die mehrfache Prämierung<br />
unseres nachhaltigen Fuhrparks<br />
(Green-Fleet- und Grüne-Flotte-Awards<br />
in mehreren Kategorien) sowie unsere<br />
Platzierung als Branchenbester im aktuellen<br />
Nachhaltigkeitsrating von oekom<br />
research spornen uns an, auch über<br />
den Etappensieg der Klimaneutralität<br />
hinaus ehrgeizige Ziele zu definieren.<br />
Denn Nachhaltigkeit ist in der Hypo-<br />
Vereinsbank seit Jahren fest verankert –<br />
organisatorisch und im Kerngeschäft.<br />
Gebäude für die Zukunft<br />
Zwei Rechenzentren mit einer Fläche<br />
von umgerechnet zwei Fußballfeldern gewährleisten<br />
den sicheren Betrieb unserer<br />
IT-Infrastruktur. An unseren gesamten<br />
CO 2<br />
-Emissionen haben sie einen großen<br />
Anteil: Jährlich verbrauchen sie<br />
so viel Energie wie 11.000 Haushalte.<br />
Wir modernisieren sie daher laufend<br />
und setzen auf innovative Technik. So<br />
kühlen wir eines der Rechenzentren mit<br />
dem Wasser des nahe vorbeifließenden<br />
Eisbachs im Münchner Englischen Garten.<br />
Außerdem nutzen wir Inline Air<br />
Cooling – ein neuartiges, im Hause<br />
entwickeltes Kühlsystem. Es nutzt die<br />
natürliche Luftströmung aufsteigender<br />
Wärme und absinkender Kälte in idealer<br />
Weise für den Betrieb und die Kühlung<br />
der IT-Infrastruktur in unseren Rechenzentren.<br />
Seit 2012 sparen wir darüber<br />
jährlich 4.000 MWh Energie ein. Dies<br />
entspricht etwa 2.200 Tonnen CO 2<br />
.<br />
Mobilität für morgen<br />
mit einem CO 2<br />
-Ausstoß von weniger<br />
als 90 g/km zu den effizientesten ihrer<br />
Fahrzeugklasse. Für Dienstfahrzeuge<br />
von Mitarbeitern gilt eine Obergrenze<br />
von 130 g/km. Innerhalb von zwei<br />
Jahren konnten wir damit den durchschnittlichen<br />
Treibstoffverbrauch sowie<br />
den CO 2<br />
-Ausstoß pro Fahrzeug um<br />
jeweils mehr als 13 Prozent senken.<br />
Unser Mobilitätskonzept entwickeln<br />
wir laufend weiter und prüfen dazu<br />
alternative Antriebstechnologien und<br />
Mobilitätsmodelle am Markt.<br />
Unsere Highlights im<br />
umweltfreundlichen<br />
Bankbetrieb:<br />
Energetisch optimierte Gebäude sind<br />
der wichtigste Hebel für einen nachhaltigen<br />
Bankbetrieb. Bei Bau- und<br />
Renovierungsmaßnahmen achtet die<br />
HypoVereinsbank daher konsequent<br />
auf Energie- und Ressourceneffizienz,<br />
Materialökologie und Gesundheitsaspekte.<br />
Unser Leuchtturmprojekt ist die<br />
Grundsanierung der denkmalgeschützten<br />
Firmenzentrale (HVB-Tower) in München.<br />
Bis 2018 gestalten wir den Turm<br />
und die dazugehörigen Flachbauten zu<br />
einem „Green Building“ gemäß dem<br />
international anerkannten Standard<br />
Leadership in Energy & Environmental<br />
Design (LEED) um. Wichtige Aspekte<br />
dabei sind die Erneuerung der Fassade<br />
nach den neuesten Wärmeschutzstandards<br />
sowie Energie- und Wassereffizienz.<br />
Ressourceneffizienz durch Green IT<br />
Mobilität ist für die Geschäftstätigkeit<br />
der HypoVereinsbank unabdingbar. Um<br />
unsere Reisetätigkeit so ökologisch und<br />
effizient wie möglich zu planen, haben<br />
wir strenge Reiserichtlinien entwickelt.<br />
So nutzen unsere Mitarbeiter bei einer<br />
Fahrtdauer von unter vier Stunden prinzipiell<br />
die Bahn. Die Anzahl der Flugreisen<br />
konnten wir 2012 so um 50 Prozent<br />
reduzieren. Die CO 2<br />
-Emissionen der verbleibenden<br />
Dienstflüge kompensieren<br />
wir seit Sommer <strong>2013</strong>. Um Dienstreisen<br />
zu vermeiden, forcieren wir seit einiger<br />
Zeit den Einsatz von Videokonferenzen.<br />
Als Anreiz für unsere Mitarbeiter, für<br />
ihren täglichen Arbeitsweg öffentliche<br />
Verkehrsmittel zu nutzen, stellen wir<br />
ihnen in München, Hamburg und Nürnberg<br />
ein Jobticket zur Verfügung.<br />
Mit unserem umweltfreundlichen Flottenmanagement<br />
zählen wir darüber<br />
hinaus zu den Vorreitern in <strong>Deutschland</strong>.<br />
Unsere Poolfahrzeuge gehören<br />
• 50 % weniger Flugreisen haben<br />
unsere Mitarbeiter 2012 gegenüber<br />
dem Vorjahr unternommen.<br />
• 100 % unseres Stroms beziehen<br />
wir seit 2010 aus erneuerbaren<br />
Quellen, einen kleinen Teil<br />
davon produzieren wir sogar<br />
selbst.<br />
• Rund 70 % CO 2<br />
haben wir<br />
gegenüber 2009 eingespart, davon<br />
gehen 20 % auf das Konto<br />
von Effizienzmaßnahmen und<br />
50 % auf den Bezug von grünem<br />
Strom. Die verbleibenden 30 %<br />
kompensieren wir.<br />
• Gleich dreifach wurde die<br />
HypoVereinsbank 2012 für ihr<br />
ganzheitliches Mobilitätskonzept<br />
ausgezeichnet.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
85
LANXESS<br />
Die Zukunft der Mobilität ist<br />
grün<br />
Mobilität war noch nie so wichtig wie heute. Immer mehr Menschen wollen mobil sein, aber die<br />
Infrastruktur platzt schon jetzt aus allen Nähten – von den Auswirkungen auf die Umwelt nicht<br />
zu reden. Getreu dem Motto: Jeder will zurück zur Natur, aber keiner zu Fuß, gilt es, die Probleme<br />
einer Welt in Bewegung zu verstehen und zu lösen.<br />
Von Axel Vassen und Markus Brückner<br />
Das Statussymbol Auto ist für Mobilitätsforscher<br />
mittlerweile fast zum Synonym<br />
für eine Szenerie geworden, die vom<br />
Aussterben bedroht ist. Aber: „Auch<br />
zwei Milliarden Autos an sich wären<br />
noch keine Katastrophe“, schreibt der<br />
kalifornische Mobilitätsexperte Dan<br />
Sperling in seinem Buch „Two Billion<br />
Cars“. Allerdings müssen dazu die gängigen<br />
Fahrzeugkonzepte grundlegend<br />
überdacht werden. Leicht und umweltverträglich<br />
steht unsichtbar als Devise<br />
über den Reißbrettern der Autohersteller.<br />
Neben dem klassischen Verbrennungsmotor<br />
sind elektromobile Antriebskonzepte<br />
stark im Kommen. Prognosen<br />
zufolge werden Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor<br />
2025 zwar immer noch für<br />
50 Prozent des Umsatzes in der Branche<br />
sorgen, aber bereits ein Anteil von<br />
zehn Prozent des Neufahrzeugabsatzes<br />
soll dann auf Elektroautos entfallen<br />
und ganze 40 Prozent auf Hybridfahrzeuge.<br />
Diese Verschiebungen werden<br />
die aktuelle Wertschöpfungskette des<br />
Mobilitätssektors nicht nur für Erstausrüster<br />
und Zulieferer, sondern auch<br />
für Stromversorger und Drittanbieter<br />
verändern.<br />
Zunehmend an Bedeutung gewinnt<br />
auch der Leichtbau. So sind beispielsweise<br />
technische Kunststoffe ein Material<br />
mit hohem Potenzial, die diesen Trend<br />
weiter unterstützen. Sie bieten aber<br />
nicht nur den Vorteil der Gewichts-<br />
86 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Good Practice<br />
Umweltschutz<br />
reduktion, es ergeben sich auch ganz<br />
neue Konstruktions- und Designmöglichkeiten.<br />
Hightech-Materialien für die<br />
Mobilität der Zukunft.<br />
So werden leistungsfähige Kunststoffe<br />
wie Durethan® oder Tepex® von LANXESS<br />
zunehmend im Automobil eingesetzt.<br />
Diese Bauteile halten höchsten Belastungen<br />
stand und sind dabei bis zu 40 Prozent<br />
leichter und auch günstiger. Im Materialmix<br />
von Autos machen Kunststoffe<br />
bereits einen Anteil von bis zu zwanzig<br />
Prozent aus, denn 100 Kilogramm weniger<br />
Gewicht bedeuten eine Kraftstoffersparnis<br />
von bis zu einem halben Liter<br />
und entsprechender CO 2<br />
-Reduktion pro<br />
100 Kilometer. Hartwig Meier, Leiter der<br />
Produkt- und Anwendungsentwicklung<br />
beim LANXESS Geschäftsbereich High<br />
Performance Materials, ist überzeugt:<br />
„Konventionelle Kunststoff-Anwendungen<br />
wie die im Motorraum werden in<br />
Zukunft auf Bauteile übertragen, die<br />
mit den Strukturen von Autos zu tun<br />
haben. Das ist neu, denn sie definieren<br />
die Gesamtleistung eines Autos.“<br />
EU-Reifen-Label hilft bei der<br />
Reifenwahl<br />
Effizient und besonders einfach lässt sich<br />
der Verbrauch vor allen Dingen auch<br />
durch das Umrüsten auf rollwiderstandsarme<br />
Qualitätsreifen, auch „grüne Reifen“<br />
genannt, reduzieren. Hochentwickelte<br />
Kautschuke von LANXESS machen den<br />
„Grünen Reifen“ möglich, mit dem ein<br />
Pkw bis zu sieben Prozent Kraftstoff und<br />
CO 2<br />
sparen kann. Und im Vergleich zu<br />
technischen Lösungen wie etwa einer<br />
Start-Stopp-Automatik lassen sich Reifen<br />
problemlos auch bei Bestandsfahrzeugen<br />
umrüsten.<br />
Der LANXESS-Vorstandsvorsitzende Axel<br />
C. Heitmann betont: „Würden wir von<br />
heute auf morgen bei allen Autos in<br />
Europa die Bereifung auf die besten Produkte<br />
umstellen, könnten allein dadurch<br />
bis zu 15 Milliarden Liter Kraftstoff pro<br />
Jahr eingespart werden.“ Eine Utopie<br />
– aber sie wird zusehends realistischer.<br />
Bisher standen sich Reifeneigenschaften<br />
wie „hohe Bremswirkung“, „lange<br />
Lebensdauer“ und „geringer Rollwiderstand“<br />
entgegen. Moderne Reifen mit<br />
Laufflächen aus Neodym-Performance-<br />
Butadien-Kautschuk haben jedoch den<br />
nötigen Grip und trotzdem einen enorm<br />
niedrigen Rollwiderstand.<br />
Erkennen kann man die rollwiderstandsarmen<br />
am EU-Reifenlabel, das<br />
seit November 2012 auf allen neuen<br />
Reifen beim Kauf zu finden ist. Das Label<br />
bewertet den Spritverbrauch der Pneus<br />
sowie die Nasshaftung (sprich Sicherheit)<br />
von A (optimal) bis G. Zudem gibt es die<br />
Lautstärke des Rollgeräuschs an. „Grüne<br />
Reifen“ erhalten bei Verbrauch und<br />
Sicherheit besonders gute Bewertungen.<br />
Die Kennzeichnung sieht ähnlich aus wie<br />
bei Haushaltsgeräten und hat bei diesen<br />
Geräten dazu geführt, dass Kühlschränke<br />
und Waschmaschinen zu echten Energiesparwundern<br />
geworden sind.<br />
Umrüsten rechnet sich bereits ab<br />
20.000 Kilometer<br />
Wie sehr sich der Wechsel auf solche<br />
grünen Reifen für Autofahrer oder insbesondere<br />
für Fuhrparkbetreiber auszahlt,<br />
zeigt ein Rechenbeispiel auf Grundlage<br />
von Studien der Technischen Universität<br />
München: Bis zu 16.000 Liter Kraftstoff<br />
kann demnach ein Fuhrpark mit 100 Pkw<br />
einsparen durch den Wechsel auf Fabrikate,<br />
die mit einem A beim Spritverbrauch<br />
bewertet werden – bei einer<br />
jährlichen Fahrleistung von 20.000 Kilometern<br />
und einem Verbrauch von sieben<br />
Litern pro Pkw. Umgerechnet ergibt sich<br />
für die Flotte so bei einem Benzinpreis<br />
von 1,60 Euro ein Sparpotenzial von<br />
mehr als 25.000 Euro. Selbst wenn der<br />
Kaufpreis pro „grünem Reifen“ um angenommene<br />
40 Euro höher läge, sind<br />
die Mehrkosten bereits nach gut 12.500<br />
Kilometern wieder eingefahren.<br />
Weiterer positiver Effekt: Auch die Umwelt<br />
profitiert. Die oben genannte Flotte<br />
kann ihren jährlichen CO 2<br />
-Ausstoß um<br />
bis zu 37.000 kg reduzieren. „Grüne<br />
Reifen“ verbessern darüber hinaus die<br />
Fahrsicherheit eines Autos. So lässt sich<br />
mit ihnen der Bremsweg auf nasser Fahrbahn<br />
bei einer Geschwindigkeit von 80<br />
Stundenkilometer um bis zu 19 Meter<br />
verringern – eine Eigenschaft, die in<br />
brenzligen Situationen Leben retten<br />
kann.<br />
Um das CO 2<br />
- und Treibstoffsenkungspotenzial<br />
von Fahrzeugflotten zu berechnen,<br />
hat LANXESS einen Spritspar-<br />
Rechner für Flotten und eine App für<br />
Endverbraucher veröffentlicht, mit denen<br />
das Potenzial von „Grünen Reifen“<br />
ausgerechnet werden kann.<br />
Diese sind kostenlos zu finden unter<br />
http://flotte.green-mobility.de bzw.<br />
http://app.green-mobility.de<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
87
MAN<br />
Mobilität in<br />
Bewegung<br />
Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung wird bis 2050 nach UN-Prognosen in Städten wohnen –<br />
das sind geschätzte 6,3 Milliarden Menschen. Bereits heute lebt jede zweite Person im urbanen<br />
Raum. Damit wachsen auch die Herausforderungen für Stadtplaner: Verstopfte Straßen kosten<br />
nicht nur Zeit, Geld und Ressourcen, sondern belasten auch Umwelt und Gesundheit. Der öffentliche<br />
Personennahverkehr ist deshalb ein zentraler Bestandteil der Lebensqualität aller Stadtbewohner.<br />
MAN forscht an flexiblen Verkehrskonzepten für Städte, um Mobilitätskonzepte von<br />
morgen mitzugestalten.<br />
Von Yvonne Benkert<br />
Wachstum mit Verkehrsfolgen<br />
Die Menschen versprechen sich von Städten<br />
mehr Bildungs- und Jobchancen<br />
sowie eine funktionierende Infrastruktur.<br />
Dazu gehören vor allem Mobilitätsangebote,<br />
die ihren Bedürfnissen und Möglichkeiten<br />
entsprechen. Doch gerade<br />
die erhoffte Mobilität ist angesichts der<br />
explodierenden Einwohnerzahlen keine<br />
Selbstverständlichkeit: In vielen Städten<br />
sind Staus und überfüllte öffentliche<br />
Verkehrsmittel an der Tagesordnung.<br />
Viel Verkehr führt zudem zu hohen<br />
Schadstoffbelastungen, Smog und Lärm.<br />
Darunter leiden Mensch und Natur.<br />
Eine undurchdachte Verkehrsführung<br />
ist nicht nur nervenaufreibend für die<br />
Bevölkerung, sondern auch schädlich<br />
für die lokale Wirtschaft: Metropolen<br />
stehen zunehmend miteinander im<br />
Wettbewerb um Bewohner und Unternehmen.<br />
Busse als smarte Lösung<br />
Die Anforderungen an zukünftige Mobilitätskonzepte<br />
sind hoch: Einwohner<br />
und Besucher möchten sich zeitsparend,<br />
günstig und komfortabel mit sicheren<br />
Fahrzeugen fortbewegen. Zudem soll<br />
die Schadstoff belastung in der Luft so<br />
gering wie möglich sein.<br />
88 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Good Practice<br />
Umweltschutz<br />
Wegweisende Lösungen von MAN<br />
Mit dem Lion’s City Hybrid (s. Foto links)<br />
entwickelte MAN einen Bus mit Hybridantrieb.<br />
Diese Technologie speichert die<br />
beim Bremsen entstehende Energie, die der<br />
Bus nutzt, um rein elektrisch und nahezu<br />
geräuschlos anzufahren. Dank dieser Technologie<br />
verbraucht der Lion’s City Hybrid<br />
bis zu 30 Prozent weniger Kraftstoff als ein<br />
herkömmlicher Stadtbus.<br />
Der mit Erdgas angetriebene MAN Lion’s<br />
City CNG-Bus kann auch mit Biogas angetrieben<br />
werden und stößt so bis zu 90 Prozent<br />
weniger CO 2<br />
-Emissionen aus als ein<br />
dieselbetriebenes Fahrzeug.<br />
Die wichtigste Maßnahme zur Verbesserung<br />
der Lebensqualität in Städten<br />
ist deshalb der Ausbau des öffentlichen<br />
Personennahverkehrs (ÖPNV). Ein erster<br />
Schritt ist der Auf bau eines emissionsarmen<br />
und effizienten Busnetzes.<br />
Denn Busse sind variabel einsetzbar und<br />
insbesondere in Kombination mit umweltschonenden<br />
Antriebstechnologien<br />
eine der effizientesten und saubersten<br />
Lösungen gegen Staus.<br />
Wie Städte funktionieren<br />
Immer mehr Städte setzen insbesondere<br />
auf Schnellbussysteme, auch BRT-Systeme<br />
genannt (Bus Rapid Transit). Diese fahren<br />
in einer hohen Taktfrequenz und verfügen<br />
über optimierte Zu- und Aussteigsysteme.<br />
Durch weitere Vorteile wie separate<br />
Busspuren, Ampelvorrangschaltung und<br />
intelligente Verknüpfungen mit anderen<br />
Verkehrsmitteln können BRT-Lösungen<br />
das Vorankommen zur Hauptverkehrszeit<br />
deutlich beschleunigen. Das entlastet<br />
verstopfte Straßen – ganz ohne teuren<br />
Neu- oder Ausbau des Schienenverkehrs.<br />
Vorbilder weltweit<br />
In der Studie „What Cities Want“ präsentiert MAN gemeinsam<br />
mit der Technischen Universität München<br />
Stadtplanungskonzepte. Dazu wurden 15 internationale<br />
Metropolen über den Aufbau ihrer Infrastruktur sowie<br />
über ihre Mobilitätskonzepte befragt, um herauszufinden,<br />
wie sie mit den wachsenden Einwohnerzahlen und damit<br />
einhergehenden Verkehrsanforderungen umgehen. Dabei<br />
ist „What Cities Want“ nicht als repräsentative Studie<br />
angelegt, sondern stellt die individuellen Lösungskonzepte<br />
der verschiedenen Städte vor.<br />
In der Studie „What Cities Want“ (siehe<br />
Kasten) untersuchte MAN, wie moderne<br />
Strategien für die Verkehrsplanung weltweit<br />
aussehen. Der Ausbau des Busnetzes<br />
ist in vielen Städten ein wichtiger Baustein<br />
im Verkehrsnetz. Beispielsweise hat São<br />
Paulo neben einem U- und S-Bahnnetz ein<br />
System von Schnellbussen mit eigenen<br />
Busspuren (BRT) aufgebaut, um Lärm,<br />
Luftverschmutzung und Treibhausgasemissionen<br />
zu senken. Zusätzlich soll der<br />
rund 15.000 Fahrzeug starke Busfuhrpark<br />
bis 2018 ausschließlich aus Bussen bestehen,<br />
die mit erneuerbaren Energien wie<br />
Biodiesel oder Ethanol betrieben werden.<br />
Bis zum Jahr 2012 wurden bereits 2.500<br />
Dieselfahrzeuge ersetzt. Die Reduktion der<br />
CO 2<br />
-Emissionen für das Jahr 2012 wird auf<br />
rund 10.700 Tonnen pro Monat geschätzt.<br />
Die Einwohner Münchens nutzen im<br />
Berufsverkehr bereits für über 40 Prozent<br />
der Wege öffentliche Transportmittel.<br />
Grund dafür ist ein hervorragend ausgebautes<br />
Netz des ÖPNV, in dem auch der<br />
Ein zentrales Ergebnis der Studie: Obwohl jede Stadt einmalig ist, sind die<br />
Wirkmechanismen und Einflussfaktoren auf das System städtische Mobilität<br />
vergleichbar. Verkehrs- und Stadtplaner können so an Stellschrauben wie<br />
Sicherheitsempfinden oder Weglängen drehen und das Mobilitätssystem einer<br />
Stadt entscheidend verbessern.<br />
MAN Lion’s City Hybridbus eingesetzt<br />
wird. Die bayrische Landeshauptstadt will<br />
durch verschiedene Maßnahmen noch<br />
mehr Menschen dazu animieren, auf Bus<br />
und Bahn umzusteigen. Dafür werden<br />
beispielsweise Buslinien beschleunigt<br />
und eine Umweltzone für Pkw-Fahrer<br />
in der Innenstadt eingerichtet.<br />
Mobilität für alle<br />
Die Verkehrsführung in Metropolen ist<br />
komplex: Zahlreiche Komponenten und<br />
Verkehrsteilnehmer müssen berücksichtigt<br />
werden. Im Verbundprojekt UR:BAN<br />
haben sich 30 Partner aus verschiedenen<br />
Branchen, Forschungseinrichtungen<br />
und Städten zusammengeschlossen, um<br />
benutzergerechte Fahrerassistenz- und<br />
Verkehrsmanagementsysteme für die<br />
Stadt von morgen zu entwickeln. MAN<br />
ist Teil dieser Forschungsinitiative, die<br />
die vielen unterschiedlichen Rollen<br />
des Menschen im Verkehrssystem als<br />
Fahrer, Radfahrer oder Fußgänger untersucht.<br />
Eines ist sicher: Ein schnelles<br />
und komfortables Angebot des ÖPNV<br />
nutzen Stadtbewohner auf der ganzen<br />
Welt und lassen dafür ihr Auto öfter<br />
stehen. Damit entsteht mehr Raum für<br />
sichere Fußgänger- und Fahrradwege.<br />
MAN treibt an<br />
Die beiden globalen Megatrends Urbanisierung<br />
und Klimawandel kommen<br />
insbesondere in Metropolen zum Tragen.<br />
Einige dieser Städte haben sich<br />
ehrgeizige Klimaziele gesetzt: Die dänische<br />
Hauptstadt Kopenhagen plant bis<br />
2025 CO 2<br />
-neutral zu sein; München will<br />
seine Klima-Emissionen bis 2030 um<br />
50 Prozent gegenüber 1990 reduzieren.<br />
Städte übernehmen zunehmend selbst<br />
Verantwortung und werden zu aktiven<br />
Treibern im Klimaschutz.<br />
„MAN antwortet auf diese Megatrends<br />
mit Innovationen für die Mobilität in<br />
Megacities – sowohl für den Güter- als<br />
auch für den Personenverkehr“, erklärt<br />
Jochen Schumm, Personalvorstand der<br />
MAN SE und verantwortlich für Corporate<br />
Responsibility. „Dafür müssen wir<br />
jedoch verstehen, was die logistischen<br />
Anforderungen der Städte sind und wie<br />
das Mobilitätsverhalten der Menschen<br />
ist.“ MAN forscht an den Lösungen von<br />
morgen und bleibt so Treiber für zukunftsfähige<br />
Strukturen.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
89
Mediengruppe MACONDO<br />
Projekt Togo – Klimaschutz<br />
mit sozialem Mehrwert<br />
Nicht vermeidbare CO 2<br />
-Emissionen können durch Kompensationen in Klimaschutzprojekte<br />
klimaneutral gestellt werden. Die Mediengruppe macondo nutzt dazu ein Projekt in Togo,<br />
weil hier neben Umweltaspekten auch die nachhaltige Entwicklung der gesamten Region einbezogen<br />
wird.<br />
Von Dr. Elmer Lenzen<br />
Für uns als Mediengruppe macondo ist<br />
es eine Frage unseres bürgerschaftlichen<br />
Selbstverständnisses und auch unserer<br />
unternehmerischen Glaubwürdigkeit,<br />
dass wir neben wirtschaftlichem Denken<br />
auch die Interessen von Mensch und<br />
Natur beachten. Unser Umweltschutzengagement<br />
umfasst vor allem diese<br />
drei Bereiche:<br />
Ökostrom: Der Stromverbrauch der<br />
Mediengruppe macondo speist sich zu<br />
100 Prozent aus regenerativen Energien.<br />
Das gilt sowohl für den Stromverbrauch<br />
am Firmensitz als auch für den Energiebedarf<br />
in unseren Rechenzentren.<br />
Dadurch sind alle Online-Auftritte der<br />
Mediengruppe macondo nachhaltig. Zudem<br />
haben wir darauf geachtet, dass<br />
die Angaben unserer Energiepartner<br />
TÜV-zertifiziert sind.<br />
Nachhaltiger Papierverbrauch: Bereits seit<br />
2006 wird bei allen hauseigenen Publikationen,<br />
aber auch beim alltäglichen<br />
Papierverbrauch im Büro ausschließlich<br />
Recycling-Papier oder FSC-zertifiziertes<br />
Papier genutzt.<br />
Klimaneutraler Druck: Nicht alle Emissionen<br />
können vermieden werden. Aber<br />
sie können dann zumindest kompensiert<br />
werden. Alle unsere hauseigenen<br />
Verlagsprodukte werden zu 100 Prozent<br />
klimaneutral produziert. Sie sind mit<br />
dem Gold Standard zertifiziert und bieten<br />
höchste Sicherheit und Glaubwürdigkeit.<br />
1.000 Hektar Wald als CO 2<br />
-Speicher<br />
Ein solches Klimakompensations-Projekt<br />
ist das „Projekt Togo“. Das besondere an<br />
diesem Projekt ist, dass es die tatsächliche<br />
CO 2<br />
-Bindung durch die Aufforstung<br />
einer 1.000 ha großen Naturschutzzone<br />
mit lokalem entwicklungspolitischem<br />
Engagement in den Bereichen Energie,<br />
Wasser, Gesundheit, Bildung und Soziales<br />
verbindet. Initiator des Projekt<br />
Togo ist natureOffice, ein Anbieter, der<br />
sich auf die Kompensation von CO 2<br />
-<br />
90 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Good Practice<br />
Umweltschutz<br />
Emissionen spezialisiert hat. Fachkundiger<br />
Partner und verantwortlich für die<br />
Durchführung vor Ort ist die renommierte<br />
französische NGO „Action Durable“.<br />
Andreas Weckwert, Geschäftsführer von<br />
natureOffice, sagt: „Ein Klimaschutzprojekt<br />
muss mehr leisten, als die Atmosphäre<br />
schützen. Um nachhaltig zu<br />
wirken, muss es auch für die Menschen<br />
da sein. Projekt Togo engagiert sich für<br />
Umwelt und Klima ebenso wie für die<br />
Bevölkerung: Es verbessert die Lebensbedingungen<br />
in der Arbeitsregion und<br />
bietet den Käufern von Klimazertifikaten<br />
Transparenz in allen Projektphasen.“<br />
Die Mediengruppe macondo unterstützt<br />
das Projekt Togo seit 2010 finanziell im<br />
Rahmen der Klimaneutralstellung ihrer<br />
Druckerzeugnisse im Geschäftsbereich<br />
Verlag.<br />
Ausschlaggebend für die Wahl dieses<br />
Projektes war für uns der ganzheitliche<br />
klima- und entwicklungspolitische<br />
Ansatz sowie die Zertifizierung der Leistungen<br />
nach derzeit höchstem Standard.<br />
So erfüllt das Projekt Togo sowohl den<br />
Gold Standard als auch den CarbonFix<br />
Standard. Damit wird sichergestellt,<br />
dass die berechnete CO 2<br />
-Bindung auch<br />
tatsächlich stattfindet und ebenso die<br />
Zusatzkriterien verbindlich eingehalten<br />
werden. Die Standards orientieren<br />
sich hierbei an den Richtlinien des Kyoto<br />
Protokolls. Um Risikofaktoren wie<br />
Waldbrände oder Schädlingsbefall hinreichend<br />
abzusichern, verpflichtet sich<br />
natureOffice außerdem, 30 Prozent der<br />
generierten CO 2<br />
-Zertifikate in einen Sicherungsfond<br />
zu leiten. Die Überprüfung<br />
der sachgemäßen Umsetzung erfolgt<br />
durch den TÜV Süd. Das Klimaschutzprojekt<br />
hat eine Laufzeit von 30 Jahren<br />
und wird gemeinsam mit der lokalen<br />
Bevölkerung umgesetzt. Aktuell befindet<br />
sich das Projekt in der Prävalidierung.<br />
Im Rahmen des Klimaschutzprojektes<br />
werden 1.000 ha reine Naturschutzzone<br />
wieder aufgeforstet. Dabei werden<br />
bisher ungenutzte Brachflächen, die<br />
früher schon einmal bewaldet waren,<br />
mit einheimischen Baumarten wie dem<br />
Gmelin, Neem, Anakardium und Famboyant<br />
aufgeforstet. Voraussetzung ist,<br />
dass die Brachflächen bereits vor Jahrzehnten<br />
abgeholzt wurden, um nicht die<br />
Zerstörung intakter Baumbestände zu<br />
finanzieren. Die Pflanzung der Stecklinge<br />
erfolgt nach einem Plan, um Erosionsschäden<br />
zu verringern, das Mikroklima<br />
zu verbessern und Schutzräume für die<br />
Tierwelt zu schaffen. Nach dem Aufbau<br />
der Baumschulen und der Pflanzung<br />
der Bäume wird das Areal durch ausgebildete<br />
Forstmitarbeiter überwacht. Zu<br />
deren Aufgabe zählt unter anderem die<br />
Wachstumsüberwachung, die Dokumentation<br />
von Schädlings- und Krankheitsbefall<br />
sowie deren Beseitigung. Derzeit<br />
arbeitet das Projekt in der Region Argu<br />
in der Ortschaften Fokpo. Abuzokope<br />
in der Nähe von Agotimé wird gerade<br />
aufgebaut. In 2014 sollen weitere Flächen<br />
im Norden (Kara) hinzu kommen.<br />
Projekt Togo soll sich – wie der Name<br />
schon sagt – auf ganz Togo ausweiten<br />
und die Entwicklung im gesamten Land<br />
unterstützen. „Vorrangig werden soziale<br />
Projekte in Regionen durchgeführt, die<br />
an der Aufforstung beteiligt sind,“ heißt<br />
es dazu bei natureOffice.<br />
Nachhaltigkeit in fünf<br />
Handlungsfeldern<br />
Langfristig bietet das Projekt Togo den<br />
Bewohnern vor Ort nur eine limitierte<br />
Anzahl an Arbeitsplätzen. Zum Beispiel<br />
beim Anpflanzen der Bäume und später<br />
im Rahmen der fortwirtschaftlichen<br />
Überwachung. Um die Region darüber<br />
hinaus zu entwickeln, prüfen die Projektverantwortlichen<br />
verschiedene Ansätze<br />
zur Schaffung von Arbeitsplätzen – vor<br />
allem in der Landwirtschaft – sowie<br />
zum Ausbau der Infrastruktur in den<br />
Bereichen Wasser, Bildung, Energie und<br />
Gesundheit. Ziel ist es, eine nachhaltige<br />
Entwicklung in fünf Handlungsfeldern<br />
anzustoßen:<br />
Verkehrsanbindung: Um weitere Arbeitsplätze<br />
zu schaffen und die lokale Wirtschaft<br />
anzukurbeln, wird die Verbindungsstraße<br />
von Fokpo nach Kyalimér<br />
ausgebaut.<br />
Energieversorgung: In Fokpo gibt es keinen<br />
Strom. Dabei wird dieser dringend<br />
benötigt, u.a. für die Schule und für<br />
den Betrieb einer Elektropumpe für den<br />
Brunnen. Dazu sollen zunächst an verschiedenen<br />
Punkten im Dorf Solarzellen<br />
installiert werden.<br />
Bildung: Im Rahmen des Projektes entsteht<br />
daher nun ein neues Schulgebäude<br />
mit drei Klassenzimmern und einer<br />
ausreichend großen Toilettenanlage.<br />
Gesundheit: Bau eines Gesundheitszentrums,<br />
um ca. 500 Personen medizinisch<br />
zu betreuen.<br />
Wasserversorgung: In der Ortschaft Dany<br />
Gaby beispielsweise leben mehr als<br />
1.200 Menschen ohne direkten Wasseranschluss.<br />
Das Projekt Togo sorgt dafür,<br />
dass die Menschen dort künftig ihren<br />
eigenen Brunnen haben.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
91
WEIDMÜLLER<br />
Die Produktionshalle<br />
als „Passivhaus“<br />
Von Klaus Hübscher<br />
Nicht nur bei den Produkten und Lösungen von Weidmüller wird Wert auf höchste Energieeffizienz<br />
und Ressourcenschonung gelegt. Auch in den eigenen Produktionsprozessen und bei<br />
der Infrastruktur der Gebäude und Querschnittstechnologien setzt der Elektrotechnikspezialist<br />
mit Hauptsitz in Detmold auf Nachhaltigkeit. Denn Energieeffizienz beginnt weit vor der<br />
Steckdose.<br />
Energie- und Ressourceneffizienz sind<br />
bei Weidmüller nicht dem aktuellen<br />
Zeitgeist geschuldet, sondern seit vier<br />
Jahrzehnten gelebte Praxis: „Wir sind<br />
uns unserer Verpflichtung und Verantwortung<br />
gegenüber den nachfolgenden<br />
Generationen bewusst“, so Vorstandssprecher<br />
Dr. Peter Köhler. „Dieses beeinflusst<br />
seit vielen Jahren unser unternehmerisches<br />
Handeln auf allen Ebenen,<br />
von der Inhaberfamilie über Vorstand<br />
und Führungskräfte bis hin zu den Kolleginnen<br />
und Kollegen in Verwaltung<br />
und Produktion.“<br />
Auch in der eigenen Produktion hat<br />
Weidmüller hohe Ansprüche an die<br />
Nachhaltigkeit. Was in den 70er-Jahren<br />
mit ersten Lärmschutzmaßnahmen in<br />
Stanzerei und Montage begann, wurde<br />
seither konsequent weiterentwickelt:<br />
Wärmerückgewinnungssysteme, Druckluftverbundsteuerungen,<br />
elektronische<br />
Vorschaltgeräte, aber auch ein feingliedriges<br />
Umweltmanagement bis hin zur<br />
strukturierten Abfallsortierung und vieles<br />
mehr sind bei Weidmüller seit langer Zeit<br />
Standard. So hat Weidmüller bereits Ende<br />
der 1990er Jahre für alle Betriebsstätten<br />
am Standort Detmold eine flächendeckende<br />
Gebäudeleittechnik (GLT) installiert.<br />
Über diese können Haustechnik wie Heizungen,<br />
Lüftungen usw. bedarfsgerecht<br />
und damit energieeffizient gesteuert werden.<br />
Seit 2009 hat das Unternehmen ein<br />
technisches Energiemanagement-System<br />
(EnMS) konsequent auf- und ausgebaut,<br />
um Energieflüsse und -verbräuche (z. B.<br />
Strom, Wärme, Kälte und Druckluft) zu<br />
dokumentieren. Ein Aufwand, der sich<br />
lohnt: „Mit jedem Schritt, den wir in Richtung<br />
Energieeffizienz in der Produktion<br />
unternommen haben, haben wir dazu<br />
gelernt“, erläutert Köhler. „Diese Erfahrungen<br />
und Erkenntnisse wurden auch<br />
bei der Planung und Realisierung der<br />
neuen Produktionshalle ‚Niemeierstraße‘<br />
berücksichtigt.“<br />
Der Neubau der Produktionshalle „Niemeierstraße“<br />
wurde ohne eigenständige<br />
Heizungsanlage konzipiert: „Als Wärmequellen<br />
dient die Abwärme der Produktionsmaschinen,<br />
der Kompressoren<br />
und der Kälteanlage“, erklärt Helene<br />
Derksen-Riesen, Leiterin internationales<br />
Gebäude- und Energiemanagement<br />
bei Weidmüller. „In bestimmten Fällen,<br />
z. B. in produktionsfreien Zeiten, kann<br />
die Halle bei Bedarf über die Heizungsanlage<br />
eines Nachbargebäudes grundversorgt<br />
werden.“ Der Bau der neuen<br />
Produktionshalle wurde auf Basis der<br />
aktuellen Energieeinsparverordnung<br />
geplant und im Frühjahr 2011 fertig gestellt.<br />
„Nach der Energieeinsparverordnung<br />
darf die Halle pro Quadratmeter<br />
403 kWh Energie im Jahr verbrauchen“,<br />
so Derksen-Riesen. „Laut ausgestelltem<br />
Energieausweis benötigt sie lediglich<br />
187 kWh / m 2 pro Jahr.“ Möglich machen<br />
dies zusätzlich eingesetzte moderne Baustoffe,<br />
abgestimmte Bodenisolierungen so-<br />
92 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Good Practice<br />
Umweltschutz<br />
wie effiziente Lichtbänder und gedämmte<br />
Fenster. Durch die zusätzliche Nutzung<br />
der Abwärme der Produktionsmaschinen,<br />
Kompressoranlage und Kältemaschine<br />
wurde 2012 sogar ein Verbrauchswert<br />
von nur 22 kWh pro Quadratmeter und<br />
Jahr erreicht: „Gegenüber der Energieeinsparverordnung,<br />
die schon sehr hohe<br />
Anforderung an die Effizienz stellt, entspricht<br />
dies eine Unterschreitung des<br />
gesetzlich zulässigen Energieverbrauchs<br />
um 94 Prozent“, erklärt Derksen-Riesen<br />
stolz. „Jährlich werden allein durch diese<br />
Maßnahme 838 Tonnen CO 2<br />
eingespart.“<br />
Die Einsparung entspricht dem CO 2<br />
-Ausstoß<br />
von rund 320 Mittelklasse-Pkw. „In<br />
Frühling und Herbst wird außerdem auch<br />
ein angeschlossenes Produktions- und<br />
Verwaltungsgebäude über die Abwärme<br />
der Produktionsmaschinen mitversorgt“,<br />
berichtet Derksen-Riesen.<br />
Weitere Maßnahmen ergänzen die Energieeffizienz<br />
der Produktionshalle: Im<br />
Freibereich werden die Fahrrampen für<br />
Gabelstapler und Lkw in den Wintermonaten<br />
mittels Warmwasser aus dem<br />
Wärmerückgewinnungssystem eisfrei<br />
gehalten. In der Vergangenheit wurden<br />
solche Systeme elektrisch betrieben, ein<br />
bis zu doppelter CO 2<br />
-Ausstoß war die<br />
Folge. Um die Verluste von Transformatoren<br />
und Stromleitungen zu reduzieren,<br />
wurden Effizienztransformatoren<br />
eingesetzt, zusätzlich wurden die<br />
Standorte der Transformatoren in die<br />
direkte Nähe zu den Stromverbrauchern<br />
versetzt. Dadurch konnten verlustreiche<br />
Niederspannungs-Leitungen verkürzt<br />
und verlustärmere Mittelspannungskabel<br />
verlängert werden. Hieraus ergibt sich<br />
eine weitere Verbrauchsreduzierung zwischen<br />
drei und fünf Prozent: „Bei allen<br />
verbauten technischen Komponenten<br />
wie Motoren, Pumpen, Ventilatoren oder<br />
der Beleuchtung wurden moderne energieeffiziente<br />
Komponenten eingesetzt“,<br />
weiß Derksen-Riesen zu berichten. „Das<br />
Gesamtpakt ‚Strom‘ schafft damit eine<br />
Einsparung von ca. 730.000 kWh pro<br />
Jahr, was zusätzlichen 365 Tonnen CO 2<br />
gegenüber der konventionellen Bauweise<br />
und Einrichtung entspricht.“<br />
Bei Weidmüller ist man stolz auf das<br />
bisher Geleistete und nicht nur dort: Im<br />
Frühjahr <strong>2013</strong> wurde das Unternehmen<br />
von Bundeswirtschaftsminister Philipp<br />
Rösler und Bundesumweltminister Peter<br />
Altmaier als „Klimaschutzunternehmen“<br />
ausgezeichnet. In Sachen Energieeffizienz<br />
beschreitet Weidmüller den Weg auch<br />
zukünftig konsequent weiter: „Aktuell<br />
arbeiten wir am Ausbau der Verbrauchserfassung<br />
bei den Produktionsmaschinen<br />
bis in kleinste Ebenen“, so Derksen-Riesen.<br />
„Ziel ist die Ermittlung der Verbrauchswerte<br />
einzelner Maschinen, um in Zukunft<br />
unsere Prozesse energetisch noch effizienter<br />
gestalten zu können.“ Hierfür wurde<br />
mit dem Weidmüller „Power Monitor“<br />
eigens ein Messgerät entwickelt und auf<br />
den Markt gebracht, das aktuell bereits<br />
in der eigenen Produktion mit großem<br />
Erfolg eingesetzt wird.<br />
Mit Blick auf einen nachhaltigen Austausch<br />
teilt Weidmüller sein Wissen,<br />
seine Erfahrungen und seine Lösungen<br />
auch mit anderen Unternehmen<br />
und engagiert sich seit vielen Jahren<br />
in unterschiedlichen Netzwerken. Die<br />
Produktionshalle als „Passivhaus“ ist für<br />
Weidmüller aktuell das größte realisierte<br />
Energieeffizienz- bzw. Klimaschutz-Einzelprojekt<br />
mit der höchsten CO 2<br />
-Einsparung<br />
pro Jahr. Trotzdem ist dieses Projekt<br />
nur ein Baustein der übergeordneten<br />
Nachhaltigkeitsstrategie: „Die Halle wird<br />
von Weidmüller ausdrücklich nicht als<br />
Leuchtturm-Projekt angesehen, sondern<br />
ist ein Teilbereich des Gesamtpakets<br />
unserer Nachhaltigkeitsstrategie“, erklärt<br />
Dr. Peter Köhler. „Eingesetzt wurden<br />
ausschließlich Komponenten, die hocheffizient,<br />
aber dennoch schon heute<br />
Stand der Technik sind. Bei Planung und<br />
Umsetzung wurde Wert auf die sofortig<br />
Reproduzierbarkeit aller Maßnahmen<br />
gelegt.“ Damit schafft Weidmüller Lösungen,<br />
die auch anderen Unternehmen<br />
helfen, ihre Produktion energieeffizient<br />
aufzustellen, und agiert somit gleich im<br />
doppelten Sinne nachhaltig.<br />
Für Dr. Peter Köhler, Vorstandssprecher,<br />
ist die Halle Teil des Gesamtpakets der<br />
Nachhaltigkeitsstrategie von Weidmüller.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
93
METRO GROUP<br />
Korruptionsprävention<br />
in der METRO GROUP<br />
Innerhalb der METRO GROUP ist grundsätzlich jede Form von Korruption verboten. Dies gilt für<br />
die Anbahnung, Begründung oder Pflege von Geschäftsbeziehungen ebenso wie für den Umgang<br />
mit Amtspersonen. Um die Einhaltung der Grundsätze von Rechtstreue, Integrität und Transparenz<br />
im Verhältnis zu einer Vielzahl von Geschäftspartnern und Amtspersonen zu gewährleisten,<br />
hat das Unternehmen in erster Linie Maßnahmen zur Vorbeugung von Korruption entwickelt.<br />
Darüber hinaus unterstreicht die Unternehmensführung die hohe Bedeutung des Themas regelmäßig<br />
durch klare Botschaften. Zuletzt hat Olaf Koch, CEO der METRO GROUP, anlässlich des<br />
„Compliance Day <strong>2013</strong>“ in einer Videobotschaft an die Mitarbeiter erneut hervorgehoben, dass<br />
Compliance fester Teil der Unternehmensstrategie ist.<br />
Von Dr. Dirk Christoph Schautes<br />
Um die Mitarbeiter bei der Einhaltung<br />
dieser Regeln zu unterstützen, wurde ein<br />
konzernweites Compliance Management<br />
System etabliert. Allen Mitarbeitern, die<br />
im Rahmen ihrer täglichen Arbeit mit<br />
Amtspersonen oder Geschäftspartnern<br />
umgehen, wurden hierfür spezifische<br />
Anti-Korruptions-Richtlinien an die Hand<br />
gegeben. Diese Richtlinien bauen auf die<br />
bereits seit 2006 geltenden Geschäftsgrundsätze<br />
der METRO GROUP auf. Ergänzt<br />
werden diese Regelungen durch die<br />
Spenden & Sponsoring-Richtlinie sowie<br />
die Richtlinie zur Beauftragung externer<br />
Berater, welche konzernweit gültig und<br />
für jeden Mitarbeiter verbindlich sind.<br />
Bei einem international agierenden Handelskonzern<br />
wie der METRO GROUP stellt<br />
sich außerdem die Herausforderung, die<br />
kulturellen Besonderheiten der lokalen<br />
Märkte angemessen zu reflektieren. Die<br />
Anti-Korruptions-Richtlinien öffnen sich<br />
daher dem jeweils geltenden lokalen<br />
Recht und den lokalen Gepflogenheiten<br />
an den internationalen Konzernstandorten.<br />
So ist das Gewähren oder Empfangen<br />
von Geschenken oder Einladungen<br />
durch oder von Mitarbeitern der METRO<br />
GROUP beispielsweise nur dann zulässig,<br />
wenn diese angemessen, bargeldlos<br />
und von geringem Wert sind sowie<br />
dem jeweiligen lokalen Recht und den<br />
lokalen Gepflogenheiten entsprechen.<br />
Verantwortlich für die Sicherstellung von<br />
Compliance ist jeweils die Geschäftsführung<br />
einer Konzerngesellschaft. Zu dieser<br />
Verantwortung gehört auch, in begründeten<br />
und dokumentierten Entscheidungen<br />
die weiteren vorbeugenden Maßnahmen<br />
der Anti-Korruptions-Richtlinien auf die<br />
lokale Risikosituation anzupassen und<br />
umzusetzen.<br />
Damit die Mitarbeiter die Anforderungen<br />
erfüllen können, werden verschiedene<br />
Schulungs- und Kommunikationsformate<br />
genutzt, welche die Geschäftsgrundsätze<br />
und Unternehmensrichtlinien<br />
anschaulich erläutern. Darüber hinaus<br />
unterstützen lokale Compliance Officer<br />
94 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Good Practice<br />
Anti-Korruption<br />
die Mitarbeiter mit verpflichtenden<br />
Schulungen und Beratungen dabei, die<br />
Richtlinien und Standards sowie die daraus<br />
resultierenden Pflichten zu erfüllen.<br />
Insgesamt wurden bis Ende 2012 bereits<br />
über 10.000 Mitarbeiter konzernweit<br />
im Rahmen von Präsentationstrainings<br />
geschult. Unterstützend wirkt seit Ende<br />
2012 eine international eingesetzte<br />
E-Training-Plattform, welche computergestützte<br />
Schulungen ermöglicht.<br />
Um die Themen Compliance und Korruptionsprävention<br />
im Bewusstsein der<br />
Mitarbeiter präsent zu halten und sie<br />
für die mit Verstößen verbundenen Risiken<br />
zu sensibilisieren, wird jährlich<br />
ein konzernweiter “Compliance Day“<br />
organisiert. Dieser Tag dient vor allem<br />
dazu, das Verantwortungsbewusstsein<br />
der Führungskräfte und Mitarbeiter<br />
mit interaktiven Formaten zu stärken.<br />
Zusätzlich erhalten die Mitarbeiter regelmäßig<br />
den unternehmensinternen<br />
Compliance-Newsletter “Right!“.<br />
Im Umgang mit Geschäftspartnern<br />
wurden Standards eingeführt, welche<br />
Transparenz fördern und Bestechlichkeit<br />
und Vorteilsnahme vorbeugen. So<br />
soll die Geschäftsführung jeder MET-<br />
RO GROUP Gesellschaft sicherstellen,<br />
dass standardisierte Ausschreibungsverfahren<br />
durchgeführt werden, bevor<br />
eine Geschäftsbeziehung zu einem<br />
Geschäftspartner begründet wird oder<br />
bestehende Geschäftsbeziehungen ausgebaut<br />
werden. Teil dieses Verfahrens<br />
ist die Durchführung eines Compliance<br />
Checks des Geschäftspartners, welcher<br />
auf einer Selbstauskunft basiert. In<br />
definierten Risikobereichen ist diese<br />
Überprüfung verpflichtend. Treten bei<br />
der Beantwortung der Fragen Unregelmäßigkeiten<br />
auf oder werden relevante<br />
Fragen nicht beantwortet, ist der<br />
METRO-Mitarbeiter angehalten, diese<br />
Unregelmäßigkeiten seinem Vorgesetzten<br />
und dem zuständigen Compliance<br />
Officer anzuzeigen. Weiterhin ist zu<br />
entscheiden, ob trotz der Bedenken<br />
eine Geschäftsbeziehung begründet<br />
werden kann, etwa weil fehlende Informationen<br />
anderweitig beschafft und<br />
Bedenken ausgeräumt werden können.<br />
In Fällen, in denen Bedenken nicht ausgeräumt<br />
werden können, beispielsweise<br />
weil der Eigentümer der Gesellschaft<br />
nicht offen gelegt wird, werden auch<br />
bereits bestehende Geschäftsbeziehungen<br />
beendet.<br />
Damit die Anti-Korruptions-Verpflichtung<br />
in jeder Vertragsbeziehung zu einem<br />
Geschäftspartner berücksichtigt<br />
wird, muss die Geschäftsführung jeder<br />
Konzerngesellschaft sicherstellen, dass<br />
in den entsprechenden Verträgen eine<br />
standardisierte Anti-Korruptions-Klausel<br />
enthalten ist. Diese begründet auch ein<br />
Kündigungsrecht für den Fall, dass hiergegen<br />
verstoßen wird.<br />
Für tendenziell korruptionsanfällige<br />
Geschäftsbereiche sind die Geschäftsführungen<br />
der Konzerngesellschaften<br />
angehalten, ein internes System für<br />
regelmäßige Arbeitsplatzwechsel („Job<br />
Rotation“) einzuführen. In verschiedenen<br />
Landesgesellschaften werden solche<br />
Job Rotationen bereits systematisch<br />
durchgeführt, wie etwa in der Einkaufsorganisation<br />
von METRO Cash & Carry<br />
in China.<br />
Aufgrund der anders gelagerten Risikolage<br />
unterscheiden sich die Standards,<br />
die im Kontakt zu Amtspersonen einzuhalten<br />
sind, von den Anforderungen<br />
im Umgang mit Geschäftspartnern. Daher<br />
wird zunächst die Gruppe der Führungskräfte<br />
und Mitarbeiter innerhalb<br />
der einzelnen Konzerngesellschaften,<br />
die berechtigt sind, die Gesellschaft gegenüber<br />
Amtspersonen zu vertreten,<br />
klar begrenzt. Dies gilt nicht nur für<br />
die Hauptverwaltung, sondern auch<br />
für die Märkte. Nach dem Vier-Augen-<br />
Prinzip ist zudem vorgesehen, dass für<br />
den Geschäftskontakt mit Amtspersonen<br />
ein weiterer Berechtigter aus dem<br />
Unternehmen hinzugezogen wird. Bei<br />
besonders risikoreichen Vorhaben, wie<br />
dem Einsatz von externen Beratern oder<br />
der Begründung eines Joint Ventures mit<br />
einem lokalen Partner, ist außerdem<br />
stets der zuständige Compliance Officer<br />
einzubinden.<br />
Maßgeblich für den Erfolg der Bemühungen<br />
zur Korruptionsprävention ist<br />
grundsätzlich ein positives Geschäftsumfeld.<br />
Ein solches wird unter anderem<br />
durch so genannte “collective action“-<br />
Initiativen, wie die von Bundesregierung<br />
und Wirtschaft angestoßene “Alliance<br />
for Integrity“, eingefordert und unterstützt.<br />
Die „Alliance for Integrity“, die<br />
von der Deutschen Gesellschaft für Internationale<br />
Zusammenarbeit (GIZ), dem<br />
UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerk als auch<br />
von zahlreichen international tätigen<br />
deutschen und indischen Wirtschaftsunternehmen<br />
getragen wird, tritt für<br />
saubere Geschäftspraktiken und einen<br />
fairen Wettbewerb ein. Pilotland der<br />
Initiative ist Indien. Auch die METRO<br />
GROUP unterstützt und gestaltet die<br />
Initiative mit.<br />
In Indien werden nach der Auftaktkonferenz<br />
im November <strong>2013</strong> unter anderem<br />
Schulungsmaßnahmen für kleine<br />
und mittelständische Unternehmen zu<br />
Compliance und Korruptionsprävention<br />
erarbeitet, um auf diese Weise an der<br />
kontinuierlichen Weiterentwicklung<br />
der Compliance Kultur in Staat und Unternehmen<br />
mitzuwirken.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
95
Good Practice<br />
Darüber hinaus verfolgt der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
zwei sich ergänzende Ziele:<br />
96 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Good Practice<br />
CSR Management<br />
98<br />
100<br />
102<br />
104<br />
106<br />
108<br />
BASF<br />
DAW<br />
Deutsche Bahn<br />
Deutsche Telekom<br />
EY<br />
Forest Carbon Group<br />
Entwicklung & Partnerschaft<br />
110<br />
HOCHTIEF<br />
1) Die zehn Prinzipien sollen zu einer Selbstverständlichkeit<br />
innerhalb von Geschäftstätigkeiten auf der ganzen Welt<br />
werden.<br />
2) Entwicklung von Maßnahmen zur Unterstützung darüber<br />
hinausgehender UN-Ziele wie etwa die Millenniums-<br />
Entwicklungsziele (MDGs)<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
97
BASF<br />
Kooperation zwischen<br />
BASF und European Water<br />
Partnership zu nachhaltigem<br />
Wassermanagement<br />
Wasser ist eine unentbehrliche Ressource für die Menschheit genauso wie für die chemische<br />
Industrie. BASF setzt Wasser als Kühl-, Löse- und Reinigungsmittel sowie als Bestandteil von<br />
Produkten ein. Auf der anderen Seite bietet BASF ihren Kunden Lösungen an, die dabei helfen,<br />
Wasser zu reinigen, effizienter zu nutzen und Verschmutzungen zu verringern. Um diese<br />
Lösungen weiterzuentwickeln, arbeitet BASF eng mit verschiedenen Fachkreisen zusammen.<br />
Der nachhaltige Umgang mit Wasser ist hierbei von besonderer Bedeutung.<br />
Von Dr. Brigitte Dittrich-Krämer und Dr. Andrea Stögbauer<br />
Neue Chancen können sich durch den<br />
Austausch und Partnerschaften zwischen<br />
Unternehmen und privaten Organisationen<br />
ergeben. Sie treiben das Thema<br />
Wasser im Hinblick auf Nachhaltigkeit<br />
voran.<br />
BASF nimmt aktive Rolle bei Wasser-<br />
Partnerschaft ein<br />
Seit 2008 kooperiert BASF mit European<br />
Water Partnership (EWP). Die 2006 auf<br />
Initiative der EU-Kommission gegründete<br />
unabhängige Organisation setzt sich für<br />
den nachhaltigen Umgang mit Wasser<br />
ein. Im Sinne des partnerschaftlichen<br />
Ansatzes arbeiteten Wasserexperten der<br />
BASF sowie andere Vertreter aus Wirtschaft,<br />
Politik und Nichtregierungsorganisationen<br />
an der Entwicklung eines<br />
europaweiten Standards, der Grundlagen<br />
und Kriterien für ein nachhaltiges Wassermanagement<br />
definiert. Das Ergebnis<br />
ist der European Water-Stewardship-<br />
(EWS)-Standard, mit dem sowohl Unternehmen<br />
verschiedener Sektoren als<br />
auch landwirtschaftliche Betriebe prüfen<br />
können, wie nachhaltig ihr Umgang mit<br />
der Ressource Wasser ist.<br />
Industrie und Landwirtschaft können<br />
ihren Umgang mit Wasser nun nach den<br />
Kriterien Entnahmemenge, Wasserverschmutzung,<br />
Schutz der biologischen<br />
Artenvielfalt sowie operatives Wassermanagement<br />
überprüfen und verbessern.<br />
BASF testete den EWS-Standard im Jahr<br />
2010 in einem sechsmonatigen Pilotversuch<br />
an ihrem größten Standort in<br />
Ludwigshafen und machte Vorschläge<br />
zu dessen Verbesserung. Im November<br />
2011 fiel unter Anwesenheit von Janez<br />
Potočnik, EU-Kommissar für Umwelt, in<br />
Brüssel der offizielle Startschuss für den<br />
EWS-Standard.<br />
Die Anwendung des EWS-Standards<br />
bringt Unternehmen zahlreiche Vorteile.<br />
Sie erhalten ein klares Bild ihres Wassermanagements,<br />
indem Risiken identifiziert<br />
werden – beispielsweise die Abhängigkeit<br />
von einer einzelnen begrenzten Wasserressource<br />
– und Verbesserungsmöglichkeiten<br />
aufgezeigt werden. Der EWS-Standard<br />
umfasst 50 Kriterien, die den vier<br />
Prinzipien nachhaltige Wasserentnahme,<br />
Sicherung einer hohen Wasserqualität,<br />
Erhalt von Naturschutzgebieten und<br />
verantwortungsvollem Wassermanagement<br />
zugeordnet sind. Ein wesentlicher<br />
Aspekt des EWS-Standards ist der Blick<br />
über die eigenen Werkgrenzen hinaus.<br />
Durch das Einbeziehen anderer Nutzer<br />
und die Verbreitung des nachhaltigen<br />
Wassermanagements kann eine größere<br />
Wirkung zugunsten des Wasserschutzes<br />
erreicht werden.<br />
Nachhaltiges Wassermanagement<br />
als Ziel<br />
BASF hat sich das Ziel gesetzt, bis 2020<br />
nachhaltiges Wassermanagement an<br />
ihren Produktionsstandorten in Wasserstressgebieten<br />
einzuführen. Dies sind<br />
Gebiete, in denen mehr als 60 Prozent<br />
des verfügbaren Wassers von Menschen<br />
entnommen wird. Jeder fünfte Produktionsstandort<br />
der BASF liegt in einem<br />
98 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Good Practice<br />
CSR Management<br />
Wasserverfügbarkeit und Wassernutzung weltweit<br />
4.740 m 3<br />
Durchschnittliche<br />
Wasserverfügbarkeit<br />
pro Person und Jahr<br />
in Europa<br />
13.400 m 3<br />
Durchschnittliche<br />
Wasserverfügbarkeit<br />
pro Person und Jahr<br />
in den USA und in Mexico<br />
2.470 m 3<br />
Durchschnittliche<br />
Wasserverfügbarkeit<br />
pro Person und Jahr<br />
in der Karibik<br />
2.970 m 3<br />
Durchschnittliche<br />
Wasserverfügbarkeit<br />
pro Person und Jahr<br />
in Asien-Pazifik<br />
7.200 m 3<br />
Durchschnittliche<br />
Wasserverfügbarkeit<br />
pro Person und Jahr<br />
in Lateinamerika<br />
1.000 m 3<br />
Durchschnittliche<br />
Wasserverfügbarkeit<br />
pro Person und Jahr<br />
in Subsahara-Afrika<br />
500 m 3<br />
Durchschnittliche<br />
Wasserverfügbarkeit<br />
pro Person und Jahr<br />
in der arabischen Welt<br />
Gesamte Wassernutzung<br />
Gebiete mit hohem Wasserstress<br />
Was sind Wasserstressgebiete?<br />
Wasserstressgebiete sind Gebiete, in denen<br />
Wasser eine knappe Ressource darstellt und<br />
mehr als 60 Prozent des verfügbaren Wassers<br />
von Menschen entnommen wird. Die wichtigsten<br />
Einflussgrößen, die zu Wasserknappheit führen,<br />
sind: geringe Niederschläge, hohe Temperaturen,<br />
geringe Luftfeuchtigkeit, ungünstige Bodeneigenschaften<br />
oder auch eine hohe Wasserentnahme.<br />
Gesamte Wassernutzung pro Land<br />
Maßstab der Grafik<br />
761.000 Millionen m 3 / Jahr<br />
427.000 Millionen m 3 / Jahr<br />
189.000 Millionen m 3 / Jahr<br />
46.000 Millionen m 3 / Jahr<br />
< 1.000 Millionen m 3 / Jahr<br />
1.150 m 3<br />
Durchschnittliche<br />
Wasserverfügbarkeit<br />
pro Person und Jahr<br />
in Australien<br />
Quellen: www.unwater.org; Gebiete mit hohem Wasserstress, verändert nach: Pfister et al., 2009; UNESCO, United Nations World Water Development Report – Water for People, Water for Life, 2003;<br />
FAO, Wasserverfügbarkeit nach Region, Aquastat, <strong>2013</strong><br />
Wasserstressgebiet. Der EWS-Standard<br />
bildet die Basis zur Überprüfung und<br />
liefert konkrete Ansatzpunkte, wenn<br />
eine Anpassung des vorhandenen Wassermanagements<br />
nötig sein sollte.<br />
Weitere Wasserziele der BASF betreffen<br />
die Reduktion des Trinkwasserverbrauchs<br />
und die Senkung der Emissionen in das<br />
Wasser an den Produktionsstandorten<br />
weltweit. Im Vergleich zum Basisjahr<br />
2010 konnte der Trinkwasserverbrauch<br />
um 23,2 Prozent vermindert werden. Die<br />
Emissionen organischer Stoffe konnten<br />
zwischen 2002 und 2012 um 76,4 Prozent,<br />
von Stickstoff um 87,3 Prozent und<br />
von Schwermetallen um 56,8 Prozent<br />
gesenkt werden.<br />
Erster Chemiestandort zertifiziert<br />
Der spanische BASF-Produktionsstandort<br />
Tarragona zeigt, wie der bewusste Umgang<br />
mit Wasser funktionieren kann. Auf<br />
Grund einer exponierten Lage in einem<br />
Wasserstressgebiet hatte sich Tarragona<br />
als erster Standort für eine Anwendung<br />
des EWS-Standards entschieden. Experten<br />
erhoben Daten zu Wasserentnahme und<br />
-abgabe sowie zur Wasserqualität am<br />
Standort und in der Umgebung. Hierbei<br />
stellten sie zahlreiche Fragen: Aus welchen<br />
Quellen stammt das Wasser? Welche<br />
Wassermengen benötigt die Produktion?<br />
Wohin fließt es nach der Reinigung in<br />
der eigenen Kläranlage? Gibt es negative<br />
Auswirkungen auf den Grundwasserspiegel<br />
oder auf nahegelegene Schutzgebiete?<br />
Das Werk in Tarragona verwendet für die<br />
Produktion auch auf bereitetes Wasser<br />
aus der kommunalen Kläranlage. Durch<br />
diese Zweitverwertung verringert sich die<br />
Entnahmemenge aus Fluss, Grundwasser<br />
und Meer. Investitionen in geschlossene<br />
Kühlkreisläufe und die Verwertung des<br />
Dampfkondensats reduzieren den Wasserbedarf.<br />
Zudem verfügt Tarragona über<br />
eine umfassende Überwachung der Wasserqualität<br />
im eigenen Kläranlagenablauf.<br />
Als Anerkennung dieses nachhaltigen<br />
Wasseransatzes erhielt BASF im Mai<br />
<strong>2013</strong> für den Standort Tarragona als erstes<br />
Chemieunternehmen überhaupt das<br />
Gold-Zertifikat gemäß dem European<br />
Water-Stewardship-Standard. Die Prüfer<br />
der unabhängigen Kontrollstelle<br />
TÜV Nord Integra haben hierzu das<br />
gesamte Wassermanagement des Standorts<br />
betrachtet – von der Wasserentnahme<br />
an der Quelle bis zur Abgabe ins<br />
Meer.<br />
Der kooperativ entwickelte EWS-Standard<br />
zeigt, wie mit der lebensnotwendigen<br />
Ressource Wasser sozial und wirtschaftlich<br />
sowie ökologisch vorteilhaft<br />
umgegangen werden kann. Mit der Einführung<br />
eines nachhaltigen Wassermanagements<br />
leistet BASF hier gleichzeitig<br />
einen wichtigen Beitrag zu ihrem Unternehmenszweck<br />
„We create chemistry for<br />
a sustainable future“ – übertragen ins<br />
Deutsche: Chemie, die verbindet – für<br />
eine nachhaltige Zukunft.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
99
DAW<br />
Farbenfroh und innovativ<br />
Der Schutz des Klimas hat sich zu einem zentralen Thema in der Bau- und Immobilienbranche<br />
entwickelt, denn Gebäude sind für 40 Prozent des globalen Energieverbrauches und damit über<br />
ein Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Als Europas größter privater<br />
Hersteller von Baufarben und Lacken, Wärmedämm-Verbundsystemen und Bautenschutzprodukten<br />
eröffnet sich für die DAW SE hier ein breites Wirkungsfeld. Zu dem inhabergeführten<br />
Familienunternehmen, dem es in seiner 118-jährigen Firmengeschichte immer wieder gelang,<br />
zukunftsorientierte Maßstäbe zu setzen, gehören so bekannte Marken wie Caparol und Alpina.<br />
Von Bettina Klump-Bickert<br />
Die DAW SE haben sich zum Ziel gesetzt,<br />
in puncto Nachhaltigkeit eine<br />
Vorreiterrolle innerhalb der Branche<br />
einzunehmen. Dementsprechend hat<br />
das Thema im Unternehmen eine hohe<br />
Bedeutung und eine lange Tradition.<br />
Seit der Unternehmensgründung 1895<br />
konzentrieren sich die DAW auf die Erforschung,<br />
Herstellung und Vermarktung<br />
qualitativ hochwertiger und innovativer<br />
Beschichtungssysteme, die heute für<br />
Themen wie Umweltschutz, Wohngesundheit,<br />
Energieeffizienz und Werterhaltung<br />
stehen. Doch auch im eigenen<br />
Unternehmen übernimmt die DAW SE<br />
Verantwortung für Nachhaltigkeit.<br />
Neubau der DAW-Firmenzentrale:<br />
DGNB Vorzertifikat in Silber<br />
Der in der Planung befindliche Neubau<br />
der DAW-Firmenzentrale in Ober-Ramstadt<br />
ist für seinen hohen ökologischen<br />
Standard von der Deutschen Gesellschaft<br />
für Nachhaltiges Bauen (DGNB) mit dem<br />
Vorzertifikat in Silber ausgezeichnet<br />
worden.<br />
Der bewusst nachhaltig gestaltete Neubau<br />
mit der anschließenden Sanierung<br />
des bestehenden Verwaltungsgebäudes<br />
ist daher auch Ausdruck der seit langem<br />
gelebten, umweltorientierten Unternehmensphilosophie<br />
und ein Leuchtturm-<br />
Projekt im Nachhaltigkeitsbereich der<br />
DAW. Besonderer Wert wird auf die<br />
ökologische Qualität gelegt, zum Beispiel<br />
durch den Einsatz nachwachsender<br />
Rohstoffe und die Reduzierung der Grauen<br />
Energie. Die wichtigsten Nachhaltigkeitsaspekte<br />
sind die Unterschreitung des<br />
Primärenergiebedarfs von 20 Prozent gegenüber<br />
der Energieeinsparverordnung<br />
(EnEV) 2009 durch Nutzung von Erdwärme,<br />
bewusste Auswahl emissionsarmer<br />
Materialien und hohen thermischen<br />
Komfort mit Bauteilaktivierung. Hinzu<br />
kommen Randzonenregulierung und<br />
Kühlsegel sowie eine attraktive Vielfalt<br />
im Außenbereich mit Dachbegrünung<br />
und Wasserflächen.<br />
DAW Nachhaltigkeitsstrategie<br />
Nachhaltigkeit ist bei der DAW ein integrierter<br />
Bestandteil der Unternehmensphilosophie,<br />
die durch eine klare Strategie<br />
gelebt wird. Die DAW Nachhaltigkeitsstrategie<br />
umfasst drei Handlungsfelder:<br />
• Nachhaltiges Unternehmen<br />
• Nachhaltige Produkte<br />
• Nachhaltige Gebäude<br />
Das erste Handlungsfeld ‚Nachhaltiges<br />
Unternehmen‘ zielt darauf ab, das Unternehmen<br />
auf eine zukunftsverträgliche<br />
Art und Weise zu managen. Dies<br />
betrifft vor allem die Bereiche Einkauf,<br />
Forschung und Entwicklung, Arbeitssicherheit,<br />
Personal, das Integrierte Management<br />
System (IMS) sowie das gesellschaftliche<br />
Engagement. Das zweite<br />
Handlungsfeld ‚Nachhaltige Produkte‘<br />
beinhaltet die innovativen, hochwertigen<br />
und dauerhaften Produkte des<br />
Unternehmens, die mit ihrer Materialeigenschaften<br />
sowohl dem Umwelt- und<br />
Klimaschutz als auch der Gesundheit<br />
und dem Wohlbefinden der Menschen<br />
dienen. Im Handlungsfeld ‚Nachhaltige<br />
Gebäude‘ werden nachhaltiges Bauen<br />
und Modernisieren mit unterstützt und<br />
gezielte Gestaltungskonzepte für ein<br />
nachhaltiges Wohlfühlen angeboten.<br />
Darüber hinaus sollen die Produkte mit<br />
dazu beitragen, die Wertbeständigkeit<br />
von Gebäuden zu erhalten.<br />
Neuheit: DAW Nachhaltigkeitsdatenblatt<br />
Nachhaltig gestaltete Gebäude liegen eindeutig<br />
im Trend. Auch Gebäudestandards<br />
wie LEED, BREEAM oder der Standard der<br />
Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges<br />
Bauen (DGNB), bei der die DAW-Firmengruppe<br />
mit ihrer Vertriebsgesellschaft<br />
Caparol 2007 Gründungsmitglied war,<br />
unterstützen diese Entwicklung. Die<br />
erhöhte Nachfrage nach fundierten Informationen<br />
im Bereich des nachhaltigen<br />
Bauens hat zur Entwicklung eines neuartigen<br />
Informationstools geführt – dem<br />
DAW Nachhaltigkeitsdatenblatt. Dieses<br />
neuartige Dokument bietet Planern und<br />
100 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Good Practice<br />
CSR Management<br />
Malerunternehmen alle Informationen,<br />
die für die bekanntesten Zertifizierungssysteme<br />
benötigt werden. Neben einer<br />
Zusammenstellung der technischen Daten<br />
und Inhaltsstoffe erhält der Kunde<br />
eine kompakte Übersicht über die Eignung<br />
des Produktes, die für die Dokumentation<br />
einer Gebäudezertifizierung<br />
erforderlich ist. Das Nachhaltigkeitsdatenblatt<br />
steht allen Interessierten auf<br />
der CAPAROL-Homepage im Bereich der<br />
Downloads der Produkte zur Verfügung.<br />
Gebäudehüllen gegen Hitze und<br />
Kälte<br />
Mit Blick auf den Klimaschutz ist das<br />
größte Potenzial der Energieoptimierung<br />
in den Bereichen Heizung und Kühlung<br />
von Gebäuden zu sehen. Der Einsatz<br />
von energiesparenden Wärmedämm-<br />
Verbundsystemen (WDVS) an der Fassade<br />
wurde 1957 von den DAW mitentwickelt<br />
und ist seit mehr als 50 Jahren die Basis<br />
für eine energetische Optimierung von<br />
Immobilien. Mit der 2002 eingeführten<br />
schwarz-weiß gesprenkelten Capatect-<br />
Fassadendämmplatte –auch „Dalmatinerplatte“<br />
genannt – haben die DAW<br />
eine Schlüsselinnovation auf den Markt<br />
gebracht. Leistungsstarke WDVS der<br />
heutigen Generation in Verbindung mit<br />
Ein Wärmedämm-Verbundsystem<br />
besteht aus Dämmmaterial und<br />
verschiedenen Beschichtungsarten.<br />
widerstandsfähigen Putzbeschichtungen<br />
und Anstrichen schützen weltweit nachhaltig<br />
das Klima. In unseren Klimazonen<br />
vor allem gegen Kälte – in wärmeren<br />
Gegenden wiederum gegen Hitze.<br />
Farbgestaltung mit Auszeichnung<br />
Doch unter dem Thema „Nachhaltige<br />
Gebäude“ versteht die DAW indes<br />
weit mehr. Gemäß der Unternehmensphilosophie<br />
sollen sich die Menschen in<br />
Diplom-Biologin Bettina Klump-Bickert<br />
verantwortet das Nachhaltigkeitsmanagement<br />
bei der DAW SE.<br />
den Gebäuden wohlfühlen, in denen sie<br />
arbeiten und leben. Daher wird nicht<br />
nur besonderer Wert auf die Produkte<br />
und deren Inhaltsstoffe gelegt, sondern<br />
auch auf die Farbgestaltung. Das unternehmenseigene<br />
FarbDesignStudio bietet<br />
gezielt Farbkonzepte an – für ganze<br />
Stadtviertel ebenso wie für Bildungseinrichtungen<br />
oder für den Bereich Pflege<br />
und Gesundheit. So wurde im Juni <strong>2013</strong><br />
das Gemeinschaftsprojekt „Lebensräume“<br />
von Caparol und Forbo mit dem<br />
Health Media Award ausgezeichnet.<br />
Die „Lebensräume“, ein ganzheitliches<br />
Gestaltungskonzept speziell für Wohnräume<br />
älterer Menschen, beinhalten<br />
fünf ausgewogene Farbwelten, die von<br />
Stimmungen aus der Natur inspiriert<br />
sind – sie vermitteln Wohnlichkeit,<br />
Anregung und Orientierung. So können<br />
Alltagskompetenzen länger erhalten,<br />
Eigenständigkeit und Wohlbefinden<br />
gefördert und der Pflegealltag erleichtert<br />
werden.<br />
Ob bei Wirtschaftlichkeit, Umweltfreundlichkeit<br />
und sozio-kulturellen<br />
Aspekten – Produkte der DAW SE bringen<br />
einzigartige Qualitäts- und Nachhaltigkeitseigenschaften<br />
zusammen. Sie<br />
gestalten und schützen zugleich und<br />
bewahren langfristig Werte.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
101
DEUTSCHE BAHN<br />
DB2020 – die nachhaltige<br />
Konzernstrategie<br />
Als internationaler Anbieter von Mobilitäts- und Logistikdienstleistungen<br />
und als einer der größten Arbeitgeber <strong>Deutschland</strong>s<br />
trägt die Deutsche Bahn AG eine besondere Verantwortung für<br />
Kunden, Mitarbeiter, Umwelt und Gesellschaft. Um dieser Verantwortung<br />
gerecht zu werden, hat die DB ihre Unternehmensstrategie<br />
2012 neu ausgerichtet. Mit der Strategie DB2020<br />
rückt sie den Einklang zwischen ökonomischen, ökologischen<br />
und sozialen Aktivitäten in das Zentrum ihres Handelns.<br />
Von Dr. Annika Hundertmark, Julian Matthes und Prof. Dr. Markus Rometsch<br />
Die DB sieht sich vielfältigen Veränderungen<br />
unserer Zeit gegenüber: Zunehmend<br />
volatile Märkte lassen Entwicklungstrends<br />
immer schwerer voraussehen.<br />
Die Kunden suchen nach intelligenten<br />
und einfachen Lösungen in einer immer<br />
komplexeren Welt. Der demografische<br />
Wandel lässt Arbeitskräfte knapp werden,<br />
außerdem gewinnen Klimawandel<br />
und Ressourcenverknappung weiter an<br />
Bedeutung. Mit der Strategie DB2020<br />
begegnet die DB den Chancen und Herausforderungen<br />
dieser Entwicklungen.<br />
Nachhaltiger Unternehmenserfolg und<br />
gesellschaftliche Akzeptanz ebnen den<br />
Weg zur Erreichung der Vision, das<br />
weltweit führende Mobilitäts- und Logistikunternehmen<br />
zu werden. In der<br />
Ausgestaltung der Strategie ist für jede<br />
Nachhaltigkeitsdimension ein DB-spezifischer<br />
Führungsanspruch formuliert. So<br />
will die DB bis 2020 profitabler Marktführer<br />
(Ökonomie) mit Schwerpunkt auf<br />
Kunde und Qualität, Top-Arbeitgeber<br />
(Soziales) und Umwelt-Vorreiter (Ökologie)<br />
werden.<br />
Profitabler Marktführer<br />
Basis für das Erreichen einer profitablen<br />
Marktführerschaft sind zufriedene Kunden<br />
und eine hohe Produktqualität. Dazu<br />
werden kontinuierlich Verbesserungsprozesse<br />
initiiert, Investitionen in die Infrastruktur<br />
und die Fahrzeugflotte getätigt<br />
sowie die Kundeninformation verbessert.<br />
Im Rahmen der Innovationstätigkeit<br />
liegt der Fokus auf der Entwicklung<br />
neuer Produkte und Dienstleistungen,<br />
die den Bedürfnissen von morgen, wie<br />
beispielsweise der intelligenten Einfachheit,<br />
Rechnung tragen.<br />
Auf dem Weg zum Top-Arbeitgeber startete<br />
die DB 2012 die deutschlandweite Arbeitgeberkampagne<br />
„Kein Job wie jeder andere“.<br />
Vor der Kamera standen die Mitarbeiter<br />
selbst.<br />
Profitables Wachstum schafft unternehmerische<br />
Freiräume für nachhaltiges<br />
Handeln. Deshalb arbeitet die DB an einem<br />
kontinuierlichen Ausbau ihrer Spitzenpositionen<br />
auf den globalen Märkten.<br />
Im Jahr 2020 will die DB rund 70 Mrd.<br />
Euro Umsatz erzielen – unter Sicherstellung<br />
einer angemessenen Profitabilität<br />
in Form einer Kapitalverzinsung von 10<br />
Prozent und einer finanziellen Stabilität<br />
des Unternehmens, ausgedrückt in einer<br />
Tilgungsdeckung von 30 Prozent.<br />
Top-Arbeitgeber<br />
Bis 2020 will die DB zu den besten zehn<br />
Arbeitgebern <strong>Deutschland</strong>s zählen und<br />
auch international Spitzenpositionen<br />
einnehmen. Qualifizierte Mitarbeiter,<br />
die mit Begeisterung für die DB und ihre<br />
Kunden arbeiten, sollen gewonnen und<br />
gebunden werden. Die im Herbst 2012<br />
gestartete Arbeitgeber-Kampagne präsentiert<br />
den DB-Konzern als vielfältiges,<br />
attraktives und verantwortungsbewusstes<br />
Unternehmen. Die Einbindung der<br />
Mitarbeiter durch u. a. verschiedene Dialogformate<br />
und die Fortsetzung des Kulturwandels<br />
sind erfolgskritisch. In der<br />
ersten konzernweiten Mitarbeiterbefragung<br />
im Herbst 2012 hatten erstmalig<br />
rund 300.000 Mitarbeiter weltweit die<br />
Möglichkeit, ihre Meinung zu äußern.<br />
61,4 Prozent der Mitarbeiter nahmen<br />
diese Gelegenheit wahr.<br />
Umwelt-Vorreiter<br />
Als Umwelt-Vorreiter setzt die DB mit<br />
ihren Produkten Maßstäbe beim effizienten<br />
Umgang mit den verfügbaren<br />
Ressourcen. So besteht ein Ziel darin,<br />
die spezifischen CO 2<br />
-Emissionen bis zum<br />
102 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Good Practice<br />
CSR Management<br />
Einklang der der Dimensionen für für nachhaltigen Unternehmenserfolg<br />
Vision<br />
Nach haltigkeitsdimension<br />
Wir Wir werden das das weltweit führende Mobilitäts- und und Logistikunternehmen<br />
Nachhaltiger Unternehmenserfolg und und gesellschaftliche Akzeptanz<br />
Profitabler Marktführer<br />
Top-Arbeitgeber<br />
Ökonomie<br />
Soziales<br />
Umwelt-Vorreiter<br />
Ökologie<br />
Top1 Top10 Top1<br />
Stoß Stoß richtung<br />
11 1 Kunde und und Qualität<br />
33 3 Kulturwandel/<br />
Mitarbeiterzufriedenheit<br />
44 4 Ressourcenschonung/<br />
Emissions- und und Lärmreduktion<br />
22 2 Profitables Wachstum<br />
Jahr 2020 weltweit um 20 Prozent zu<br />
senken, ausgehend vom Jahr 2006. Die<br />
DB ist ein entscheidender Treiber der<br />
Energiewende: Bereits heute ist sie nicht<br />
nur <strong>Deutschland</strong>s größter industrieller<br />
Stromverbraucher, sondern außerdem einer<br />
der größten Abnehmer von Ökostrom<br />
in <strong>Deutschland</strong>. Bei 24 Prozent lag der<br />
Anteil von Ökostrom 2012 im deutschen<br />
Bahnstrommix. Dank der „grünen Angebote“<br />
des Fernverkehrs wird dieser<br />
Anteil auf 35 Prozent in 2015 wachsen.<br />
Nachhaltigkeit strukturell verankert<br />
Ein wichtiger Erfolgsfaktor der Umsetzung<br />
von DB2020 ist die konsequente,<br />
organisatorische Verankerung von Nachhaltigkeit.<br />
Seit 2012 ist Dr. Karl-Friedrich<br />
Rausch, Vorstand Transport und Logistik<br />
der DB Mobility Logistics AG, Chief Sustainability<br />
Officer der DB. Für die konzernweite<br />
Steuerung und Koordination<br />
relevanter Themen im Bereich Nachhaltigkeit<br />
wurde das Competence Center<br />
Nachhaltigkeit eingerichtet. Wichtige<br />
Themen, wie beispielsweise die Ende<br />
2012 verabschiedete „Charta für einen<br />
verantwortungsvollen Umgang zwischen<br />
der DB und ihren Anspruchsgruppen“,<br />
werden dort diskutiert. Alle entscheidenden<br />
Unternehmensbereiche sind durch<br />
die Leiter der Fachabteilungen vertreten.<br />
Diese verantworten gemeinsam mit den<br />
Geschäftsfeldern die inhaltliche Arbeit.<br />
Das Competence Center Nachhaltigkeit<br />
wird durch den Leiter der Konzernstrategie<br />
geführt. In der Konzernstrategie ist<br />
parallel die Abteilung Nachhaltigkeitsmanagement<br />
neu geschaffen worden.<br />
Die Strategie DB2020 hat außerdem<br />
Eingang in das Leitbild und in Konzern-<br />
Richtlinien des DB-Konzerns gefunden.<br />
Dies unterstützt, dass eine gemeinsame<br />
Diskussion der drei Nachhaltigkeitsdimensionen<br />
und ihres Einklangs alltäglich<br />
wird. So enthalten z.B. alle Konzernvorstandsbeschlüsse<br />
neben der Einschätzung<br />
zu finanziellen Auswirkungen<br />
auch jeweils Angaben zu sozialen und<br />
ökologischen Effekten.<br />
Integriertes Zielsystem aufgestellt<br />
Im Rahmen von DB2020 wurde ein Zielsystem<br />
entwickelt, das in seiner Breite<br />
und Reichweite bislang einmalig für<br />
den DB-Konzern ist. Entlang der drei<br />
Nachhaltigkeitsdimensionen wurden<br />
in den Stoßrichtungen (1) Kunde und<br />
Qualität, (2) profitables Wachstum, (3)<br />
Kulturwandel und Mitarbeiterzufriedenheit<br />
sowie (4) Ressourcenschonung,<br />
Emissions- und Lärmreduktion konkrete<br />
Ziele hinterlegt. Dazu gehören die Steigerung<br />
der Kundenzufriedenheit, die<br />
Erhöhung der Produktqualität (insbesondere<br />
der Pünktlichkeit), das Erreichen<br />
finanzieller Stabilität, die Verbesserung<br />
der Mitarbeiterzufriedenheit oder die<br />
Reduzierung des CO 2<br />
-Ausstoßes.<br />
Die Grundstruktur des Zielsystems ist<br />
konzernweit gültig. Es ist jedoch kein<br />
starres Korsett. Im Gegenteil: Das „Prinzip<br />
der inneren Differenzierung“ ermöglicht<br />
es den Geschäftsfeldern, ihren spezifischen<br />
Herausforderungen am Markt<br />
gerecht zu werden.<br />
Ein weiterer Baustein ist die Integration<br />
des Zielsystems in die Höhe der variablen<br />
Vergütung von 3.000 leitenden<br />
Angestellten und 1.700 außertariflichen<br />
Mitarbeitern. Ausgewählte Ziele aus jeder<br />
Stoßrichtung – z. B. Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit<br />
sowie CO 2<br />
-Emissionen<br />
– bilden <strong>2013</strong> einen substanziellen<br />
Anteil des variablen Gehalts.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
103
DEUTSCHE TELEKOM<br />
Nachhaltigkeit in der<br />
Lieferkette als wichtiger<br />
Baustein der Unternehmensverantwortung<br />
Die Deutsche Telekom unterhält Geschäftsbeziehungen in über 50 Ländern. Gerade im Bereich<br />
Lieferantenmanagement ergeben sich für Unternehmen an dieser Stelle Chancen aber auch<br />
Risiken. Um eine nachhaltige Ausrichtung ihrer Lieferkette zu gewährleisten, hat die Deutsche<br />
Telekom ein systematisches Lieferantenmanagement etabliert. Als Gründungsmitglied der Joint<br />
Audit Cooperation (JAC) setzt sich die Telekom dafür ein, Lieferantenbeziehungen nachhaltig<br />
zu gestalten. Basierend auf einer einheitlichen Methodik überprüft JAC gemeinsame Zulieferer<br />
weltweit, wobei der Schwerpunkt auf Asien, Südkorea, Osteuropa und Südamerika liegt.<br />
Von Antonio Luz-Veloso und Vera Heyes<br />
Im Jahr 2010 hat die Deutsche Telekom<br />
ihre Social Auditprozesse mit der Beauftragung<br />
externer Prüfer weiter professionalisiert.<br />
So konnte die Qualität<br />
der Bewertungen gesteigert und eine<br />
wesentlich größere Anzahl an Lieferanten<br />
geprüft werden. Mithilfe einer<br />
neu entwickelten Risikomatrix wurde<br />
zusätzlich der Auswahlprozess für besonders<br />
gefährdete Zulieferer standardisiert.<br />
Zu den wesentlichen Bestandteilen der<br />
Social Audits gehören:<br />
• die generelle Risikobewertung für<br />
Lieferanten,<br />
• die Bewertung der Lieferantenselbstauskunft,<br />
• der direkte Austausch zur Weiterentwicklung<br />
der Lieferanten, sowie<br />
• die kontinuierliche Überprüfung der<br />
Situation vor Ort.<br />
Um international die Umsetzung von<br />
Corporate Responsibility (CR) für alle Ebenen<br />
der Lieferkette voranzutreiben, gründete<br />
die Deutsche Telekom gemeinsam<br />
mit Orange und Telecom Italia die Joint<br />
Audit Cooperation (JAC). Hintergrund<br />
war der Wunsch, alle Lieferantenbeziehungen<br />
langfristig, vertrauensvoll und<br />
einheitlich zu gestalten. Der Verband<br />
steht dabei allen Unternehmen der Branche<br />
offen und führte bereits im Juni 2010<br />
erste Kampagnen durch. Mittlerweile<br />
hat sich das Konzept herumgesprochen:<br />
Durch die erfolgreiche Arbeit in den<br />
letzten Jahren ist die JAC mittlerweile auf<br />
neun Telekommunikationsunternehmen<br />
angewachsen und weitere Unternehmen<br />
haben ihr Interesse an einer Teilnahme<br />
an JAC angemeldet.<br />
104 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Good Practice<br />
CSR Management<br />
Kontrolle und Dialog<br />
Kernstück des von der Deutschen Telekom<br />
mitgestalteten Ansatzes ist dabei die enge<br />
Verbindung von Kontrolle und Dialog.<br />
„Bei der Einbindung unserer Lieferanten<br />
verfolgen wir einen kooperativen Ansatz“<br />
sagt Birgit Klesper, Senior Vice President<br />
Group Transformational Change<br />
und Corporate Responsibility bei der<br />
Deutschen Telekom. „Für die Telekom<br />
ist es wichtig herauszufinden, ob unsere<br />
Geschäftspartner neue Wege des nachhaltigen<br />
Wirtschaftens unterstützen.<br />
Nur wenn wir dies wissen, können wir<br />
die Lieferkette wirkungsvoll verbessern.“<br />
Um den Prozess transparent und ergebnisorientiert<br />
zu gestalten, werden<br />
neben den Produzenten auch externe<br />
NGOs, Wirtschaftsinitiativen und Forschungsanstalten<br />
eingebunden. Ziel ist<br />
die kontinuierliche Verbesserung der<br />
Lieferketten, hin zu mehr Verantwortung<br />
und Nachhaltigkeit.<br />
Das Auswahlverfahren für Zulieferer<br />
soll dabei generell vereinfacht werden.<br />
Dies gilt sowohl für die Telekommunikationsunternehmen<br />
selbst, die durch einheitliche<br />
Standards und Synergieeffekte<br />
bei den Kontrollen den Bewertungsprozess<br />
strukturierter aufstellen, als auch<br />
für die Lieferanten. Diese produzieren<br />
oftmals für unterschiedliche Abnehmer<br />
in Europa und Nordamerika und<br />
mussten bisher häufig unterschiedliche<br />
Auditprozesse durchlaufen. Kooperieren<br />
sie dagegen mit der Joint Audit Cooperation,<br />
reicht ein Assessment für neun<br />
der größten Telekommunikationsunternehmen<br />
der Welt. Der einheitliche<br />
Ansatz spart damit Zeit und ermöglicht<br />
zudem die Übertragung von Lösungsansätzen<br />
innerhalb der einzelnen Zulieferergruppen.<br />
Der Arbeitsansatz der<br />
Joint Audit Cooperation<br />
Die Grundlagen für die Arbeit der JAC<br />
werden durch einen zentralen Lenkungsausschuss<br />
definiert. Dieser trifft sich<br />
zweimal im Jahr und legt Richtlinien<br />
für das weitere Vorgehen fest. Schon<br />
bei den Gründungsgesprächen war es<br />
der Deutschen Telekom wichtig, dass<br />
alle beteiligten Unternehmen Vertreter<br />
der oberen Führungsebene der jeweiligen<br />
CSR- und Sourcing-Bereiche in das<br />
Gremium entsenden.<br />
In der momentanen Form besteht die<br />
Arbeit der Initiative im Wesentlichen<br />
in einem Vor-Ort-Audit-Programm einschließlich<br />
der Nachverfolgung geplanter<br />
Korrekturmaßnahmen. Alle Mitglieder<br />
sind, im Namen des Verbandes, individuell<br />
verantwortlich den kompletten<br />
Audit-Prozess bei Lieferanten zu leiten,<br />
wobei jedem JAC-Mitglied die gleiche<br />
Anzahl an Zulieferern zugewiesen wird.<br />
Die Prüfungen vor Ort erfolgen dabei anhand<br />
folgender abgestimmter Kriterien:<br />
• Die Audits werden von internationalen<br />
Audit-Unternehmen durchgeführt,<br />
die auf die besonderen sozialen und<br />
umweltpolitischen Aspekte in dem<br />
jeweiligen Land spezialisiert sind.<br />
• Mit den Lieferanten werden Geheimhaltungsvereinbarungen<br />
getroffen,<br />
sodass die Ergebnisse der Audits nur<br />
den JAC-Mitgliedern bekannt werden.<br />
Die Vorteile einer<br />
JAC-Mitgliedschaft<br />
Die Tätigkeit der JAC hilft sowohl<br />
Lieferanten als auch TK-Betreibern<br />
bei der Optimierung von Kosten und<br />
Prozessen.<br />
1. Lieferanten erhalten jeweils nur<br />
eine Anfrage bezüglich eines<br />
CSR-Audits, das dann gebündelt<br />
für alle TK-Betreiber stattfindet.<br />
2. Ebenso profitieren die Lieferanten<br />
von der Anwendung einer<br />
gemeinsamen Standardmethodik<br />
für den gesamten Audit-Prozess.<br />
3. Die Telekommunikationsbetreiber<br />
optimieren durch Austausch<br />
von Best Practices die CSR-<br />
Beurteilungen und den Nachverfolgungsprozess.<br />
• Die von den JAC-Mitgliedern erstellte<br />
Checkliste basiert auf den Standards<br />
SA 8000 und ISO 14001 sowie Vor-Ort-<br />
Audits.<br />
• Im Abschlussbericht werden nachweisbare<br />
Ergebnisse dargestellt.<br />
• Die Zusammenarbeit mit den Lieferanten<br />
beruht auf dem gemeinsamen<br />
Bewusstsein, dass das CSR-Risikomanagement<br />
ein entscheidender Faktor<br />
für eine nachhaltige Entwicklung ist.<br />
• Auf Grundlage der Audit-Ergebnisse<br />
werden mit den Lieferanten Korrekturmaßnahmen<br />
zur Beseitigung der im<br />
Audit-Report aufgeführten Schwächen<br />
festgelegt und nachverfolgt.<br />
Erfolgreiche Startphase<br />
Bislang wurden durch JAC bereits mehr<br />
als 90 Audits weltweit durchgeführt. Der<br />
bei den Überprüfungsläufen verwendete<br />
Fragebogen umfasste dabei mehr als<br />
4.000 mögliche Fragen und hatte Auswirkungen<br />
auf mehr als 400.000 Mitarbeiter<br />
in den geprüften Betrieben. Als wesentliche<br />
Feststellungen konnten die Felder<br />
Arbeitszeiten, Arbeitssicherheit und Gehälter<br />
ausgemacht werden. Stellen die<br />
Prüfer bei einem Zulieferer Missstände<br />
fest, greift das Korrekturverfahren. Die<br />
Deutsche Telekom und die JAC sind daran<br />
interessiert, Lieferanten nicht auszuschließen,<br />
sondern auf dem Weg zu einer<br />
nachhaltigen Wirtschaftsführung zu begleiten.<br />
Dafür werden gemeinsam Maßnahmen<br />
erarbeitet und die Fortschritte<br />
in regelmäßigen Abständen überprüft.<br />
Oftmals können einzelne Probleme schon<br />
nach wenigen Tagen behoben werden,<br />
für größere Eingriffe – wie etwa die<br />
Korrektur von Arbeitszeitmodellen –<br />
bekommen die Zulieferer auch mehr<br />
Zeit. „Gerade im Bereich Arbeitszeiten<br />
erwarten wir von den betroffenen Firmen<br />
die Einhaltung von internationalen<br />
Standards sowie insbesondere nationaler<br />
Gesetzgebung“, erläutert Antonio Luz<br />
Veloso, Senior Experte Sustainable Supply<br />
Chain Management Deutsche Telekom,<br />
wobei er klarstellt: „Wir wollen greifbare<br />
und langfristig wirksame Ergebnisse.<br />
Da kann der Umstellungsprozess auch<br />
schon mal mehrere Monate dauern. Für<br />
diesen Prozess definieren wir klare Zielvorgaben<br />
und Meilensteine, die wir auch<br />
regelmäßig überprüfen.“<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
105
EY<br />
Konfliktmineralien – Herausforderung<br />
für Unternehmen<br />
entlang der Lieferkette<br />
In den letzten Jahren sind Rohstoffe, die in Konfliktregionen abgebaut<br />
werden, verstärkt in den internationalen Fokus gerückt.<br />
Häufig dienen die Gewinne aus dem Abbau von Mineralien zur<br />
Finanzierung bewaffneter Milizen und befördern bürgerkriegsähnliche<br />
Konflikte. Eine aktuelle Regulierung der US-Börsenaufsicht<br />
SEC adressiert sogenannte Konfliktmineralien, die aus<br />
Minen der Demokratischen Republik Kongo und benachbarter<br />
Länder stammen. Der sogenannte „Dodd Frank Act“ fordert von<br />
US-börsennotierten Unternehmen Klärung, inwieweit spezifische<br />
Mineralien in ihren Produkten enthalten sind, ob diese aus<br />
der Region des Kongo stammen und inwiefern dadurch Milizen<br />
finanziert werden. Gegebenenfalls sind die Erkenntnisse jährlich<br />
an die SEC zu berichten und müssen von einer unabhängigen<br />
Stelle auditiert werden. Für die entsprechenden Auskünfte<br />
sind die Unternehmen auf Informationen der Geschäftspartner<br />
in ihren Lieferketten bis hin zu den Minen angewiesen.<br />
Von Philipp Killius, Dr. Mark Veser und Nicole Richter<br />
Die Bedeutung eines transparenten Rohstoffhandels<br />
hat sich mit der Verabschiedung<br />
des „Dodd Frank Act“ (Section 1502,<br />
Conflict Minerals Amendment) in den<br />
USA im Jahr 2010 und den entsprechenden<br />
Durchführungsverordnungen im<br />
August 2012 deutlich erhöht. Für an<br />
US-Börsen notierte Unternehmen, deren<br />
Zentralafrikanische<br />
Republik<br />
Republik<br />
Kongo<br />
Demokratische<br />
Republik Kongo<br />
(DRC)<br />
Angola<br />
Sambia<br />
Süd-<br />
Sudan<br />
Uganda<br />
Tansania<br />
Ruanda<br />
Burundi<br />
Konfliktmineralien<br />
Verwendung<br />
Kassiterit (Zinnerz) Metallbeschichtungen<br />
und Lötmittel für elektronische<br />
Leitungen<br />
und Schaltkreisläufe<br />
Tantal (Coltan) Elektronische Bauteile<br />
(z.B. in Mobiltelefonen,<br />
Computern, etc.), Flugzeugkomponenten<br />
und<br />
OP-Instrumente<br />
Wolframit Metalldrähte, Elektroden<br />
und Kontakte<br />
in der Beleuchtung,<br />
Elektro-, Heizungsund<br />
Schweißarbeiten<br />
Gold Schmuck, Elektronik,<br />
Kommunikationsgeräte,<br />
Luft- und<br />
Raumfahrt<br />
Technologie, z. B. Computer, Elektrogeräte<br />
und elektronische Komponenten<br />
Produktion, z. B. Werkzeuge, Sportausrüstung,<br />
Schmuck und Bekleidung<br />
(Goldgarn)<br />
Telekommunikation, z. B. Kabel und<br />
Mobiltelefone<br />
Verteidigung, Luft- und Raumfahrt,<br />
z. B. Motorbauteile und -komponenten<br />
Konsumgüterindustrie, z. B. Blechdosen<br />
für Lebensmittel<br />
Automobilindustrie, z. B. Motorbauteile<br />
und -komponenten<br />
Diversifizierte industrielle Produkte,<br />
bei denen Metalle in der Herstellung<br />
verwendet werden<br />
Energieversorgung, z. B. Turbinen in<br />
Kraftwerken<br />
Konfliktmineralien im Fokus des Dodd Frank Act – Abbaugebiete und Verwendungszwecke<br />
– Betroffene Industrien und Produkte<br />
106 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Good Practice<br />
CSR Management<br />
Produkte Konfliktmineralien wie Kassiterit<br />
(Zinnerz), Tantal (Coltan), Wolframit<br />
und Gold sowie entsprechende Derivate<br />
aus der Demokratischen Republik Kongo<br />
(DRC) und den neun angrenzenden<br />
Staaten enthalten, wurden umfangreiche<br />
Berichterstattungspflichten festgelegt.<br />
Nach Angaben der US-Börsenaufsicht SEC<br />
(Securities and Exchange Commission)<br />
sind diese afrikanischen Länder („Covered<br />
Countries“) beispielsweise für 15 % bis<br />
20 % des weltweiten Angebots an Tantal<br />
verantwortlich und bedienen ebenfalls in<br />
geringerem Umfang die Nachfrage nach<br />
den drei anderen Konfliktmineralien.<br />
Lieferantenanalysen und<br />
-befragungen<br />
Vertragsbedingungen in<br />
Bezug auf die Nutzung von<br />
Konfliktmineralien bzw. ihre<br />
Berichterstattung<br />
Prüfungshandlungen im<br />
Hinblick auf die von den<br />
Lieferanten erhaltenen<br />
Informationen<br />
Lieferant<br />
US-börsennotiertes<br />
Unternehmen<br />
Lieferant<br />
Lieferant<br />
Lieferant<br />
Weitere Lieferkette<br />
Lieferant<br />
Berichterstattungsprozess für Konfliktmineralien entlang der Lieferkette<br />
Berichterstattung über<br />
die Nutzung von Konfliktmineralien<br />
Prüfungshandlungen im<br />
Hinblick auf die Verlässlichkeit<br />
der Berichterstattung<br />
Umfangreiche Berichterstattungspflichten<br />
Betroffene Unternehmen müssen erstmals<br />
für das Kalenderjahr <strong>2013</strong> die Verwendung<br />
und Herkunft dieser Mineralien<br />
an die US-Börsenaufsicht SEC darlegen.<br />
Es muss u. a. berichtet werden, ob sie<br />
notwendig für die Funktionsweise oder<br />
Herstellung eines Produktes sind. Dabei<br />
ist es nicht maßgeblich, ob das Unternehmen<br />
das Produkt selbst herstellt oder<br />
nach seinen Spezifikationen herstellen<br />
lässt. Die Durchführungsverordnung des<br />
Dodd-Frank-Gesetzes sieht einen dreistufigen<br />
Prozess vor:<br />
Im Rahmen eines „Applicability assessments“<br />
(Stufe 1) müssen die an den US-<br />
Börsen notierten Unternehmen zunächst<br />
analysieren, ob sie in ihren Produkten und<br />
Produktionsprozessen Kassiterit (Zinnerz),<br />
Tantal (Coltan), Wolframit oder Gold<br />
verwenden. Sie müssen für jedes Produkt<br />
bestimmen, ob die Mineralien notwendig<br />
sind.<br />
Sofern die Unternehmen Konfliktmineralien<br />
verwenden, sind sie dazu verpflichtet,<br />
den Ursprung dieser Ressourcen zu klären.<br />
Prinzipiell sind bei der sogenannten „Reasonable<br />
country of origin inquiry (RCOI)“<br />
(Stufe 2) folgende Szenarien möglich:<br />
1. Stammen die verwendeten Mineralien<br />
nicht aus der Region des Kongo respektive<br />
wurden durch Recycling oder aus<br />
Abfallprodukten gewonnen, gelten<br />
die Produkte als „DRC conflict free“.<br />
In diesem Fall ist einzig ein Formular<br />
(„Form SD“) bei der SEC einzureichen.<br />
2. Kann man nicht eindeutig die Herkunft<br />
der Rohstoffe identifizieren,<br />
müssen die betroffenen Produkte als<br />
unbestimmbar ausgewiesen werden<br />
(„DRC conflict undeterminable“) und<br />
es sind weitere Anstrengungen zu<br />
unternehmen, um die Herkunft der<br />
Mineralien so genau wie möglich zu<br />
bestimmen. Die Unternehmen haben<br />
je nach Größe eine zwei- bis vierjährige<br />
Übergangsperiode, den genauen<br />
Ursprung zu ermitteln.<br />
3. Wird festgestellt, dass die Rohstoffe<br />
aus der Region des Kongo stammen,<br />
müssen der exakte Herkunftsort der<br />
Mineralien sowie die finanziellen Nutznießer<br />
der entsprechenden Mine(n)<br />
geklärt werden.<br />
Sofern ein Unternehmen nach Durchführung<br />
eines RCOI feststellt, dass es Konfliktmineralien<br />
aus „Covered Countries“<br />
bezieht oder dies zumindest nicht ausschließen<br />
kann, müssen weitere Maßnahmen<br />
ergriffen werden: „Due diligence and<br />
conflict minerals report“ (Stufe 3). In Ergänzung<br />
zum Form SD muss ein detaillierter<br />
Herkunftsbericht erstellt werden, wobei<br />
alle Informationen im Rahmen einer Due<br />
Diligence zu erheben und offenzulegen<br />
sind. Dieser „Conflict Minerals Report“<br />
muss veröffentlicht und spätestens nach<br />
Ablauf der Übergangsperiode durch eine<br />
unabhängige Instanz, wie beispielsweise<br />
einem Wirtschaftsprüfer, auditiert werden.<br />
Hohe Compliance-Kosten und<br />
Komplexität<br />
Schätzungen der US-Börsenaufsicht zufolge<br />
sind rund 6.000 an amerikanischen<br />
Börsen notierte Unternehmen direkt von<br />
der neuen Regelung betroffen, etwa 4.500<br />
müssen voraussichtlich einen Herkunftsbericht<br />
veröffentlichen. Die SEC erwartet,<br />
dass auf die betroffenen Unternehmen<br />
und ihre Lieferanten erstmalige Kosten<br />
zwischen 3 und 4 Milliarden US-Dollar<br />
zukommen; die jährlichen Folgekosten<br />
werden zwischen 200 und 600 Millionen<br />
US-Dollar geschätzt. Öffentliche Kommentierungen<br />
schätzen die anfallenden Kosten<br />
im Rahmen der erstmaligen Offenlegung<br />
sogar auf bis zu 16 Milliarden US-Dollar.<br />
Aufgrund der komplex verzweigten Lieferketten<br />
erfordern die Umsetzung der<br />
Rechenschaftspflicht sowie eine eindeutige<br />
Nachverfolgbarkeit bis hin zu den<br />
Minen ein signifikantes Engagement<br />
aller Beteiligten entlang der Lieferkette.<br />
Um einen lückenlosen Herkunftsbericht<br />
über die bezogenen Konfliktmineralien<br />
liefern zu können, befragen die Unternehmen<br />
ihre internationalen Zulieferer<br />
und somit auch Betriebe aus <strong>Deutschland</strong>.<br />
Diese sind dann in der Pflicht, ihre<br />
Rohstoffquellen zu ermitteln und gesicherte<br />
Informationen an ihre Kunden<br />
weiterzuleiten.<br />
Auch mithilfe eines gut organisierten Lieferkettenmanagements<br />
ist dieser Prozess<br />
für viele produzierende Unternehmen,<br />
die über umfangreiche Sortimente verfügen,<br />
verschiedene Standorte betreiben<br />
oder Beziehungen mit einer großen Anzahl<br />
an Lieferanten unterhalten, eine<br />
große Herausforderung hinsichtlich Zeit,<br />
Aufwand und Kosten.<br />
Da in Zukunft mit vergleichbaren EU-<br />
Direktiven zu rechnen ist, ist es für betroffene<br />
Unternehmen sinnvoll, sich<br />
frühzeitig mit diesen neuen Anforderungen<br />
auseinanderzusetzen und die<br />
Erhebung der benötigten Informationen<br />
auf effektive wie auch effiziente Art und<br />
Weise aufzusetzen.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
107
FOREST CARBON GROUP<br />
Kerngeschäft statt CSR<br />
In Zukunft müssen wir die Umwelt und ihre Leistungen in Produkte und unternehmerische<br />
Prozesse einpreisen, um sie weiterhin erhalten und nutzen zu können.<br />
Von Michael Sahm<br />
Der Umbau unserer Gesellschaft zu einem<br />
tragfähigen Wirtschaften ist ein<br />
Generationenprojekt. Auch wenn wir<br />
uns sehr bemühen, ressourcenschonender<br />
und effizienter zu leben, wir werden<br />
nicht übermorgen ohne Treibhausgasemissionen<br />
auskommen. Daher müssen<br />
wir in der Zwischenzeit alle vernünftigen<br />
Handlungsmöglichkeiten nutzen.<br />
Dazu gehört vor allem, unsere Umwelt<br />
lebensfähig zu erhalten, angesichts eines<br />
Ressourcenverbrauchs von derzeit etwa<br />
anderthalb Erden. Wenn Unternehmen<br />
also im Sinne des Vorsorge- und Verursacherprinzips<br />
durch ihr Engagement im<br />
Kohlenstoffmarkt mit verhindern, dass<br />
Landschaften unwiederbringlich zerstört<br />
werden, agieren sie verantwortungsbewusst<br />
und betreiben keinen „Ablasshandel“,<br />
wie Kompensationsvorhaben gerne<br />
zynisch bezeichnet werden.<br />
Sind aktuell gangbare Wege, Emissionen<br />
zu senken, ausgeschöpft, dann ist<br />
die CO 2<br />
-Kompensation geboten. Klimaschädliche<br />
Emissionen an anderer Stelle<br />
auszugleichen, ist ein heute wirksamer,<br />
kostengünstiger und Veränderung beschleunigender<br />
Schritt in Richtung nachhaltige<br />
Entwicklung in einer globalen<br />
Welt. In der wir, soll der Klimawandel<br />
gebremst werden, nicht den Luxus haben,<br />
nur das eine zu tun – Technik und<br />
Abläufe zu verbessern – und das andere<br />
zu lassen – Schäden auszugleichen.<br />
Der Kompensationsgedanke ist nicht<br />
neu, sondern auch in <strong>Deutschland</strong> in der<br />
Flächennutzung festgeschrieben. In der<br />
Bundeskompensationsverordnung heißt<br />
es: „Die Verpflichtung zur Vermeidung<br />
und Kompensation von Beeinträchtigungen<br />
bei Eingriffen in Natur und<br />
Landschaft stellt als eine Ausprägung<br />
des Vorsorgeprinzips im weiteren Sinne<br />
und des Verursacherprinzips zugleich<br />
einen wesentlichen Beitrag zur Umsetzung<br />
des Verfassungsgebots zum Schutz<br />
der natürlichen Lebensgrundlagen aus<br />
Artikel 20 a des Grundgesetzes dar.“ CO 2<br />
-<br />
Kompensation wendet dieses Prinzip an<br />
mit Blick auf ein globales öffentliches<br />
Gut, die Atmosphäre. Noch freiwillig,<br />
aber das schmälert nicht das Engagement.<br />
CO 2<br />
-Ausgleich kann auf vielen Wegen<br />
geschehen. Indem in Windfarmen, Solaroder<br />
Wasserkraft investiert wird. Oder<br />
indem Land- und Forstwirtschaft auf<br />
nachhaltiges Bewirtschaften umgestellt,<br />
somit die natürliche CO 2<br />
-Speicherfähigkeit<br />
von Biomasse und Böden erhöht<br />
werden. Beides ist wichtig und richtig.<br />
Doch im Letzteren liegt ein weitaus größerer<br />
Hebel.<br />
Erstens: Gut gemachte Forst- und Agroforstprojekte<br />
bieten neben der CO 2<br />
-Bindung<br />
einen deutlich größeren sozialen<br />
und ökologischen Nutzen in den Projektregionen.<br />
Sie kommen gerade jenen<br />
ländlichen und armen Bevölkerungen<br />
in Entwicklungsländern zugute, die<br />
keine Lobby und Marktzugänge haben.<br />
Zweitens verursachen Abholzung und<br />
Brandrodung 17 Prozent der globalen<br />
Emissionen – mehr als der gesamte<br />
weltweite Verkehr. Ohne Waldschutz<br />
kein Klimaschutz. Und drittens sind<br />
Wälder als Rohstoffquelle unverzichtbar<br />
und ein milliardenschwerer Wirtschaftsfaktor.<br />
CO 2<br />
-Ausgleich über nachhaltiges<br />
Waldmanagement ist daher ein Baustein,<br />
ökologische Vermögenswerte und<br />
„Dienstleistungen“ der Natur gewissermaßen<br />
einzupreisen, etwa Regen bilden<br />
und Stoffkreisläufe regulieren.<br />
Waldschutz und Aufforstung spielen daher<br />
inzwischen nicht nur in der Klimapolitik<br />
eine zentrale Rolle – <strong>Deutschland</strong><br />
ist einer der größten Geldgeber für biund<br />
multilaterale Waldprogramme. Bereits<br />
heute sind namhafte Unternehmen<br />
wie die Allianz, Danone, Walt Disney,<br />
PPR oder der deutsche Energieversorger<br />
HSE substantiell im Wald- und Klimabereich<br />
engagiert. Das Thema wird auch<br />
vom Senat der Wirtschaft, der deutschen<br />
Sektion des <strong>Global</strong> Economic Network,<br />
mit seiner „Welt Wald Klima Initiative“<br />
unterstützt.<br />
Unternehmen folgen hierbei zunehmend<br />
einer veränderten Logik: weg vom Bereich<br />
„Corporate Social Responsibility“<br />
(CSR), rein ins Kerngeschäft. Es geht<br />
darum, Produkte und Prozesse umzubauen<br />
und zukunftsfähiger zu gestalten.<br />
Firmen verstehen zunehmend, dass es<br />
beim Thema Umwelt- und Klimaschutz<br />
nicht um Wohltätigkeit geht, sondern<br />
darum, ökologische Vermögenswerte<br />
langfristig in die Bilanzen einzubeziehen.<br />
Denn CSR funktioniert im Grunde<br />
wie eine Spende. Das Engagement passt<br />
zwar thematisch ins Geschäftsfeld der<br />
Unternehmen. Der Mitteleinsatz ist jedoch<br />
beliebig und abhängig vom Weitblick<br />
der Nachhaltigkeitsabteilungen.<br />
Bei der Kompensation hingegen geht<br />
es, neben Überzeugung, um handfeste<br />
betriebswirtschaftliche Argumente: um<br />
Lieferketten, Kundengewinnung und<br />
108 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Good Practice<br />
CSR Management<br />
-bindung sowie die eigene strategische<br />
Positionierung. Hier entscheiden Geschäftsführung,<br />
Vertrieb und Marketing.<br />
Die Vorreiter setzen dabei auf Differenzierung,<br />
auch und gerade im Hinblick<br />
darauf, wie konsequent das Thema<br />
umgesetzt wird. So bietet in der<br />
Logistikbranche der Paketdienstleister<br />
DPD mit seinem „Total Zero“-Programm<br />
den Versand automatisch als Standard<br />
an, während die Deutsche Post DHL ihr<br />
„Go Green“-Projekt nur als Option bereithält;<br />
in der Energiewirtschaft bietet der<br />
Versorger Entega seine Ökogas-Produkte<br />
als „default“, die meisten anderen weiterhin<br />
nur auf Kundenwunsch. Und das,<br />
obwohl die Mehrkosten für hochwertigen<br />
CO 2<br />
-Ausgleich bei vielen Produkten<br />
deutlich unter einem Prozent liegen und<br />
entweder durch höhere Preise, Marktanteile<br />
oder Kundenbindung wieder<br />
kompensiert werden.<br />
International agierende Konzerne integrieren<br />
Klimaschutz darüber hinaus<br />
zunehmend in ihr Risikomanagament,<br />
richten ihre Lieferketten und Einkaufspolitik<br />
entsprechend aus und setzen auf<br />
globale Imagepflege. Dies funktioniert<br />
in einer wachen Öffentlichkeit und<br />
Mediengesellschaft langfristig nur über<br />
Glaubwürdigkeit und Qualität. Und<br />
die hat ihren Preis. So gibt es nicht<br />
nur Gammelfleisch im Lebensmittel-<br />
Discounter, sondern auch Ramsch unter<br />
den Klimaschutzprojekten. Für wenige<br />
Cent kann man CO 2<br />
-Zertifikate erwerben,<br />
deren ökologisch-sozialer Mehrwert<br />
und CO 2<br />
-Ersparnis mehr als zweifelhaft<br />
sind. Auf der anderen Seite gibt es solide<br />
gemachte und gemanagte Projekte,<br />
die auf Klima- und Artenschutz sowie<br />
verbesserte Lebensbedingungen der<br />
Menschen vor Ort einzahlen. Ausweis<br />
hierfür sind weltweit etablierte Gütesiegel<br />
wie der Volunatry Carbon Standard,<br />
Climate, Community and Biodiversity<br />
Alliance Standard oder Gold Standard.<br />
Deren Integrität wird dadurch gewährleistet,<br />
dass Wissenschaft, Wirtschaft<br />
und Zivilgesellschaft die gemeinsam<br />
erarbeiteten Qualitätskriterien ständig<br />
überprüfen und weiterentwickeln.<br />
CO 2<br />
-Kompensation durch Vorhaben, die<br />
den natürlichen CO 2<br />
-Speicher von Ökosystemen<br />
erhöhen, haben einen großen<br />
Vorteil: Naturverbrauch und -schäden<br />
durch Unternehmen werden zumindest<br />
teilweise internalisiert. Das unterscheidet<br />
sie von Kompensationsprojekten, die<br />
technologische Modernisierung fördern.<br />
Überdies ist Kohlendioxid eine global<br />
sowohl gut messbare als auch verrechenbare<br />
Einheit und Ware. Und weil sich<br />
Biodiversität, Wasser, Arten und Stoffkreisläufe<br />
ungleich schwerer verrechnen<br />
lassen, dient CO 2<br />
als Währung, über die<br />
lebenswichtige Funktionen von Naturräumen<br />
mit finanziert werden können.<br />
Sicher ist dies kein Königsweg zu wahren<br />
Preisen. Wohl aber ein nützlicher<br />
Beschleuniger, um den ökologischen<br />
Fußabdruck von Unternehmen nicht<br />
nur zu bestimmen, sondern auch zu<br />
minimieren.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
109
HOCHTIEF<br />
Soziales Engagement mit<br />
Baukompetenz<br />
Konzernweites Engagement<br />
Inzwischen engagiert sich HOCHTIEF konzernweit<br />
für B2P. Neben Flatiron arbeiten<br />
die anderen amerikanischen Tochtergesellschaften<br />
sowie seit 2012 auch HOCHTIEF<br />
aus Europa heraus mit B2P zusammen.<br />
Während die US-Töchter ihren Einsatz<br />
auf Projekte in Lateinamerika fokussieren,<br />
ist HOCHTIEF in Afrika engagiert.<br />
Zehn Brücken in Lateinamerika und zwei<br />
in Ruanda sind die bisherige Bilanz der<br />
Kooperation – und für die kommenden<br />
Jahre sind bereits weitere Projekte geplant.<br />
Brückenbau ist für HOCHTIEF ein Thema mit vielen Facetten.<br />
Er ist ebenso Kerngeschäft wie Teil der Unternehmensvision –<br />
und er spielt eine wichtige Rolle im sozialen Engagement des<br />
internationalen Baukonzerns. Gemeinsam mit der Organisation<br />
Bridges to Prosperity und den eigenen Mitarbeitern realisiert<br />
HOCHTIEF Fußgängerbrücken in Entwicklungsländern.<br />
Mit greifbarem Erfolg.<br />
Von Ann-Kristin Brönnecke<br />
Brückenbau ist eine Kernkompetenz von<br />
HOCHTIEF. In über 140 Jahren Unternehmensgeschichte<br />
hat der Baukonzern eine<br />
Vielzahl von Brücken in der ganzen Welt<br />
realisiert. Sie verbinden Menschen, überwinden<br />
Wasser und Schluchten, einige<br />
sogar über Landesgrenzen oder Kontinente<br />
hinweg. Manche von ihnen, zum Beispiel<br />
die Öresundbrücke oder die Brücke<br />
über den Bosporus, sind weltberühmt.<br />
Darüber hinaus heißt es in der Unternehmensvision:<br />
„Wir schlagen Brücken<br />
und gehen neue Wege“. Seit 2009 setzt<br />
HOCHTIEF diesen Teil der Vision auch<br />
im Bereich Corporate Responsibility ganz<br />
praktisch um: Damals unterzeichneten<br />
die US-amerikanische HOCHTIEF-Tochter<br />
Flatiron und die Nicht-Regierungs-Organisation<br />
Bridges to Prosperity (B2P) einen<br />
langfristigen Kooperationsvertrag mit<br />
dem Ziel, gemeinsam Fußgängerbrücken<br />
in strukturschwachen Regionen<br />
Mittel- und Südamerikas zu bauen. Diese<br />
Brücken sind ein wichtiger Teil der<br />
öffentlichen Infrastruktur – bieten sie<br />
den Menschen vor Ort doch Zugang zu<br />
Bildungseinrichtungen, medizinischer<br />
Versorgung und Märkten. So schaffen sie<br />
nachhaltig bessere Lebensbedingungen<br />
und eröffnen Chancen.<br />
Initiator Flatiron ist nach wie vor am<br />
stärksten involviert: Im Rahmen einer<br />
strategischen Partnerschaft mit B2P entwickelten<br />
die Bauexperten den Prototyp<br />
einer Hängebrücke, die in ähnlicher<br />
Form und mit geringen Mitteln überall<br />
auf der Welt errichtet werden kann.<br />
Teamarbeit im Mittelpunkt<br />
Das Engagement von HOCHTIEF für B2P<br />
besteht nicht allein in der Finanzierung<br />
der Brückenprojekte und der Bereitstellung<br />
von Know-how. Ein entscheidender<br />
Pluspunkt dieses Sponsorings ist es,<br />
dass die Unternehmensmitarbeiter ganz<br />
direkt einbezogen werden. Bei jedem<br />
Projekt entsendet HOCHTIEF ein zehnköpfiges<br />
Team, um vor Ort gemeinsam<br />
mit den Dorfbewohnern und Vertretern<br />
von B2P die Brücke zu bauen. Dort muss<br />
jeder kräftig anpacken: Steine, Zement,<br />
Holz und Sand werden oftmals mit reiner<br />
Muskelkraft zur Baustelle geschafft, wo<br />
sie dann in kurzer Zeit und mit einfachen<br />
Mitteln verarbeitet werden. Die Freiwilligengruppe<br />
besteht dabei keineswegs nur<br />
aus praxis- und baustellenerfahrenen<br />
Mitarbeitern: vom Ingenieur bis zur<br />
Finanzspezialistin kann sich jeder um<br />
einen Platz im Team bewerben. Lediglich<br />
Schlüsselpositionen, etwa die Bauleitung,<br />
das Logistik- oder Sicherheitsmanagement,<br />
werden mit Fachleuten besetzt.<br />
Am Ende arbeiten so Mitarbeiter aus ganz<br />
110 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Good Practice<br />
Entwicklung & Partnerschaft<br />
unterschiedlichen Unternehmenseinheiten<br />
und Berufsgruppen Hand in Hand.<br />
Die interne Identifikation mit dem Einsatz<br />
für B2P ist hoch. Auf jedes Projekt<br />
bewarben sich bislang rund zehnmal<br />
mehr Freiwillige als benötigt – trotz der<br />
Aussicht auf Camping unter einfachsten<br />
Bedingungen und körperlich anstrengende<br />
Arbeit. Wer am Programm teilnehmen<br />
durfte, berichtet Positives: Teamgeist,<br />
sich für etwas Gutes einzusetzen und<br />
das Kennenlernen fremder Kulturen<br />
entschädigen für so manche körperliche<br />
Strapaze. Insbesondere Mitarbeiter,<br />
die in ihrem Beruf hauptsächlich am<br />
Schreibtisch arbeiten, sind begeistert,<br />
mit der Brücke wirklich etwas Bleibendes<br />
und Greifbares zu schaffen. Zu beobachten,<br />
wie die Brücke jeden Tag ein Stück<br />
wächst, ist nicht nur Motivation für die<br />
freiwilligen Helfer vor Ort: Auch für<br />
HOCHTIEF als Sponsor ist es ein großer<br />
Vorteil, direkt zu sehen, wo und wie die<br />
finanziellen Mittel eingesetzt werden –<br />
und dass sie ohne Umwege dorthin gelangen,<br />
wo sie benötigt werden.<br />
Nutzen für alle Beteiligten<br />
Die Zusammenarbeit von HOCHTIEF mit<br />
Bridges to Prosperity bringt positive Effekte<br />
für alle Seiten: Die lokalen Gemeinden<br />
profitieren ganz unmittelbar von einer<br />
verbesserten Infrastruktur und gehen<br />
Dank der Brücken gestärkt in die Zukunft.<br />
B2P kann auf das Experten-Know-how des<br />
Baukonzerns zurückgreifen und Dank<br />
des Sponsorings seine Mission umsetzen.<br />
HOCHTIEF schließlich hat in der Kooperation<br />
ein ideale Möglichkeit gefunden,<br />
seine gesellschaftliche Verantwortung<br />
umzusetzen: Das Unternehmen kann<br />
seine Kernkompetenzen einbringen, der<br />
interne Netzwerk- und Motivationseffekt<br />
bei den Mitarbeitern ist enorm und jede<br />
realisierte Brücke bietet klar messbarer<br />
Ergebnisse. HOCHTIEF und B2P – unter<br />
dem Strich eine echte Erfolgsstory des<br />
sozialen Engagements.<br />
Handfeste Entwicklungshilfe<br />
Bridges to Prosperity wurde 2001 mit dem Ziel gegründet, Menschen in abgelegenen<br />
und strukturschwachen Regionen durch den Bau von Fußgängerbrücken<br />
einen sicheren Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung und Märkten zu<br />
ermöglichen. Denn während funktionierende Infrastruktur für Industriestaaten<br />
eine Selbstverständlichkeit ist, ist die Flussüberquerung zur Nachbargemeinde<br />
in Entwicklungsländern häufig ein gefährliches Unterfangen oder mit kilometerlangen<br />
Umwegen verbunden.<br />
Wie groß der Effekt einer Brücke für die Menschen vor Ort ist, belegt Bridges to<br />
Prosperity beispielhaft anhand eines Projekts in Nepal, bei dem verschiedene<br />
Daten vor und nach dem Bau der Brücke verglichen wurden: Die Zahl der im<br />
Unterricht anwesenden Schüler stieg um zwölf Prozent, medizinische Einrichtungen<br />
verzeichneten ein Viertel mehr Patientenbesuche und das Pro-Kopf-<br />
Einkommen nahm um 20 Prozent zu.<br />
In den zwölf Jahren seit der Gründung hat B2P mehr als 100 Brücken in Afrika,<br />
Mittel- und Südamerika sowie Südostasien realisiert, davon zwölf gemeinsam<br />
mit Gesellschaften des HOCHTIEF-Konzerns.<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
111
Agenda<br />
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
Impressionen Leaders Summit <strong>2013</strong><br />
112 globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Inside<br />
Inside<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
113
Agenda<br />
Leaders Summit sieht CEOs als<br />
Architekten für eine bessere Welt<br />
Mit der Präsentation einer „neuen Architektur für Unternehmens-Engagement“ ist der <strong>Global</strong><br />
<strong>Compact</strong> Leaders Summit <strong>2013</strong> zu Ende gegangen. Das Konferenz-Papier versteht sich als<br />
Anleitung, wie Unternehmen sich mit ihren CSR-Aktivitäten in den globalen Nachfolgeprozess<br />
der Millenniumsziele einreihen können. Dieses „neue Führungs-Paradima stellt Zusammenarbeit<br />
und Ko-Finanzierung in den Mittelpunkt“, heißt es darin.<br />
Von Dr. Elmer Lenzen<br />
„Building the Post-2015 Business Engagement Architecture“<br />
erinnert in Aufmachung und Argumentationsweise an den<br />
„Blueprint“, den man beim letzten Leaders Summit vorstellte.<br />
Trotz zahlreicher Grafiken und Flusscharts bleibt der hier<br />
gezeichnete Architektur-Entwurf aber abstrakt, und die konkrete<br />
Umsetzung ins Alltägliche respektive Nachhaltigkeits-<br />
Management-Strukturen bei kleinen wie großen Unternehmen<br />
werden Aufgabe und Herausforderung der nächsten Zeit für<br />
das <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>-Team sein.<br />
Konferenzteilnehmer begrüßten den vorgestellten Ansatz. So<br />
sagte etwa Elias Masilela, CEO der südafrikanischen Public Investment<br />
Corporation, dass „zum derzeit kritischen Augenblick<br />
der Weg des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> willkommen geheißen werden<br />
sollte.“ Der stellvertretende UN-Generalsekretär Jan Eliasson<br />
betonte bei seinem Schlusswort: „Jetzt haben wir einen Plan:<br />
Dieser kann uns als Anleitung für Korrekturen nach oben und<br />
für Umgestaltungen dienen.“<br />
Der alle drei Jahre stattfindende Gipfel spielte sich <strong>2013</strong> in<br />
einem komplizierten Umfeld ab: So war die Konferenz wenige<br />
Tage vor der UN Vollversammlung angesetzt, die sich allerdings<br />
vor allem mit geopolitischen Themen wie dem Syrien-Konflikt<br />
beschäftigte. Direkt im Anschluss an dieser wiederum folgten<br />
die Verhandlungen für den Post-2015 Prozess, welcher die Zeit<br />
nach den Millenniumszielen diskutieren will. Gerade zum<br />
Post-2015-Dialog wollte der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>-Gipfel Impulse<br />
und Positionsbestimmungen liefern.<br />
Wenig Unterstützung finden engagierte Unternehmensvertreter<br />
derzeit von Politikern, sagt die Studie weiter. Das bestätigt<br />
auch Paul Hohnen, früherer Greenpeace-Chef und versierter<br />
internationaler CSR-Experte, in einem Guardian-Gastbeitrag:<br />
„Unglücklicherweise adressieren Wahlen heutzutage kaum das<br />
Nachhaltigkeitsthema. So ist der Spielraum auf den nationalen<br />
und oftmals nur regionalen Bereich begrenzt.“<br />
Für <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>-Direktor Georg Kell sind Unternehmen<br />
daher unverzichtbare Partner. Gegenüber Reuters sagte er:<br />
„Angesichts einer signifikanten Armutsreduktion, Fortschritten<br />
bei wesentlichen Gesundheitsindikatoren und größerer<br />
wirtschaftlicher Möglichkeiten hat sich die Privatwirtschaft<br />
weltweit zur bedeutendsten transformativen Kraft seit der<br />
Industriellen Revolution entwickelt.“ Doch nicht alles, was<br />
versprochen wird, wird auch umgesetzt. Das weiß auch Kell<br />
und fordert daher, dass der „Graben zwischen ‚Sagen‘ und<br />
‚Handeln‘ geschlossen werden muss, indem die Vorstände intelligente<br />
und umfassende Ansätze wählen, um Nachhaltigkeit<br />
auf allen Unternehmens-Ebenen einzubinden.“<br />
Auch aus den Reihen der Wirtschaft erhält das CSR-Thema<br />
aktuell nur begrenzte Unterstützung. So sagen zwar weit über<br />
90 Prozent der CEOs weltweit, dass sie Umwelt-, Sozial- und<br />
Governance-Kriterien ganz allgemein für wichtig erachten.<br />
Allerdings ist die Zahl derjenigen, die Nachhaltigkeit ganz konkret<br />
im Tagesgeschäft für sehr wichtig halten, von 54 Prozent<br />
vor drei Jahren auf jetzt 45 Prozent gesunken. In Europa sind<br />
es sogar nur noch 34 Prozent. Das ergab eine aktuelle Studie<br />
von Accenture und dem <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>. (Mehr dazu auf S. 118)<br />
114<br />
Georg Kell, UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
Executive Director, Leaders Summit <strong>2013</strong><br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Inside<br />
Neue Initiativen des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
Der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Leaders Summit <strong>2013</strong> hat vier neue Initiativen und Arbeitsschwerpunkte<br />
ergänzend zu den bereits bestehenden vorgestellt:<br />
Nachhaltige Landwirtschaft<br />
Experten erwarten, dass die Weltbevölkerung bis zum Jahr<br />
2050 um 30 Prozent auf dann neun Milliarden Menschen<br />
anwachsen wird. Die Versorgung der Menschen mit Nahrung<br />
wird ein dringenderes Problem denn je. Zugleich wirken sich<br />
Kräfte wie etwa der Klimawandel und damit verbundene<br />
Dürre und Flut sowie industrielle Umweltschäden negativ<br />
auf die Nahrungsmittelproduktion aus. Die „Sustainable<br />
Agriculture Business Principles“ (SABPs) wollen hier u. a.<br />
ein gemeinsames Verständnis der Ressource Landwirtschaft<br />
generieren helfen und Wirtschaftsaktivitäten fördern<br />
und initiieren, die im Sinne des Rio+20 Abschlussdokuments<br />
„The future we want“ agieren. Vor allem setzt man beim<br />
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> darauf, Lösungen zu finden, die verstärkt<br />
kleine landwirtschaftliche Betriebe einschließen und Zertifizierungsstandards<br />
verbessern.<br />
Bildung<br />
Das smarteste Investment ist ... Bildung. Das „Framework<br />
for Business Engagement in Education“ will Lernund<br />
Ausbildungsmöglichkeiten für Kinder, Jugendliche<br />
und Erwachsene verbessern und Unternehmen aufzeigen,<br />
wie dieser Bereich ein durchaus erträgliches Geschäftsfeld<br />
ist, wenn man es denn verantwortungsvoll<br />
angeht. Das ist auch im Interesse der Wirtschaft: Laut<br />
einer PwC-Studie beklagen sich 66 Prozent der Vorstände,<br />
das es ihren Firmen an geeignete Talenten fehle.<br />
Das will die Initiative verbessern. UN Generalsekretär<br />
Ban Ki-moon mahnt daher an: „Sie alle wissen um die<br />
Dividende der Bildung für alle.“ Mehr zum Thema unter:<br />
www.unglobalcompact.org/resources/391<br />
Unternehmen für Frieden<br />
Seit mehr als zehn Jahren setzt sich der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
mit der Rolle von Unternehmen in Konfliktregionen<br />
auseinander. Jetzt will er seine Erfahrungen durch eine<br />
internationale Initiative öffentlich machen.<br />
Die „Business for Peace“ (B4P)-Plattform will Unternehmen<br />
dabei Wege aufzeigen, wie sie sich in Konflikt- und<br />
Hochrisikoregionen verhalten sollten. Neben diesem Einzelverhalten<br />
stehen vor allem gemeinsame, sogenannte<br />
kollaborative Ansätze im Blickpunkt.<br />
Erste Einblicke in Argumente und Ansätze liefert die<br />
Broschüre „Business for Peace“ sowie die Webseite<br />
www.unglobalcompact.org/issues/conflict_prevention/<br />
The Africa Sustainability Barometer<br />
Gemeinsam mit der Financial Times entwickelt stellt das Africa Sustainability Barometer des UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> nach<br />
eigenen Angaben die erste kontinentale Vergleichsstudie zum Thema Nachhaltigkeit in Afrika dar. Mehr als 1.000 sowohl<br />
transnationale als auch regionale Unternehmen wurden zu CSR-Aspekten befragt. Georg Kell, UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Executive<br />
Director, sagte dazu: „Die Bereitstellung dieser Informationen bietet auch wichtige Erkenntnisse für die Investment-Community.<br />
So sind beispielsweise Unternehmen mit robusten Anti-Korruptions-Richtlinien in einer besseren Position, um unnötige<br />
Kosten zu vermeiden, ganz zu schweigen von Schaden durch Skandale und Rechtsverstöße.“<br />
Mehr zum Thema unter www.unglobalcompact.org/resources/461<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
115
Agenda<br />
GC100: UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
führt Aktienindex ein<br />
Der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> der Vereinten Nationen hat den „<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> 100“ eingeführt. Der<br />
Aktienindex listet Unternehmen, die sich zu den zehn Prinzipien des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> bekennen,<br />
und erzielte im letzten Jahr eine im Vergleich zum weltweiten Aktienmarkt überdurchschnittliche<br />
Gesamtrendite von 26,4 Prozent.<br />
Der GC 100 wurde in Kooperation mit dem Analysehaus Sustainalytics<br />
erstellt und setzt sich aus Unternehmen zusammen,<br />
die sich durch eine Beachtung der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>-Prinzipien,<br />
ein besonderes Bekenntnis der Unternehmensleitung und eine<br />
beständige Profitabilität auszeichnen.<br />
Im Vergleich zum FTSE All World zeichnet sich der GC100 in<br />
den letzten Jahren durch eine überdurchschnittliche Wertentwicklung<br />
aus (letztes Jahr: GC100 26,4 % / FTSE All World<br />
22,1 %; letzten zwei Jahre: GC100 19,0 % / FTSE All World<br />
17,7 %; letzten drei Jahre: GC100 29,0 % / FTSE All World 12,0 %).<br />
„Die Performance des GC100 darf man nicht als ein einfaches<br />
Wechselspiel von Engagement in unternehmerisch nachhaltige<br />
Praktiken auf der eine Seite und dem Börsenkurs auf der<br />
anderen Seite missverstehen. Vielmehr sieht man eine spannende<br />
Korrelation“, sagt Georg Kell, Executive Director des<br />
UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>. „Darüber hinaus spiegeln die Resultate<br />
auch die Tatsache wider, dass Nachhaltigkeitsperformance ein<br />
Faktor wird, der wachsendes Interesse von Investoren erlebt.“<br />
Kell ergänzt: „Nachhaltigkeitsperformance sollte daher nicht<br />
isoliert betrachtet werden, sondern vielmehr als Notwendigkeit<br />
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon läutet bei der New York Stock<br />
Exchange (NYSE) den Handelstag offiziell ein. Anlass: Beitritt der NYSE<br />
zur Nachhaltigkeitsinitiative „UN Sustainable Stock Exchanges“ (SSE).<br />
für eine finanziell gute und gesunde Basis. Beide Faktoren<br />
werden oft als Stellvertreter für die Qualität von Management<br />
angesehen, was ein entscheidender Aspekt beim Thema ‚Return<br />
of investment‘ ist.“ Kell erläutert weiter: „Es ist uns wichtig<br />
zu betonen, dass wir damit nicht sagen, diese 100 Firmen<br />
seien die Besten im <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>. Der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
hat viele Tausend Unternehmen, die einen exzellenten Job<br />
im Bereich Nachhaltigkeit machen. Wir wollten vielmehr die<br />
Verbindung zwischen nachhaltigen Geschäftspraktiken und<br />
Börsen-Performance ausprobieren. Und die ersten Resultate<br />
sind ermutigend!“. Für die Analyse wurde zudem mit 713 Unternehmen<br />
nur ein Teil der ca. 1.000 börsennotierten <strong>Global</strong><br />
<strong>Compact</strong>-Unterzeichnerunternehmen betrachtet (von 8.000<br />
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>-Unterzeichnerunternehmen insgesamt).<br />
Quelle: UmweltDialog / UPJ<br />
116<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Inside<br />
Publikationen<br />
Download: http://bit.ly/1e9S1aa<br />
Download: http://bit.ly/HYwVAC<br />
Download: http://bit.ly/HWg3u2<br />
Download: http://bit.ly/I6lYvS<br />
Download: http://bit.ly/1e9S1aa<br />
Download: http://bit.ly/I6mcDg<br />
Download: http://bit.ly/17yfuNn<br />
Download: http://bit.ly/1aJIWQy<br />
Download: http://bit.ly/17yfBIA<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
117
Agenda<br />
CEOs beklagen geringe Fortschritte und<br />
fordern Politik zum Handeln auf<br />
Zwei von drei Vorstandschefs (67 Prozent) sind der Meinung, dass Unternehmen nicht genügend<br />
tun, um global nachhaltiger zu wirtschaften. Die große Mehrheit der Top-Manager steht<br />
weiter hinter dem Konzept der Nachhaltigkeit, wünscht sich aber mehr Unterstützung durch die<br />
Politik. Das sind die wichtigsten Ergebnisse der CEO-Nachhaltigkeitsstudie des United Nations<br />
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> und der Beratungsgesellschaft Accenture. Deutsche Vorstände sind besonders<br />
skeptisch, was den Fortschritt in Sachen Nachhaltigkeit angeht. Neun von zehn Unternehmenslenkern<br />
(87 Prozent) halten die bisherigen Anstrengungen für unzureichend.<br />
Für die Befragung bewerteten insgesamt 1.000 Vorstandschefs<br />
in 103 Ländern den Fortschritt der globalen Wirtschaft im<br />
Bereich der Nachhaltigkeit. Die Studie erscheint alle drei Jahre<br />
und ist die weltweit größte Befragung von CEOs zu diesem<br />
Thema. Sie umfasst außerdem ausführliche Interviews mit 75<br />
Top-Managern und analysiert, wie es Unternehmen gelingt,<br />
Nachhaltigkeit und Geschäftserfolg miteinander zu verbinden.<br />
Demnach verstehen immer mehr Firmenlenker Nachhaltigkeit<br />
als Chance. 78 Prozent sehen darin eine Möglichkeit, weiter zu<br />
wachsen und innovativer zu werden, und 79 Prozent glauben,<br />
dass sie durch nachhaltigeres Wirtschaften künftig einen<br />
Wettbewerbsvorteil in ihrer Branche haben werden. Jedoch<br />
hindern die momentane wirtschaftliche Lage und widerstreitende<br />
Prioritäten die Firmenchefs daran, Nachhaltigkeit in<br />
ihren Unternehmen zu verankern.<br />
Wie schon 2010 erachten 93 Prozent der Befragten Umweltbelange,<br />
soziale Fragen und verantwortungsvolle Unternehmensführung<br />
als wichtig für die geschäftliche Zukunft ihrer<br />
Firmen. Allerdings ist die Zahl derjenigen, die Nachhaltigkeit<br />
für sehr wichtig halten, von 54 Prozent vor drei Jahren auf<br />
jetzt 45 Prozent gesunken. In Europa sind es sogar nur noch<br />
34 Prozent. Andererseits ist die große Mehrheit (84 Prozent)<br />
der Meinung, dass die Wirtschaft Vorreiter in Sachen<br />
Nachhaltigkeit sein sollte, verweist aber auf eine Reihe von<br />
Hindernissen:<br />
• Größte Hürde ist demnach der Mangel an Kapital (51 Prozent).<br />
Für 40 Prozent der Unternehmensführer erschwert die derzeitige<br />
wirtschaftliche Lage die Einbettung entsprechender<br />
Maßnahmen in ihr Kerngeschäft.<br />
• Die Verbindung zwischen Nachhaltigkeit und Geschäftserfolg<br />
herzustellen, wird zunehmend als Problem erkannt. Sahen<br />
im Jahr 2007 nicht einmal jeder Fünfte (18 Prozent) diesen<br />
Punkt als kritisch, so sind es in diesem Jahr bereits mehr als<br />
ein Drittel (37 Prozent). Genauso viele Firmenchefs (38 Prozent)<br />
glauben, den Wertbetrag von Nachhaltigkeit tatsächlich<br />
angemessen quantifizieren zu können. In <strong>Deutschland</strong> sind<br />
es deutlich weniger (18 Prozent). Und während 43 Prozent<br />
der deutschen Vorstände angeben, über eine dezidierte<br />
Strategie für zukunftsgerichtetes Handeln zu verfügen, sind<br />
es weltweit mit 56 Prozent erheblich mehr.<br />
• Nur wenige CEOs (15 Prozent) sind der Ansicht, dass sich<br />
Nachhaltigkeit als unverzichtbares Kaufkriterium durchgesetzt<br />
hat. Die große Mehrheit (82 Prozent) hält aber genau<br />
das für entscheidend, damit das Konzept seine verändernde<br />
Wirkung voll enfalten kann. Fast jeder Zweite (46 Prozent)<br />
glaubt allerdings, dass für Konsumenten der Preis, die Qualität<br />
und die Verfügbarkeit immer wichtiger sein werden<br />
als die Nachhaltigkeit eines Produktes.<br />
• Für 52 Prozent aller Befragten ist das Interesse von Investoren<br />
an Nachhaltigkeit ein Anreiz, um entsprechende Maßnahmen<br />
in ihrem Unternehmen anzustoßen. Jedoch gaben nur 12<br />
Prozent Druck von Investoren als entscheidende Motivation<br />
für ihr Handeln an. 69 Prozent glauben, dass die Interessen<br />
der Finanziers ihr Handeln in Zukunft mehr in Richtung<br />
Nachhaltigkeit beeinflussen wird.<br />
• Die Studie zeigt auch unterschiedliche Prioritäten: Während<br />
im Rest der Welt vor allem Bildung und Ausbildung als<br />
wichtig für den zukünftigen Geschäftserfolg identifiziert<br />
118<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Inside<br />
werden, nennen besonders viele deutsche CEOs Energie<br />
(62 vs. 39 Prozent global) und den Klimawandel (44 vs. 29<br />
Prozent global) als die größten Herausforderungen.<br />
„Die große Schwierigkeit liegt darin, das volle Potenzial von<br />
Unternehmen zu entfalten, um Märkte und Gesellschaften<br />
rund um den Globus nachhaltiger zu gestalten. Das zeigt die<br />
Studie deutlich“, so Georg Kell, Executive Director des UN<br />
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>. „Vom Marktführer bis zum Kleinunternehmen<br />
haben sich tausende von Unternehmen auf eine verantwortungsvolle<br />
Unternehmensführung verpflichtet – diesen<br />
Schwung gilt es zu nutzen.“<br />
Bessere Zusammenarbeit mit Regierungen<br />
und mehr Markteingriffe<br />
Die CEOs wünschen sich eine verstärkte Zusammenarbeit<br />
zwischen Unternehmen, Regierungen und politischen Entscheidern,<br />
so ein weiteres Ergebnis der Befragung. 42 Prozent<br />
nennen die Regierung als einen der drei wichtigsten<br />
Ansprechpartner in Sachen Nachhaltigkeit, verglichen mit<br />
32 Prozent im Jahr 2007.<br />
Die große Mehrheit (85 Prozent) verlangt klare politische<br />
Entscheidungen und eindeutige Marktsignale, die grünes<br />
Wachstum unterstützen. Für 55 Prozent stehen dabei Regulierungen<br />
und Standards ganz oben auf der Wunschliste, gefolgt<br />
von Subventionen und anderen finanziellen Anreizen (43<br />
Prozent). 31 Prozent sehen Änderungen in der Besteuerung<br />
als Mittel der Wahl. Weichere Methoden wie etwa freiwillige<br />
Selbstverpflichtungen oder mehr Transparenz unterstützen<br />
dagegen nur 21 Prozent.<br />
„Die gute Nachricht ist: Eine überwältigende Mehrheit der<br />
befragten Manager steht hinter der Idee der Nachhaltigkeit<br />
und sieht das Potenzial für Wachstum und Innovation“, sagt<br />
Alexander Holst, Managing Director und Leiter Sustainability<br />
Services bei Accenture für <strong>Deutschland</strong>, Österreich und die<br />
Schweiz. „Eine zentrale Herausforderung für Unternehmen<br />
bleibt jedoch, Nachhaltigkeit messbar zu machen. Die meisten<br />
Unternehmen tun sich momentan noch schwer zu demonstrieren,<br />
in welchem Umfang Nachhaltigkeit wirklich zum<br />
Geschäftserfolg beiträgt – und zwar in harten Zahlen und<br />
Fakten. Erst wenn das gelingt, lassen sich auch die Investoren<br />
davon überzeugen, dass das der richtige Weg ist.“<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
119
Agenda<br />
The Principles THE PRINCIPLES<br />
Die Corporate Sustainability HUMAN Momentaufnahme RIGHTS untersucht<br />
LABOUR<br />
Maßnahmen der Unternehmen vor dem Hintergrund des <strong>Global</strong><br />
<strong>Compact</strong> Management Models Participate und schaut in industry dabei besonders auf 22% Framework for industrial<br />
apshot<br />
die Elemente, welche als kritisch initiatives für einen umfassenden Nachhaltigkeitsansatz<br />
relations<br />
42%<br />
angesehen werden: Aktivitäten mit Bezug auf<br />
die Zehn Prinzipien, Managementpraktiken zur Einbindung<br />
Risk assessment 21% Participate in industry<br />
13 von Nachhaltigkeit in der eigenen Organisation sowie der<br />
initiatives<br />
25%<br />
Lieferkette. Sie dient auch als Quick-Check-Leitfaden über die<br />
Impact assessment 13%<br />
Arten von Maßnahmen und Regelungen, die wesentlich sind,<br />
Risk assessment 36%<br />
porate Sustainability<br />
um die Verankerung<br />
Snapshot<br />
von verantwortungsvollen Praktiken in der<br />
Firmenstrategie, den Geschäftstätigkeiten Within overall und nicht zuletzt der 72%<br />
corporate action against the<br />
Unternehmenskultur nachzuvollziehen. corporate code Die Daten der Momentaufnahme<br />
basieren auf einer Befragung von 1.712 Mitglieds-<br />
Impact assessment 23%<br />
the <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Management<br />
nd looks at elements considered<br />
unternehmen des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
o a comprehensive sustainability<br />
Supplier aus policy dem Befragungszeitraum 53% Non-discrimination 83%<br />
November / Dezember 2012. Alle Angaben sind in Prozent.<br />
h: action on the Ten Principles,<br />
THE PRINCIPLES<br />
ment practices to embed sustainhroughout<br />
the organization,<br />
ply chain sustainability. HUMAN It also RIGHTS<br />
Specific human rights code<br />
Employee training &<br />
29%<br />
LABOUR44%<br />
Equal opportunity<br />
Free to form & join<br />
78%<br />
77%<br />
s a quick-check guide on the<br />
awareness<br />
trade union<br />
policies and practices Participate essential in industry<br />
22% Framework for industrial<br />
42%<br />
ng t responsible practices initiatives into an Complaint mechanism relations 37% No child labour 66%<br />
tion’s strategies, operations<br />
ure.<br />
Risk assessment Supply chain arrangements 21% Participate 26% in industry No forced labour25%<br />
initiatives<br />
wn in the Snapshot<br />
Impact<br />
represents<br />
assessment Operational guidance 13% notes 23% Supplier policy<br />
entage of companies that indicate<br />
Risk assessment 36%<br />
Snapshot specific action – based on the<br />
Within overall<br />
mpanies nst the that responded to the<br />
Employee performance 72%<br />
36% Collective bargaining<br />
corporate code assessment<br />
Impact assessment 23%<br />
ompact anagement Annual Implementation<br />
64%<br />
49%<br />
59%<br />
n considered Nov/Dec 2012.<br />
Employee training &<br />
56%<br />
stainability<br />
Supplier policy Monitor & evaluate 53% Non-discrimination 29% awareness 83%<br />
rinciples,<br />
performance<br />
ed sustainzation,<br />
Specific human rights code 29% Equal opportunity Vocational/counseling 78%<br />
45%<br />
Public disclosure of<br />
29% programmes<br />
ty. COMMIT It also Employee training &<br />
policies & practices<br />
44% Free to form & join<br />
77%<br />
on the<br />
awareness<br />
trade union Mechanisms for<br />
40%<br />
essential<br />
Multi-stakeholder dialogue 22% age verification<br />
ces into an Complaint mechanism 37% No child labour 66%<br />
ations<br />
Supply chain arrangements 28%<br />
EASURE<br />
ASSESS<br />
SNAPSHOT COLOUR KEY<br />
epresents<br />
at indicate<br />
d on the<br />
d to the<br />
mentation<br />
Supply chain arrangements 26%<br />
IMPLEMENT<br />
DEFINE<br />
Operational guidance notes 23%<br />
Employee performance<br />
assessment<br />
Monitor & evaluate<br />
performance<br />
36%<br />
29%<br />
No forced labour 64%<br />
Monitor & evaluate<br />
Supplier policy<br />
performance<br />
49%<br />
Collective bargaining<br />
Public disclosure<br />
59%<br />
of<br />
policies & practices<br />
Employee training &<br />
awareness<br />
53%<br />
40%<br />
56%<br />
Multi-stakeholder dialogue 24%<br />
ENVIRONMENT<br />
Voluntary charte<br />
Participate in ind<br />
initiatives<br />
Impact assessm<br />
Risk assessment<br />
Technology asse<br />
management<br />
Water footprintin<br />
Life-cycle assess<br />
costing<br />
Performance tar<br />
indicators<br />
Consumption &<br />
responsible use<br />
Cleaner & safer<br />
Supplier policy<br />
Management sys<br />
Public disclosure of<br />
policies & practices<br />
29%<br />
Vocational/counseling<br />
programmes<br />
45%<br />
Employee trainin<br />
awareness<br />
SESS<br />
Multi-stakeholder dialogue 22%<br />
Mechanisms for<br />
age verification<br />
Quelle<br />
40%<br />
United Nations <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> / Accenture<br />
3R (reduce, re-us<br />
Supply chain arrangements 28%<br />
Supply chain arr<br />
EY<br />
DEFINE<br />
120<br />
Monitor & evaluate 53%<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
Eco-design
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Inside<br />
THE PRINCIPLES The Principles THE PRINCIPLES<br />
ENVIRONMENT<br />
ENVIRONMENT<br />
ANTI-CORRUPTION<br />
ANTI-CORRUPTION<br />
42%<br />
Voluntary charters or codes Voluntary charters 50% or codes Participate 50% in industry initiatives Participate in industry 17% initiatives 17%<br />
25%<br />
Participate in industry Participate in industry 33%<br />
initiatives<br />
initiatives<br />
Engage in 33% collective action Engage in collective 13% action 13%<br />
36%<br />
23%<br />
83%<br />
78%<br />
Risk assessment Risk assessment 25%<br />
25%<br />
Impact assessment Impact assessment 51%<br />
51%<br />
Impact assessment Impact assessment 14%<br />
14%<br />
Risk assessment Risk assessment 50%<br />
50%<br />
Within overall corporate Within code overall corporate 70% code 70%<br />
Technology assessment/ Technology assessment/ 45%<br />
45%<br />
management management<br />
Supplier policy Supplier policy 59%<br />
59%<br />
Water footprinting Water footprinting 32%<br />
32%<br />
Zero-tolerance Zero-tolerance 49%<br />
49%<br />
77%<br />
Life-cycle assessment Life-cycle & assessment 31% &<br />
costing<br />
costing<br />
Specific anti-corruption<br />
31%<br />
code Specific anti-corruption 48% code 48%<br />
66%<br />
Performance targets & Performance targets 66% &<br />
indicators<br />
indicators<br />
Pre-approval of facilitation Pre-approval of facilitation 22%<br />
payments<br />
66%<br />
payments<br />
22%<br />
64%<br />
49%<br />
Consumption &<br />
responsible use<br />
Consumption & 65%<br />
responsible use<br />
Employee training & awareness Employee training 42% & awareness 42%<br />
65%<br />
Management system Management system 42%<br />
42%<br />
59%<br />
56%<br />
45%<br />
40%<br />
28%<br />
Cleaner & safer production Cleaner & safer 62% production 62%<br />
Sanction employee breaches Sanction employee 33% breaches 33%<br />
Supplier policy Supplier policy 61%<br />
61%<br />
Specialized unit Specialized unit 31%<br />
31%<br />
Management systems Management systems 66%<br />
66%<br />
Anonymous hotline to<br />
report corruption<br />
Anonymous hotline 30% to<br />
report corruption<br />
30%<br />
Employee training & Employee training 62% &<br />
62%<br />
awareness<br />
awareness<br />
Supply chain arrangements Supply chain arrangements 28%<br />
28%<br />
3R (reduce, re-use, recycle) 3R (reduce, re-use, 59% recycle) 59%<br />
Managers sign “no bribery” Managers sign “no 14% bribery”<br />
certifications<br />
certifications<br />
Supply chain arrangements Supply chain arrangements 31%<br />
31%<br />
14%<br />
53%<br />
Monitor & evaluate<br />
Eco-design Eco-design 25%<br />
performance 25%<br />
Monitor & evaluate 30%<br />
performance<br />
30%<br />
40%<br />
Monitor & evaluate<br />
performance<br />
Monitor & evaluate 54%<br />
performance<br />
Record instances 54% of corruption Record instances 30% of corruption 30%<br />
24%<br />
Public disclosure of<br />
policies & practices<br />
Report emissions/<br />
strategic data<br />
Public disclosure 49% of<br />
policies & practices<br />
Report emissions/ 38%<br />
strategic data<br />
Record facilitation<br />
payments 49% & gifts<br />
Multi-stakeholder dialogue Multi-stakeholder 27% dialogue 27%<br />
Record facilitation 22%<br />
payments & gifts<br />
22%<br />
Publicly accessible policy Publicly accessible 40% policy 40%<br />
38%<br />
Public disclosure of<br />
policies & practices<br />
Public disclosure 29% of<br />
policies & practices<br />
29%<br />
Multi-stakeholder dialogue Multi-stakeholder 16% dialogue 16%<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
121
Agenda<br />
Das Deutsche <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerk<br />
<strong>2013</strong><br />
Von Dr. Jürgen Janssen<br />
Für die Teilnehmer des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> wie auch für die lokalen<br />
Netzwerke begann das Jahr <strong>2013</strong> mit einem Paukenschlag<br />
in Form der Ankündigung einer neuen Beitragspolitik und<br />
anderer Veränderungen durch das <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Office (GCO).<br />
Gemeinsam konnten die lokalen Netzwerke die Änderungen<br />
stoppen und einen Diskussions- und Abstimmungsprozess<br />
mit dem GCO anstoßen, der letztlich auch das gegenseitige<br />
Verständnis zwischen lokal und global deutlich verbessert hat.<br />
Wesentlich für diesen Erfolg und das größere Gewicht der<br />
lokalen Netzwerke ist die im Mai gewählte „Local Networks<br />
Advisory Group“, deren sieben Mitglieder die lokale Netzwerke<br />
repräsentieren und deren Vorsitzender ex-officio Mitglied<br />
des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Boards ist. Vor dem Hintergrund dieser<br />
Entwicklungen hat das DGCN mit dem GCO vereinbart, dass<br />
alle deutschen Unternehmen im <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> sowohl die<br />
Aktivitäten auf globaler als auch auf lokaler Ebene über eine<br />
Spende an die Stiftung DGCN unterstützen sollen.<br />
<strong>2013</strong> war auch das Jahr, in dem sich viele gesellschaftliche<br />
Akteure und Gruppen auf die Verhandlungen um eine globale<br />
Agenda nach 2015 vorbereitet und mit eigenen Vorschlägen<br />
eingebracht haben. Die Vereinten Nationen wollen 2015 ein<br />
neues globales Zielsystem beschließen, das die dann auslaufenden<br />
Millenium Development Goals aufgreifen und diese<br />
um die bei Rio+20 diskutierten Sustainable Development<br />
Goals ergänzen soll.<br />
und zeigte die vielen Ansatzpunkte für eine stärkere Beteiligung<br />
von Unternehmen bei der Bewältigung aktueller und<br />
zukünftiger globaler Herausforderungen.<br />
Der erwähnte Bericht an den UN Generalsekretär bildet auch<br />
die Grundlage der vom UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> im Rahmen des<br />
Leaders Summit vorgestellten „Post-2015 Business Engagement<br />
Architecture“ (www.leaderssummit<strong>2013</strong>.org). Sie legt dar, wie<br />
sich Unternehmen über die reine Umsetzung und Förderung<br />
der 10 Prinzipien hinaus für eine nachhaltige Entwicklung<br />
global und lokal einsetzen können. Die vom UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
und verschiedenen Organisationen der Vereinten Nationen<br />
betreuten Themenplattformen bieten dazu vielfältige Möglichkeiten.<br />
Das DGCN engagiert sich über die Geschäftsstelle etwa<br />
in den Arbeitsgruppen zu Menschenrechten & Arbeitsnormen,<br />
zum 10. Prinzip und auf der neu gestarteten Plattform „Business<br />
4 Peace“. Weitere Kooperationsmöglichkeiten und eine<br />
Übersicht bietet der neu gestartete Business Partnership Hub<br />
(http://businesspartnershiphub.org/).<br />
Das DGCN ist in diesem Umfeld auf nunmehr über 250 Unternehmen<br />
und rund 70 weitere Akteure aus Zivilgesellschaft,<br />
Wissenschaft, Kommunen, verfasster Wirtschaft und Politik<br />
angewachsen. Für diese bietet das Netzwerk viele Möglichkeiten<br />
für Informationsaustausch, Lernen und Dialog.<br />
Unternehmen soll dabei sowohl bei der Zielformulierung<br />
als auch bei der Umsetzung eine wesentlich größere<br />
Bedeutung als in der Vergangenheit zukommen. Das<br />
DGCN hat in diesem Zusammenhang zum Bericht<br />
des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> an den UN Generalsekretär<br />
„Corporate Sustainability and the United<br />
Nations Post-2015 Development Agenda“<br />
beigetragen und zusammen mit dem<br />
Bildung<br />
Bundesministerium für Wirtschaftliche<br />
Zusammenarbeit und Entwicklung<br />
(BMZ) eine erste Konsultationsrunde<br />
zwischen Unternehmen<br />
und Politik in <strong>Deutschland</strong><br />
organisiert. Diese orientierte<br />
sich an den vom UN <strong>Global</strong><br />
<strong>Compact</strong> als prioritär<br />
identifizierten<br />
Themenbereichen<br />
(s. Abbildung)<br />
Lebensmittel<br />
& Landwirtschaft<br />
Frieden<br />
& Stabilität<br />
Wohlstand<br />
&<br />
Verteilungsgerechtigkeit<br />
Teilhabe<br />
von<br />
Frauen &<br />
Gender-<br />
Gleichheit<br />
Wasser &<br />
Sanitäre<br />
Einrichtungen<br />
Infrastruktur<br />
& Technologie<br />
Gesundheit<br />
Armuts-<br />
Apex<br />
Energie &<br />
Klimaressourcen<br />
Grundbedürfnisse<br />
& Kapazitäten<br />
Gute Regierungsführung<br />
& Menschenrechte<br />
Ressourcen-<br />
Trias<br />
Umfeld<br />
gestalten<br />
122<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Inside<br />
Ein wichtiger Schwerpunkt liegt dabei weiterhin auf der<br />
Umsetzung der UN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte<br />
in und durch Unternehmen. So konnte das<br />
Coachingprogramm weiter ausgebaut und u.a. in Kooperation<br />
mit den <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerken Schweiz, Österreich,<br />
Ukraine und Großbritannien umgesetzt werden. Darüber<br />
hinaus steht das in der Menschenrechtslerngruppe des DGCN<br />
entwickelte Organisational Capacity Assessment Instrument,<br />
mit dessen Hilfe Unternehmen die eigenen Kapazitäten und<br />
Fähigkeiten im Umgang mit Menschenrechtsfragen bewerten<br />
können, mittlerweile online in Deutsch, Englisch und Spanisch<br />
zur Verfügung. Zudem hat sich das DGCN stärker mit<br />
menschenrechtlichen Herausforderungen für Unternehmen<br />
in <strong>Deutschland</strong> befasst. Hier wurden u. a. die Integration von<br />
Fachkräften mit Migrationshintergrund und der Schutz von<br />
Opfern häuslicher Gewalt thematisiert.<br />
Als weiteren Schwerpunkt hat das DGCN das Thema Korruptionsbekämpfung<br />
(10. Prinzip des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>) ausgebaut.<br />
Hier wurden mit Einführungswebinaren, dem Coaching<br />
„Compliance <strong>Compact</strong>“ und dem Workshop „Compliance<br />
und Risikomanagement“ neue Möglichkeiten für Lernen<br />
und Dialog geschaffen. Um diese auch stärker regional<br />
anbieten zu können, baut das DGCN die Kooperation mit<br />
Industrie- und Handelskammern aus und bietet mit diesen<br />
ein Einstiegstraining „Risiko Korruption – Effektive Mittel<br />
zur Prävention“ an.<br />
Neuland betritt das DGCN im Bereich des 10. Prinzips mit der<br />
Allianz für Integrität (AfIn), einer Collective Action Initiative, in<br />
der sich neben deutschen mittlerweile einige indische Unternehmen,<br />
zivilgesellschaftliche Organisationen und staatliche<br />
Institutionen engagieren (www.allianceforintegrity.org). Die<br />
AfIn wird von Unternehmen und dem BMZ unterstützt und<br />
führt zunächst in Indien Trainings- und Dialogveranstaltungen<br />
zu konkreten Integritätsaspekten sowie Informationsmaßnahmen<br />
mit dem Ziel durch, Managementkapazitäten und<br />
-fähigkeiten zu stärken und integres Verhalten in Unternehmen,<br />
zwischen Geschäftspartnern und im Wirtschaftssystem<br />
zu fördern.<br />
Neben den primär auf Lernen und Dialog ausgerichteten<br />
Netzwerkaktivitäten konnte das DGCN auf der Grundlage<br />
seines angepassten Referenztextes und vertreten durch seinen<br />
Lenkungskreis in <strong>2013</strong> erstmals zu politischen Prozessen Stellung<br />
nehmen, die unmittelbar mit den 10 Prinzipien und den<br />
Grundsätzen des UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> zusammenhängen. So hat<br />
das Netzwerk etwa die Bundesregierung aufgefordert, einen<br />
Umsetzungsplan für die UN Leitprinzipien für Wirtschaft und<br />
Menschenrechte zu erarbeiten, und den Richtlinienentwurf<br />
der EU-Kommission zur nicht-finanziellen Berichterstattung<br />
grundsätzlich begrüßt.<br />
Die praktische Umsetzung und Förderung der 10 Prinzipien<br />
steht auch im Mittelpunkt der vom DGCN veröffentlichten<br />
und allgemein zugänglichen Informationen und Materialien<br />
sowie einiger Fachveranstaltungen:<br />
• Mit der Broschüre „Menschenrechte achten. Ein Leitfaden<br />
für Unternehmen“ hat das DGCN in Kooperation mit dem<br />
Deutschen Institut für Menschenrechte und twentyfifty Ltd.<br />
einen kompakten Leitfaden für den Einstieg in das Thema<br />
veröffentlicht. Die Publikation liegt mittlerweile in deutscher<br />
und englischer Sprache vor.<br />
• Durch die Herausgabe der deutschen Version der UN Leitprinzipien<br />
für Wirtschaft und Menschenrechte unterstützt das<br />
DGCN die Verbreitung des 2011 veröffentlichten Rahmens<br />
für die Unternehmensverantwortung für die Menschenrechte<br />
in <strong>Deutschland</strong>.<br />
• Das UN Office on Drugs and Crime (UNODC) und der UN<br />
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> haben mit „The Fight Against Corruption“<br />
ein fundiertes und sehr übersichtliches E-Learningtool<br />
entwickelt. Mit Unterstützung von BMZ und DGCN ist nun<br />
eine deutschsprachige Version online, die Unternehmen<br />
auch in ihre internen Weiterbildungsprogramme integrieren<br />
können (http://thefightagainstcorruption.org).<br />
• Gemeinsam mit Transparency International <strong>Deutschland</strong> e.V.<br />
hat das DGCN die nationale und internationale Bedeutung<br />
der United Nations Convention against Corruption (UNCAC)<br />
als Rahmenwerk für die Korruptionsbekämpfung in Politik,<br />
Gesellschaft und Wirtschaft in einer Fachveranstaltung<br />
anlässlich des 10. Jahrestags der Unterzeichnerkonferenz<br />
hervorgehoben.<br />
• Im Rahmen eines Fachgesprächs konnte das DGCN im<br />
Frühjahr zusammen mit UNICEF und Save the Children<br />
die deutsche Fassung der „Children’s Rights and Business<br />
Principles“ veröffentlichen (Broschüre „Kinderrechte und<br />
unternehmerisches Handeln“).<br />
• Die Herausforderungen im Bereich der Rohstoffwirtschaft<br />
betreffen potenziell alle Prinzipien des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>.<br />
Mit dem Fachgespräch „Rohstofftransparenz – Zwischen<br />
lästiger Pflicht und tatsächlichem Nutzen“ hat das DGCN<br />
beleuchtet, inwieweit Transparenz und Offenlegung geeignet<br />
sind, diesen Herausforderungen zu begegnen und somit<br />
Rohstoffabbau und -verwendung nachhaltiger und zum<br />
Nutzen aller Beteiligter zu gestalten.<br />
Für die Ausrichtung und Strategie des DGCN ist der Multi-<br />
Stakeholder Lenkungskreis von zentraler Bedeutung. Hier<br />
werden u. a. die grundlegenden Entscheidungen zum Arbeitsprogramm<br />
und – über den Stiftungsbeirat – die Verwendung<br />
der Mittel der Stiftung DGCN getroffen.<br />
Seit Ende September ist der neue Lenkungskreis im Amt.<br />
Ihm gehören bis Herbst 2015 Tobias Bergner (Auswärtiges<br />
Amt), Susanne Dorasil (BMZ), Wolfram Heger (Daimler AG),<br />
Marita Hilgenstock (RWE AG), Mathias John (Amnesty International),<br />
Klaus Milke (Germanwatch e.V.), Meike Niedbal<br />
(Deutsche Bahn AG), Thorsten Pinkepank (BASF SE), Katharina<br />
Riese (TÜV Rheinland AG), Lothar Rieth (EnBW AG), >><br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
123
Agenda<br />
Bernhard Schwager (Robert Bosch GmbH) und beratend Prof.<br />
Ingo Pies (Universität Halle-Wittenberg), Angelika Pohlenz<br />
(ICC <strong>Deutschland</strong> e.V.) sowie Carsten Schmitz-Hoffmann (GIZ<br />
GmbH) an.<br />
Deutsches <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerk: Ausblick 2014<br />
2014 werden international wichtige Weichen für das im<br />
Folgejahr zu beschließende neue globale Zielsystem für die<br />
Zeit nach 2015 gestellt. In diesem Kontext kann dem UN<br />
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> als im UN System verankerter wirtschaftsgetriebener<br />
Multi-Stakeholder Initiative eine große Bedeutung<br />
zukommen, insbesondere auch mit Blick auf die explizite<br />
Berücksichtigung der Möglichkeiten und Anforderungen<br />
der Wirtschaft für eine möglichst effektive und effiziente<br />
Umsetzung der Post-2015 Agenda. Als deutsches Netzwerk des<br />
UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> wird sich das DGCN im Rahmen seiner<br />
Möglichkeiten und mit seinen Partnern und Stakeholdern in<br />
die entsprechenden Konsultationen und Diskussionsprozesse<br />
in <strong>Deutschland</strong> einbringen.<br />
Die Netzwerkarbeit wird aber primär von der Unterstützung<br />
der Aktivitäten der Teilnehmer bei der Umsetzung der<br />
10 Prinzipien geprägt. Der Lenkungskreis hat dazu für 2014<br />
einige Schwerpunkte gesetzt, die die laufenden Arbeitsprogramme<br />
zu Menschenrechten und Korruptionsbekämpfung<br />
ergänzen sollen:<br />
• Das DGCN wird sich in 2014 dem Themenkomplex Klimawandel<br />
und Energiewende widmen. Hierzu strebt das Netzwerk<br />
eine enge Zusammenarbeit mit Umsetzungspartnern an.<br />
Eine Fokussierung soll mit Blick auf den Zusammenhang<br />
zwischen Klimaveränderungen und Menschenrechten sowie<br />
auf die Auswirkungen von Umweltproblemen und Klimawandel<br />
auf Lieferketten erfolgen.<br />
• Das Themenfeld der nicht-finanziellen / CoP-Berichterstattung<br />
ist für das DGCN nicht erst mit der Veröffentlichung des<br />
Richtlinienentwurfs der EU-Kommission von zentraler<br />
Bedeutung. In 2014 soll der Fokus auf der Nutzung der Berichterstattung<br />
für die Verankerung und das Management<br />
von Nachhaltigkeit im Unternehmen selbst liegen.<br />
Aktuelle Informationen zur Netzwerkarbeit<br />
sowie Instrumente und Ressourcen finden Sie unter<br />
www.globalcompact.de<br />
Über den Autor<br />
Dr. Jürgen Janssen, Geschäftsstelle Deutsches <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerk<br />
124<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Inside<br />
„Das Deutsche Netzwerk ist ein wichtiger<br />
Akteur im gesellschaftlichen Diskurs“<br />
Das Deutsche <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerk (DGCN) ist mit über 300 Mitgliedern heute eine feste<br />
Größe in der deutschen CSR-Landschaft. Mit eigenen Themenschwerpunkten sowie künftig<br />
stärkerem politischen Auftreten will das Netzwerk für seine Anliegen werben. Welche Akzente<br />
sind zu erwarten? Wie schätzen die Verantwortlichen das aktuelle politische Umfeld ein?<br />
Und wie wird intern mit wachsenden Teilnehmerzahlen und Kommunikationsproblemen mit der<br />
New Yorker Zentrale umgegangen? Wir sprachen darüber mit den Lenkungskreismitgliedern<br />
Katharina Riese, Dr. Mathias John und Klaus Milke.<br />
Zunächst einmal Gratulation, Frau Riese, zur Wahl als Mitglied im<br />
DGCN-Lenkungskreis. Sie sind – anders als Mathias John und Klaus<br />
Milke – neu im Gremium. Was hat Sie persönlich zur Kandidatur<br />
bewogen?<br />
Katharina Riese: Nachhaltige Entwicklung kann nicht alleine<br />
durch einen Akteur erreicht werden. Meiner Meinung nach<br />
sind gemeinsame Lösungen und Kooperationen essentiell, um<br />
den Herausforderungen auf dem Weg zu einer nachhaltigen<br />
Entwicklung zu begegnen. Der UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> ist eine<br />
zentrale Plattform, um voneinander zu lernen, um Kooperationen<br />
und Partnerschaften mit anderen Akteuren einzugehen<br />
und so gemeinsame Ziele zu erreichen. Diesen Prozess möchte<br />
ich gerne mitgestalten.<br />
Mit weit über 200 Mitgliedern hat das Netzwerk einen ganz anderen<br />
Charakter als noch vor ein paar Jahren. Hat das Einfluss auf die Art,<br />
wie die Teilnehmer angesprochen und eingebunden werden?<br />
Katharina Riese: Die Entwicklung des Deutschen <strong>Global</strong><br />
<strong>Compact</strong> Netzwerks habe ich aktiv seit vier Jahren mitverfolgen<br />
können, zuvor nur als interessierte Beobachterin von<br />
außen. Aber bereits in diesen vier Jahren habe ich spannende<br />
Neuerungen wahrnehmen können. Das Angebot hat sich über<br />
die Zeit deutlich erweitert. Die Teilnehmer werden dabei<br />
meiner Einschätzung nach weiterhin ebenso persönlich und<br />
individuell betreut, wie man es gewohnt ist. Indem immer<br />
neue Mitglieder dem Netzwerk beigetreten sind, haben sich<br />
natürlich auch die Interessen und Erwartungen geändert und<br />
sind weiter gestreut. Das Deutsche <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerk<br />
hat es immer gut verstanden, diese zu erkennen und in ihrer<br />
Arbeit umzusetzen.<br />
Der Lenkungskreis setzt traditionell Themenschwerpunkte innerhalb<br />
des Netzwerkes. Was steht 2014 an?<br />
Klaus Milke: Der Lenkungskreis schlägt dem Deutschen <strong>Global</strong><br />
<strong>Compact</strong> Netzwerk auch für 2014 erneut eine spannende<br />
Mischung aus bewährten Schwerpunkten und zusätzlichen<br />
wichtigen Themen vor. Wirtschaft und Menschenrechte sowie<br />
Korruptionsbekämpfung werden weiterhin im Mittelpunkt<br />
unserer Arbeit stehen. Als große Herausforderungen sehen wir<br />
den Klimawandel und den „Post 2015“-Prozess bei den Vereinten<br />
Nationen, die sicher mit aufgegriffen werden müssen. Und auf<br />
der strukturell-organisatorischen Ebene wird sicherlich das<br />
Thema der Optimierung von Stakeholder-Dialogen fortgeführt,<br />
zu dem das letzte Arbeitstreffen im Oktober <strong>2013</strong> mit zwei<br />
Workshops einen ersten Aufschlag gemacht hat.<br />
Katharina Riese: ...Außerdem sind kommendes Jahr verstärkt<br />
Aktivitäten zu den Themen Antikorruption, Umwelt und<br />
Klimawandel geplant. Auch hier finden natürlich die sich<br />
verändernden Rahmenbedingen und politische Entwicklungen<br />
Berücksichtigung – Stichwort Energiewende.<br />
Herr John, seit einigen Jahren widmet sich das Deutsche <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
Netzwerk ausführlich dem Thema Menschenrechte. Sind Sie zufrieden?<br />
Mathias John: Mir fällt da eine klassische Antwort ein: Im<br />
Prinzip ja, aber … Es gibt da sicher noch ein gerütteltes<br />
Volumen Luft nach oben. Aber ich bin beeindruckt, was das<br />
Deutsche <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerk zu dem Thema bisher<br />
auf die Beine gestellt hat, ich denke, da sind deutsche <strong>Global</strong><br />
<strong>Compact</strong>-Unternehmen in einer weltweiten Vorreiterrolle.<br />
Als Vertreter einer Menschenrechtsorganisation, die >><br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
125
Agenda<br />
sich als „watchdog“ sieht, wünsche ich mir natürlich eine<br />
Verbreiterung der Basis bei der Bewusstseinsbildung und vor<br />
allem mehr Umsetzung der Menschenrechtsprinzipien im<br />
operativen Geschäft – entlang der gesamten Wertschöpfungskette.<br />
Compliance Assessments, Risikovorsorge und andere<br />
menschenrechtliche due diligence-Maßnahmen sind nicht in<br />
dem Maße umgesetzt, wie wir uns nach Verabschiedung der<br />
UN-Leitprinzipien erhofft hätten. Aber wir werden unsere<br />
Rolle wahrnehmen und ungeduldig weiter drängen, auch<br />
wenn uns natürlich die Hürden in den Unternehmen bewusst<br />
sind. Wichtig ist uns dabei aber auch, dass die Regierungen<br />
zu ihren Verpflichtungen stehen, und da hat gerade die<br />
Bundesregierung erheblichen Nachholbedarf!<br />
Neu eingeführt wird das Modell der Themenpatenschaft. Können Sie<br />
uns das näher erläutern?<br />
Katharina Riese: Die Aktivitäten des Deutschen <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
Netzwerks konzentrieren sich – wie erläutert – jährlich auf<br />
Schwerpunktthemen. Zu diesen Themen werden beispielsweise<br />
Coachings für Unternehmen angeboten, es erfolgen Veröffentlichungen<br />
oder es gibt Fachvorträge. Für die geplanten<br />
Aktivitäten in einem Schwerpunktbereich steht jeweils ein<br />
Lenkungskreismitglied als sogenannter Themenpate zur Verfügung.<br />
Die Themenpaten stehen auf dem jeweiligen Gebiet<br />
als Experten unterstützend zur Verfügung.<br />
Für die Vereinten Nationen sind der Post-2015 Prozess und ein über<br />
Kyoto hinaus gehendes globales Klimaregime von zentraler Bedeutung.<br />
Wie positionieren sich DGCN und Lenkungskreis hier?<br />
Klaus Milke: Man kann davon ausgehen, dass alle am <strong>Global</strong><br />
<strong>Compact</strong> beteiligten Unternehmen und Organisationen an globalen<br />
Nachhaltigkeitszielen und international verbindlichen<br />
Klimaschutzregelungen als Level Playing Field interessiert sind.<br />
Auf dem Weg dahin gibt es allerdings große Unterschiede.<br />
Insofern sind gemeinsame Positionierungen nicht einfach.<br />
Katharina Riese: Die Unterstützung des Post-2015-Prozesses<br />
und die Stärkung des Beitrags von Unternehmen für eine nachhaltige<br />
Entwicklung sind prioritäre Aufgaben des UN <strong>Global</strong><br />
<strong>Compact</strong> für die kommenden Jahre. Im Deutschen <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
Netzwerk sind bereits erste Initiativen gestartet worden,<br />
die wir in Zukunft noch vertiefen und konkretisieren wollen.<br />
Der Lenkungskreis wird diesen Prozess aktiv mitgestalten.<br />
Herr Milke, der jüngste Klimagipfel in Warschau war enttäuschend.<br />
Was kann das DGCN machen, um Klimaschutz den nötigen Raum<br />
zu geben?<br />
Klaus Milke: Es ist klar, dass auch die Wirtschaft gebraucht<br />
wird, um die Dynamik für eine Roadmap in Richtung des<br />
entscheidenden Klimagipfels in Paris 2015 zu entfachen. Proaktives<br />
Handeln – wie z.B. die deutsche Energiewende – ist<br />
dazu eine wichtige Unterstützung. Das deutsche Netzwerk<br />
wird darum vor allem die Energiewende als positives Projekt<br />
von deutschen Unternehmen in den Vordergrund rücken.<br />
International scheitern derzeit fast alle Abkommen am fehlenden Willen<br />
zur multilateralen Zusammenarbeit. Wie stellt sich die Situation aus<br />
Ihrer Sicht auf nationaler Ebene in <strong>Deutschland</strong> dar?<br />
Katharina Riese: In der Tiefe habe ich sicher besonders im<br />
Rahmen der Arbeit des Deutschen <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerks<br />
einen Einblick in die Situation. Hier nehme ich einen starken<br />
Willen zu einer multilateralen Zusammenarbeit wahr. Dies<br />
spiegelt sich nicht zuletzt in vergangenen und aktuellen<br />
Projekten wider. Veranstaltungen mit anderen UN <strong>Global</strong><br />
<strong>Compact</strong> Ländernetzwerken sind keine Seltenheit. Darüber<br />
hinaus begrenzen sich auch einzelne Projekte wie aktuell<br />
bspw. die „Allianz für Integrität“ nicht auf Ländergrenzen.<br />
Das DGCN hat gerade erst sein Profil modifiziert, um künftig auch<br />
an politischen Diskussionen aktiv teilnehmen zu können. Heißt das,<br />
dass wir das DGCN künftig stärker in der (partei-)politischen Arena<br />
erleben werden?<br />
Katharina Riese: Das heißt es meines Erachtens nicht, denn<br />
das DGCN versteht sich als Multistakeholder-Forum. Unternehmen,<br />
Zivilgesellschaft, Wissenschaft und auch Politik tauschen<br />
sich aus, um gemeinsam Ziele zu erreichen. Um gemeinsame<br />
Positionen kommunizieren zu können, hat sich das Deutsche<br />
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerk ein klares Profil gegeben. Darin<br />
heißt es, dass das DGCN diejenigen politischen Diskussionen<br />
begleiten kann, die für die Umsetzung und Förderung der<br />
10 Prinzipien relevant sind. Ob und in welcher Form dann<br />
tatsächlich Positionen formuliert werden, hängt vom konkreten<br />
Diskussionsgegenstand und der Meinungsbildung in<br />
Lenkungskreis und Netzwerk ab.<br />
Klaus Milke: Keine Parteipolitik, aber doch Orientierung auch<br />
für die anderen Netzwerkteilnehmer und die Politik erscheinen<br />
uns angebracht. Der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> soll ja nichts Statisches<br />
sein, sondern eine Lernbewegung nach vorne darstellen. Da<br />
müssen wir ausloten, inwieweit Konsens in bestimmten Einzelfragen<br />
zu finden ist.<br />
Mathias John: Diese Entscheidung ist nur konsequent: Wir<br />
wissen alle, dass das Deutsche Netzwerk ein wichtiger Akteur<br />
im gesellschaftlichen Diskurs um Unternehmensverantwortung<br />
ist. In unserem nun schon lange Jahre geführten Dialogprozess<br />
haben wir nach meiner Wahrnehmung zu zentralen Themen<br />
der Unternehmensverantwortung durchaus wichtige gemeinsame<br />
fortschrittliche und zukunftsweisende Standpunkte<br />
entwickelt – diese sollten wir dann zur gegebenen Zeit auch<br />
in die Waagschale werfen!<br />
Die von der New Yorker Zentrale angekündigten Zwangsbeiträge sind<br />
jetzt doch wieder vom Tisch. Dennoch hat die Kommunikation viele<br />
Teilnehmer verstört. Gibt es hier künftig klarere Absprachen, wie die<br />
Kommunikation erfolgt?<br />
Katharina Riese: Das ist auch die Wahrnehmung im Lenkungskreis<br />
gewesen und wurde uns auch von Teilnehmern<br />
gespiegelt. Im Nachgang wurde über die Geschäftsstelle des<br />
126<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Inside<br />
Deutschen <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerks mit der New Yorker<br />
Zentrale vereinbart, dass die Kommunikation künftig stärker<br />
über die Geschäftsstelle in <strong>Deutschland</strong> läuft.<br />
Mathias John: Nach meiner Wahrnehmung hat hier erneut<br />
eine zur Unzeit losgetretene und unglücklich kommunizierte<br />
Finanzierungsfrage völlig überflüssige Irritationen ausgelöst.<br />
Natürlich muss der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> finanziert werden, und<br />
natürlich sollten alle Teilnehmer großes Interesse an einem<br />
auskömmlichen Budget haben, schließlich wird auch ein<br />
nicht unbeträchtlicher Mehrwert generiert. Das sollte aber<br />
in einem auf Partnerschaft ausgelegten Netzwerk nicht „per<br />
ordre de mufti“ oktroyiert werden – leider konnte das aber<br />
so empfunden werden.<br />
Die erste Dekade des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> war geprägt von der Etablierung<br />
der Initiative innerhalb der UN und innerhalb der CSR-Landschaft.<br />
Das ist erreicht. Jetzt gilt es, eine künftige Roadmap vorzulegen. Was<br />
wären aus Ihrer Sicht sinnvolle Anlaufstellen, lohnende Zwischenstopps<br />
und wichtige Orientierungspunkte auf dieser Reise?<br />
Klaus Milke: Ein interessanter Punkt ist sicherlich, dass die<br />
Teilnehmer am <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> sich gegenseitig sehr viel<br />
mehr anspornen, noch besser zu werden. Dazu könnte es auch<br />
nützlich sein, darüber nachzudenken, wie man mit denen<br />
in den eigenen Reihen eigentlich umgeht, die zwar jährlich<br />
wohlklingende „Fortschrittsberichte“ abgeben, die aber ganz<br />
offensichtlich gegen ein oder mehrere Prinzipien des <strong>Global</strong><br />
<strong>Compact</strong> verstoßen.<br />
Mathias John: Sinnvoll wäre sicher auch einmal die Evaluation<br />
bisheriger Projekte, damit wir aus den Ergebnissen lernen können.<br />
Und der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> sollte ruhig den Ehrgeiz zeigen,<br />
mehr mitzugestalten – beispielsweise bei der Umsetzung der<br />
UN-Leitprinzipien.<br />
Katharina Riese: Die eigentliche Arbeit beginnt jetzt. Wir<br />
haben insbesondere in <strong>Deutschland</strong> über das Ländernetzwerk<br />
eine sehr etablierte Plattform, um die zukünftigen Herausforderungen<br />
anzugehen. Rahmenbedingungen sind sicherlich<br />
politische, aber auch die Ergebnisse des Post-2015-Prozesses.<br />
Sie werden sicherlich zu einem Großteil die Richtung bzw.<br />
die Orientierung bilden. Die Einbindung der Wirtschaft in<br />
diesen Prozess unterstreicht das nur und zeigt auch, dass die<br />
Wirtschaft einen wichtigen Anteil an der Erreichung nachhaltiger<br />
Entwicklung leisten kann und muss. Im UN <strong>Global</strong><br />
<strong>Compact</strong> sind die besten Voraussetzungen hierfür gegeben.<br />
Denn hier finden sich die verschiedenen gesellschaftlichen<br />
Akteure zusammen, um gemeinsame Herausforderungen<br />
und Ziele auch gemeinsam anzugehen. Ich freue mich sehr,<br />
diesen Weg aktiv mitgestalten zu können.<br />
Wir wünschen Ihnen alles Gute für die anstehenden Aufgaben und<br />
bedanken uns herzlich für das Gespräch!<br />
Katharina Riese<br />
Dr. Mathias John<br />
Klaus Milke<br />
ist Managerin CSR & Nachhaltigkeit<br />
bei TÜV Rheinland.<br />
www.tuv.com/nachhaltigkeit<br />
ist Sprecher des Arbeitskreises Wirtschaft,<br />
Rüstung und Menschenrechte und Experte<br />
für Unternehmensverantwortung bei<br />
Amnesty International in <strong>Deutschland</strong>.<br />
www.amnesty.de<br />
ist Vorstandsvorsitzender<br />
von Germanwatch.<br />
www.germanwatch.org<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
127
Agenda<br />
Stiftung<br />
Deutsches <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerk<br />
Mit der Stiftung hat das Deutsche <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerk<br />
(DGCN) im Frühsommer 2009 ein Instrument geschaffen, über<br />
das sich die Teilnehmer auch finanziell an den kontinuierlich<br />
zunehmenden Aktivitäten des Netzwerks beteiligen können. Bis<br />
dato wurde das DGCN vor allem von der deutschen Bundesregierung<br />
aus dem Etat des Bundesministeriums für wirtschaftliche<br />
Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert. Mit der<br />
Stiftung soll sich dies ändern: Die überwiegende Mehrheit der<br />
beteiligten Unternehmen hat zugestimmt, die gemeinsamen<br />
Aufgaben künftig zu möglichst gleichen Teilen aus privaten und<br />
öffentlichen Geldern zu finanzieren – und so dem Anspruch<br />
einer unternehmensgetriebenen Multi-Stakeholder-Initiative<br />
voll gerecht zu werden.<br />
Die Stiftung fördert die Tätigkeiten des UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
und des DGCN.<br />
Sie verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige<br />
Zwecke. Die Stiftung ist weder rechtlich noch organisatorisch<br />
mit der in den USA registrierten <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Foundation<br />
verbunden, welche das New Yorker Büro und weltweite Aktivitäten<br />
des UN <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> unterstützt. Finanzierungsentscheidungen<br />
der DGCN-Stiftung werden vom Lenkungskreis<br />
des DGCN getroffen, der auch die drei Beiratsmitglieder stellt.<br />
Rechtliche Trägerin der Stiftung ist die Macenata Management<br />
GmbH. Die Stiftung ist damit unabhängig vom Focal Point<br />
des DGCN.<br />
Deutsche Unternehmen können entscheiden, wie sie am<br />
besten den <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> unterstützen möchten.<br />
Sie können an die nach deutschem Recht gemeinnützige und<br />
daher steuerlich begünstigte DGCN-Stiftung spenden, die<br />
hauptsächlich die Arbeit in <strong>Deutschland</strong> fördert. Eine andere<br />
Möglichkeit ist die Unterstützung der US-amerikanischen <strong>Global</strong><br />
<strong>Compact</strong> Foundation, welche in <strong>Deutschland</strong> steuerlich nicht<br />
begünstigt ist. Die Stiftung empfiehlt, beides zu kombinieren:<br />
Sie spenden einen Betrag in die deutsche DGCN-Stiftung<br />
und veranlassen die Stiftungsverwaltung, einen von Ihnen<br />
bestimmten Teilbetrag als zweckgebundene Spende an die<br />
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Foundation weiterzuleiten. Auf diese Weise<br />
bedeutet Ihre Unterstützung einen minimalen administrativen<br />
Aufwand für Ihr Unternehmen.<br />
Kontoinhaber:<br />
Stiftung Deutsches <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerk<br />
Kto. Nr. 138412000<br />
BLZ: 700 303 00 (Bankhaus Reuschel)<br />
IBAN: DE75700303000138412000<br />
S.W.I.F.T-BIC: REUCDEMMXXX<br />
An der Ausrichtung und Arbeitsteilung der Arbeit im Deutschen<br />
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Netzwerk ändert sich dadurch nichts: Alle<br />
inhaltlichen Entscheidungen verbleiben im Lenkungskreis<br />
mit Vertretern von Unternehmen, der Zivilgesellschaft und<br />
den Bundesministerien. Der Lenkungskreis arbeitet nach dem<br />
Konsensverfahren. Dies gilt auch für die Verabschiedung des<br />
Budgets. Darüber hinaus werden wichtige Entscheidungen<br />
im Verlauf der DGCN-Arbeitstreffen vorbereitet und diskutiert.<br />
Die operative Realisierung der Aktivitäten des DGCN,<br />
z. B. Veranstaltungen und Publikationen, verantwortet wie<br />
bisher der „Focal Point“ als Sekretariat des DGCN, der von der<br />
Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gestellt<br />
wird. Aktuelle Informationen zur Stiftung und ihrem Budget<br />
finden Sie im internen Bereich der DGCN-Webseite.<br />
128<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
Impressum<br />
Verlag:<br />
Mediengruppe macondo<br />
Dahlweg 87<br />
48153 Münster<br />
Tel.: +49 (0) 251 – 200782-0<br />
Fax: +49 (0) 251 – 200782-22<br />
Mail: info@macondo.de<br />
URL: www.macondo.de<br />
USt-Id-Nr.: DE214683825<br />
Herausgeber:<br />
Dr. Elmer Lenzen<br />
Redaktion:<br />
Dennis Lohmann, Sonja Scheferling<br />
Bildredaktion:<br />
Marion Lenzen<br />
Gestaltung:<br />
Magnus A. Sundermann<br />
Lektorat:<br />
Marion Lenzen<br />
Klimaneutralität:<br />
Das vorliegende Druckerzeugnis ist<br />
durch anerkannte Klimaschutzprojekte<br />
klimaneutral gestellt worden.<br />
(Nature Office Gold Standard Portfolio -<br />
GS, VER)<br />
klimaneutral<br />
natureOffice.com | DE-223-359385<br />
gedruckt<br />
Papier:<br />
Plano® Art, FSC zertifiziert<br />
Grußnote:<br />
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon<br />
Autoren dieser Ausgabe<br />
(in alphabetischer Reihenfolge):<br />
Yvonne Benkert, Dr. Wolfgang Böhmer,<br />
Dr. Jürgen Bönig, Matthias Brock, Ann-<br />
Kristin Brönnecke, Markus Brückner,<br />
Dr. Brigitte Dittrich-Krämer, Hubertus<br />
Drinkuth, Garrelt Duin, Marcus Eichhorn,<br />
Dirk Frenzel, Dr. Udo Hartmann,<br />
Dr. Jürgen Heraeus, Vera Heyes, Klaus<br />
Hübscher, Dr. Annika Hundertmark,<br />
Stefanie Iske, Dr. Jürgen Janssen,<br />
Dr. Mathias John, Ida Karlsson, Richard<br />
Karmel, Torben Kehne, Philipp Killius,<br />
Bettina Klump-Bickert, Helmut Krodel,<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong><br />
Barbara Küppers, Silvia Lehmann,<br />
Dr. Elmer Lenzen, Stefan Löbbert,<br />
Joachim Löchte, Antonio Luz-Veloso,<br />
Julian Matthes, Klaus Milke, Carsten<br />
Pipper, Nicole Richter, Katharina Riese,<br />
Prof. Dr. Markus Rometsch, Michael<br />
Sahm, Dr. Dirk Christoph Schautes,<br />
Peter Schmitt, Karina Schneider, Bernhard<br />
Schwager, Friederike Segeberg,<br />
Dr. Andrea Stögbauer, Oliver Thomsen,<br />
Dr. Peter F. Tropschuh, Axel Vassen,<br />
Dr. Mark Veser, Dr. Antonia Wadé,<br />
Riccardo Wagner<br />
Namentlich gekennzeichnete<br />
Beiträge geben nicht die Meinung des<br />
Herausgebers wieder.<br />
Bildnachweis:<br />
UN Photo/Michael Dames (S. 3, S. 4<br />
u., S. 112/113, S. 114, S. 119), Kzenon/<br />
Fotolia.com (S. 4 o., 6/7), UN Photo/<br />
Tobin Jones (S. 4 m., 22/23), gmg9130/<br />
Fotolia.com (S. 8), xy/Fotolia (S. 11),<br />
Natalia Bratslavsky/Fotolia.com (S. 13),<br />
UN Photo/Martine Perret (S. 15), industrieblick/Fotolia.com<br />
(S. 16), Kadmy/<br />
Fotolia.com (S. 18), Pavel Losevsky/<br />
Fotolia.com (S. 19), Richard Karmel<br />
(S. 21), UN Photo (S. 24/25), UN Photo/<br />
Laffont (S. 26, 27), UN Photo/OCHA/<br />
David Ohana (S. 28 r.), UNICEF/Hyou<br />
Vielz (S. 29), Lewis W. Hine/National<br />
Child Labor Committee (S. 31, 34),<br />
pixabay (S. 32), UN Photo/Shareef<br />
Sarhan (S. 38), Dietmar Meinert/pixelio.<br />
de (S. 40/41), Staatskanzlei NRW/Ralph<br />
Sondermann (S. 43), christian42/Fotolia.<br />
com (S. 46), Frank Vincentz/wikimedia<br />
(S. 47), Wirtschaftsministerium NRW/<br />
Hojabr Riahi (S. 49 o., 52 o.), Bayer<br />
(S. 48 r., 58, 59), Wikipedia (S. 49 u.),<br />
Presseamt Berlin (S. 50), METRO<br />
GROUP/Thomas Bauer/www.tomfoto.<br />
de (S. 51 l.), Deutscher Bundestag/<br />
Presse-Service Steponaitis (S. 52 u.<br />
l.), Landesregierung NRW (S. 52 u. r.),<br />
Johann H. Addicks/wikipedia (S. 53 r.),<br />
UN Photo/Ray Witlin (S. 56/57), Tchibo<br />
(S. 60/61), Audi/ u.r.foto (S. 62), Audi/<br />
Stefan Warter (S. 63), Bosch (S. 64),<br />
Merck (S. 66), Merck/Lichtbildatelier<br />
Eva Speith (S. 67), QFC (S. 68/69), RWE<br />
(S. 70/71), ABB/Luca Siermann (S. 74 l.,<br />
75) BSH/Andreas Teichmann Fotografie<br />
(S. 76/77), CEWE (S. 78/79), Daimler<br />
(S. 80 o.), Daimler/World Economic<br />
Forum/swiss-image.ch (S. 80 u.),<br />
Deutsche Post DHL/Jennifer Zumbusch<br />
(S. 82/83), HypoVereinsbank/UniCredit<br />
(S. 84/85), LANXESS (S. 86/87), MAN<br />
(S. 88/89), natureOffice (S. 90/91),<br />
Weidmüller/Christoph Leniger (S. 92/<br />
93), METRO GROUP (S. 94/95), Brian<br />
Jackson/Fotolia.com (S. 96/97), DAW<br />
(S. 101), Deutsche Bahn (S. 102/103),<br />
Jon Mullen/istockphoto.com (S. 104),<br />
Forest Carbon Group (S. 109),<br />
HOCHTIEF (S. 110/111), UN <strong>Global</strong><br />
<strong>Compact</strong> (S. 112/113), UN Photo/<br />
Ben Hider (S. 116), DGCN (S. 124),<br />
hannawitte (S. 127 l.), Dr. Matthias John<br />
(S. 127 m.), Klaus Milke (S. 127 r.), sowie<br />
Marion Lenzen (S. 28 l., 51 r., /53 l.,<br />
72/73, 115)<br />
Titelbild:<br />
UN Photo / Sophia Paris<br />
Bezugspreis:<br />
€ 30,00 zzgl. Porto:<br />
[D] + € 1,00<br />
[CH] + € 3,50<br />
[EU] + € 2,00<br />
[Int.] + € 5,50<br />
Rechte:<br />
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck,<br />
Aufnahme in Online-Dienste und<br />
Internet sowie Vervielfältigung jeglicher<br />
Art nur nach vorheriger schriftlicher<br />
Zustimmung des Herausgebers.<br />
Für unverlangt eingeschickte<br />
Manuskripte, Fotos und Illustrationen<br />
übernehmen wir keine Gewähr.<br />
ISSN 1614-7685<br />
ISBN-13: 978-3-9813540-6-5<br />
Printed in Germany © 2014<br />
Anschrift DGCN:<br />
Geschäftsstelle Deutsches <strong>Global</strong><br />
<strong>Compact</strong> Netzwerk (DGCN)<br />
Deutsche Gesellschaft für<br />
Internationale Zusammenarbeit<br />
(GIZ) GmbH<br />
Reichpietschufer 20<br />
10785 Berlin<br />
Tel.: +49 (0) 30 72614-204<br />
Fax.: +49 (0) 30 72614-130<br />
Mail: globalcompact@giz.de<br />
URL: www.globalcompact.de<br />
129
Agenda<br />
Die 10 Prinzipien<br />
des United Nations<br />
<strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
Im Mittelpunkt der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong>-Initiative stehen zehn Prinzipien zu Menschenrechten,<br />
Arbeitsnormen, Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung. Der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> ruft weltweit<br />
Unternehmen dazu auf, sich zu diesen Prinzipien öffentlich zu bekennen und aktiv für ihre<br />
Umsetzung einzusetzen.<br />
Menschenrechte<br />
Prinzip 1: Unterstützung<br />
und Respektierung<br />
der internationalen<br />
Menschenrechte im eigenen<br />
Einflussbereich<br />
Prinzip 2: Sicherstellung,<br />
dass sich das eigene<br />
Unternehmen nicht an<br />
Menschenrechtsverletzungen<br />
beteiligt<br />
UmweLT<br />
Prinzip 7: Unterstützung eines<br />
vorsorgenden Ansatzes im<br />
Umgang mit Umweltproblemen<br />
Prinzip 8: Ergreifung von<br />
Schritten zur Förderung einer<br />
größeren Verantwortung<br />
gegenüber der Umwelt<br />
Prinzip 9: Hinwirkung<br />
auf die Entwicklung und<br />
Verbreitung umweltfreundlicher<br />
Technologien<br />
Arbeitsnormen<br />
Prinzip 3: Wahrung der<br />
Vereinigungsfreiheit und<br />
wirksame Anerkennung<br />
des Rechts zu<br />
Kollektivverhandlungen<br />
Prinzip 4: Abschaffung jeder<br />
Art von Zwangsarbeit<br />
KORRUPTIONsbekämpfung<br />
Prinzip 10: Unternehmen sollen<br />
gegen alle Arten der Korruption<br />
eintreten, einschließlich<br />
Erpressung und Bestechung<br />
Prinzip 5: Abschaffung der<br />
Kinderarbeit<br />
Prinzip 6: Beseitigung von<br />
Diskriminierung bei Anstellung<br />
und Beschäftigung<br />
130<br />
globalcompact <strong>Deutschland</strong> <strong>2013</strong>
SGS-COC-1349<br />
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Bestellanschrift<br />
Mediengruppe macondo<br />
Dahlweg 87<br />
48153 Münster<br />
Tel: +49 (0) 2 51 - 200 782 -0<br />
Fax: +49 (0) 2 51 - 200 782 -22<br />
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Titel_2005_RZ 06.01.2006 15:02 Uhr Seite 2<br />
SGS-COC-1349<br />
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27.12.2007, 16:59<br />
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20.12.2006, 20:56<br />
Bisherige Ausgaben<br />
»<br />
Let us choose to unite the power<br />
of markets with the authority of<br />
universal ideals. Let us choose to<br />
reconcile the creative forces of private<br />
entrepeneurship with the needs of the<br />
disadvantaged and the requirements<br />
of future generations.<br />
BESTELLANSCHRIFT<br />
mediengruppe macondo<br />
Hüfferstr.25 | 48149Münster<br />
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«<br />
Kofi Annan, Secretary-General of the United Nations<br />
global<br />
compact<br />
25 | 30 US$<br />
Falzmarken Rücken<br />
global compact <strong>Deutschland</strong> | 2005<br />
global<br />
compact<br />
2005<br />
Today <strong>Deutschland</strong> it is increasingly clear<br />
that UN objectives – peace,<br />
security, development go hand-inhand<br />
with prosperity and growing<br />
markets.<br />
If societies fail, so will markets.<br />
Kofi Annan, former Secretary-General of the United Nations<br />
global<br />
compact<br />
25,00 EUR<br />
BESTELLANSCHRIFT Berliner Platz 8-10 Tel: +49 (0) 251 - 48 44 93 40 info@macondo.de<br />
Mediengruppe macondo D-48143 Münster Fax: +49 (0) 251 - 48 44 93 42 www.macondo.de<br />
global compact <strong>Deutschland</strong> | 2006<br />
global<br />
compact<br />
<strong>Deutschland</strong><br />
2006<br />
iness leaders to embrace<br />
t as an organizing tool<br />
rations. Ensure that<br />
iaries and supply chain<br />
mpact as both a<br />
and a moral compass.<br />
global compact <strong>Deutschland</strong> | 2007<br />
compact<br />
Ich freue mich, dass die Mitglieder des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> <strong>Deutschland</strong> in einem<br />
global<strong>Deutschland</strong><br />
<strong>Jahrbuch</strong> über ihre Aktivitäten berichten. Ich wünsche mir, dass dieses Buch noch<br />
mehr Unternehmen anspornt, sich zu den Prinzipien des <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> zu bekennen<br />
und diese mit Engagement umzusetzen – im eigenen Betrieb ebenso wie über dessen<br />
Grenzen hinaus. Wir brauchen dieses Engagement der Unternehmen für mehr Ausgleich<br />
und Gerechtigkeit der internationalen Ordnung.<br />
I am pleased that the members of <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Germany are reporting on their<br />
activities in a yearbook. I hope that this book will encourage even more companies to<br />
adopt the <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Principles and carry them out with commitment – in their own<br />
operations and beyond their boundaries. We need this involvement of<br />
companies for more balance and justice in the international order.<br />
global compact <strong>Deutschland</strong> | 2008<br />
global<br />
compact<br />
<strong>Deutschland</strong><br />
global<br />
compact<br />
<strong>Deutschland</strong><br />
Ki-moon,<br />
retary General of the United Nations<br />
Dr. Horst Köhler,<br />
Deutscher Bundespräsident<br />
German Federal President<br />
Ich wünsche dem deutschen <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> <strong>Jahrbuch</strong> einen großen Leserkreis.<br />
Möge es zu weiteren Anstrengungen für kreative und erfolgreiche Partnerschaften<br />
animieren, die der <strong>Global</strong>isierung nicht nur ein freundliches Gesicht verleihen, sondern vor<br />
allem deren vielfältige Chancen und positive Entwicklungen konkret erfahrbar machen.<br />
I wish the German <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong> Yearbook a large readership. May it<br />
animate further efforts towards creative and successful partnerships that not only give<br />
globalisation a friendly face but, above all, make it possible to experience<br />
concretely its many opportunities and positive developments.<br />
Dr. Angela Merkel,<br />
Deutsche Bundeskanzlerin<br />
German Federal Chancellor<br />
2007<br />
30,00 EUR<br />
2008<br />
2009<br />
T Berliner Platz 8-10 Tel: +49 (0) 251 - 48 44 93 40 info@macondo.de<br />
ndo D-48143 Münster Fax: +49 (0) 251 - 48 44 93 42 www.macondo.de<br />
BESTELLANSCHRIFT Berliner Platz 8-10 Tel: +49 (0) 251 - 48 44 93 40 info@macondo.de<br />
Mediengruppe macondo D-48143 Münster Fax: +49 (0) 251 - 48 44 93 42 www.macondo.de<br />
erische<br />
ng muss ein<br />
erden für ethische<br />
ärkte.<br />
UN Generalsekretär Ban Ki-moon<br />
global compact <strong>Deutschland</strong> 2010<br />
<strong>Deutschland</strong><br />
global<br />
compact<br />
Durch Vorbilder und Kooperationen<br />
in Initiativen und Netzwerken können<br />
wir das Bewusstsein für Nachhaltigkeit auch<br />
als wirtschaftlichen Erfolgsfaktor weiter<br />
schärfen. Hierbei nimmt der <strong>Global</strong> <strong>Compact</strong><br />
eine wichtige Rolle ein. Allen Akteuren, die<br />
sich in diese weltweite Initiative einbringen,<br />
sage ich von Herzen Dank.<br />
global compact <strong>Deutschland</strong> 2011<br />
<strong>Deutschland</strong><br />
global<br />
compact<br />
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel<br />
30,00 EUR<br />
2010<br />
2011
We need you to be<br />
architects of a sustainable<br />
future.<br />
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon<br />
Bestellanschrift<br />
Mediengruppe macondo<br />
Dahlweg 87<br />
48153 Münster<br />
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30,00 EUR